Lernumgebung

Aus Kinaesthetics-Online-Fachlexikon
Status mit Fachliteratur angelegt
AutorIn/RedakteurIn N. N./Sabine Kaserer
Letzte Änderung 17.04.2024


Zusammenfassung:
Dieser Artikel ist mit Fachliteratur angelegt. Er besteht aus einschlägigen Zitaten zum Thema Lernumgebung. Die Lernkultur in Kinaesthetics geht davon aus, dass Lernen ein eigenaktiver und selbstverantwortlicher Prozess ist. Kinaesthetics verwendet für die Tätigkeit des Lehrens und Unterrichtens vorzugsweise den Begriff Lernumgebung gestalten. „Unterricht“ wird in diesem Verständnis zu einem gemeinsamen Lern- und Forschungsprozess aller Beteiligten. Entsprechend besteht die Aufgabe der TrainerIn darin, die Lernumgebung so zu gestalten, dass die Lernenden sie aktiv und eigenverantwortlich nutzen können. Die ersten Zitate stammen aus dem Buch „Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz“. Die letzten beiden Zitate stammen aus dem Kinästhetik-Bulletin Nr. 2 von 1982 und dem Kinästhetik-Bulletin Nr. 20 von 1993.

Lernumgebung in „Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz“

Das folgende Zitat stammt aus dem Buch „Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz“. Das Zitat ist in das erste Kapitel „Lernen in Kinaesthetics-Kursen“ eingebettet. Dort wird Lernen und Lehren in den Basiskursen erläutert, und Kinaesthetics grundsätzlich als eine sogenannte 1.-Person-Methode dargestellt. In diesem Kapitel werden anschließend die Bewegungserfahrungen als grundlegende Lernwerkzeuge beschrieben und ebenso die schriftliche und gemeinsame Reflexion dieser Erfahrungen. Im abschließenden Unterkapitel 1.6. wird auf die Rolle der Kinaesthetics-TrainerIn eingegangen. Aus diesem stammt das folgende Zitat.

1.6. Die Rolle der Kinaesthetics-TrainerIn
Die spezielle Lernkultur in Kinaesthetics geht sehr stark von der Eigenaktivität und Selbstverantwortung der einzelnen TeilnehmerIn aus. Dies hat eine Auswirkung auf die Rolle der TrainerIn. Die Aufgabe der TrainerIn besteht darin, eine Lernumgebung zu gestalten, in der Sie sich auf der Grundlage von Kinaesthetics mit Ihrer eigenen Bewegung und Ihrem Verständnis der menschlichen Bewegung auseinandersetzen können. Die TrainerIn begleitet Sie kompetent und anpassungsfähig auf Ihrem Lernweg. Die Bewegungs- und Interaktionskompetenz der TrainerIn dient Ihnen dazu, dass Sie Unterschiede in Ihrer eigenen Bewegung oder in Ihren Bewegungsmustern besser wahrnehmen und Ihren Gestaltungsspielraum erweitern können.
Grundsätzlich orientiert sich die Tätigkeit der TrainerIn an den Lernzielen des jeweiligen Kurses und am Verlauf des Lernprozesses der Gruppe. Aus diesem Grund wird sie je nach Bedarf bei einzelnen Themen länger oder kürzer verweilen.
In der aktuellen Bildungslandschaft werden für dieses Verständnis der Lehrtätigkeit Begriffe wie ‚LernbegleiterIn‘ oder ‚Coach‘ verwendet.“

Das folgende Zitat stammt aus der zugehörigen Infobox „Lernumgebung gestalten“:

„Um deutlich zu machen, dass Lernen nicht von außen bestimmt, gesteuert oder erzwungen werden kann, verwendet Kinaesthetics für die Tätigkeit des Lehrens oder Unterrichtens vorzugsweise den Begriff ‚Lernumgebung gestalten‘. Der Begriff Lernumgebung beschreibt alle belebten und unbelebten Aspekte der Umgebung als etwas, das der Lernende aktiv und eigenverantwortlich für sein Lernen nutzt. Im Vordergrund steht somit die Eigenaktivität der Lernenden, die von der unterrichtenden Person begleitet oder „gecoacht“ werden. Dadurch wird ‚Unterricht‘ zu einem gemeinsamen Lern- und Forschungsprozess, zu dem alle Beteiligten mit ihren Kompetenzen einen Beitrag leisten.“

Quelle: European Kinaesthetics Association (Hg.) (2019): Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz. Linz, Siebnen: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-01-7. S. 13.

Im 2. Kapitel werden Methoden und Instrumente von Kinaesthetics thematisiert. Im Kapitel 2.3.1. geht es um die sogenannten Bildungsfelder. Sie dienen der Selbstevaluation und der Einordnung des persönlichen Lernens. Eines der Bildungsfelder heißt „Lernumgebung“ und wird folgendermaßen beschrieben:

„Mein bewusstes Gestalten von Lernumgebungen für mich und andere:
Wie gezielt und reflektiert kann ich für mich und andere Lernumgebungen mit der Methodik und Didaktik von Kinaesthetics gestalten und an den Verlauf des Lernprozesses anpassen?
Bildungsfelder ohne Kreis RE col.jpg





Legende zur grafischen Darstellung der Bildungsfelder:

„Das Kinaesthetics-Logo im Zentrum der Bildungsfelder steht für die TeilnehmerIn eines Bildungsanlasses, die sich durch ihre Erfahrungen, Analysen und Dokumentationen nach und nach die einzelnen Lern- oder eben Bildungsfelder von Kinaesthetics individuell erarbeitet. Die Bildungsfelder werden in Kinaesthetics-Kursen und -Ausbildungen regelmäßig zur systematischen Selbstevaluation und Zuordnung des individuellen Lernzuwachses verwendet.“




Quelle: European Kinaesthetics Association (Hg.) (2019): Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz. Linz, Siebnen: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-01-7. S. 27–28.

Im Glossar des Buches wird der Begriff Lernumgebung folgendermaßen beschrieben:

„Kinaesthetics geht davon aus, dass Lernprozesse von Menschen von außen nicht direkt gesteuert oder bestimmt werden können. Aus diesem Grund bezeichnet Kinaesthetics die Gestaltung von Unterstützungs- oder Lernangeboten als Gestaltung von Lernumgebungen.“

Quelle: European Kinaesthetics Association (Hg.) (2019): Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz. Linz, Siebnen: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-01-7. S. 64.

Lernumgebung in den „Kinästhetik-Bulletins“

Im Kinästhetik-Bulletin Nr. 2 von 1982 finden wir im Artikel „Kinaesthetics and Life Long Health Development“ von Lenny Maietta das folgende Zitat zum Begriff Lernumgebung. Der Artikel ist in englischer Sprache; die abschließende Zusammenfassung („Summary“) wird in diesem Bulletin auf Deutsch übersetzt. Das Zitat umfasst den ersten Abschnitt dieser Zusammenfassung.

„Im kinästhetischen Ansatz wird besondere Aufmerksamkeit der selbstkontrollierten Natur menschlichen Verhaltens, in allen Situationen, geschenkt. Ein Individuum wird nur lernen, wenn sie/er die Kontrolle über den Lernprozess auf allen Stufen besitzt. Lernen wird als ein Prozess betrachtet. Wir werden nicht gelehrt, weder lehren wir lernen. Viele unter uns glauben zu Unrecht, dass wir Information unterrichten. Eigentlich ist Information das Medium, durch welches signifikantes Lernen stattfinden kann. Unsere Rolle als Praktiker ist, unsere Information zu nutzen, um das Niveau der 'Tracking'-Fähigkeiten des Individuums/Gruppe zu erkennen und die Lernumgebung so zu gestalten, dass bei unserer Interaktion mit dem Teilnehmer, das Niveau der Trackingfähigkeiten, welche das Individuum/Gruppe im Moment besitzt, unterstützt werden wird. Von diesem Ausgangspunkt aus rekonstruieren wir langsam die Lernumgebung, durch Erhöhen der Komplexität und durch genügend kleine Schritte, damit das Individuum/Gruppe und wir selber, durch unsere gegenseitige Interaktion mit Erfolg komplexere, kompensatorische soziale Trackingfähigkeiten lernen und dass diese neuen Fähigkeiten in selbstkontrollierte Verhaltensveränderungen integriert werden können, was essentiell für eine lebenslange Gesundheitsentwicklung (Lernen) ist.“

Quelle: Maietta, Lenny (1982): Kinaesthetics and Life Long Health Development. Zusammenfassung. In: Kinästhetik. 2. Bulletin Januar 1982. S. 12.

Im Kinästhetik-Bulletin Nr. 20 von 1993 finden wir im Artikel „Kybernetik – die Beziehung in der Arbeit von Feldenkrais und Kinästhetik“ von Lenny Maietta zum Begriff Lernumgebung die folgende Aussage:

„Wir beabsichtigen, durch Kinästhetik [im Original kursiv] eine Umgebung zu gestalten, die Lernprozesse fördert. Sie soll die Entwicklung von kompensatorischen Social Tracking-Fähigkeiten unterstützen, die dem Einzelnen erweiterte Möglichkeiten zur Interaktion in seinem täglichen Leben geben. Wir verstehen unsere berufliche Rolle bei der Vermittlung unserer Ideen in der Weise, daß wir die Fähigkeiten im Social Tracking des Einzelnen oder einer Gruppe einschätzen, um durch unsere Interaktion mit dem Teilnehmerinnen eine strukturierte Lernumgebung aufzubauen. Von diesem Anfangspunkt aus, strukturieren wir die Lernumgebung allmählich mit zunehmender Komplexität, so daß die Teilnehmerinnen erfolgreich immer komplexer werdende kompensatorische Fähigkeiten im Social Tracking erlernen und diese in die Art und Weise ihrer Interaktion mit anderen integrieren können. “

Quelle: Maietta, Lenny (1993): Kybernetik – die Beziehung in der Arbeit von Feldenkrais und Kinästhetik. Übersetzung: Ina Citron. In: Kinästhetik. 20. Bulletin Januar 1993. S. 6.

Kommentare, Auswertung und offene Fragen

In der aktuellen Kinästhetik-Literatur finden wir den Begriff außer im Buch Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz (vgl. zitierte Stellen) häufig in den Arbeitsunterlagen von Kinaesthetics-Basiskursen, meistens aber ohne Begriffserklärung. Die erste Erwähnung des Begriffs Lernumgebung findet sich im oben zitierten 2. Kinästhetik-Bulletin von 1982, danach taucht der Begriff im 15. Kinästhetik-Bulletin von 1988 in einem kurzen englischsprachigen Artikel „The Art of Asking Questions – Die Kunst der Frage“ von Lenny Maietta als „Learning environment“ (S. 30) auf, ein zweites Mal im gleichen Bulletin in ihrem Artikel „Parent-Child Interactions“ (S. 36).

Keine Erwähnung des Begriffs konnte in den späteren Standardwerken[1] von Suzanne Schmidt, Lenny Maietta und Frank Hatch bzw. von Hatch/Maietta gefunden werden.

Vergleiche auch

Einzelnachweise

  1. Hatch, Frank; Maietta, Lenny; Schmidt, Suzanne (1996): Kinästhetik. Interaktion durch Berührung und Bewegung in der Pflege. Übersetzung: Ina Citron. 4. Auflage. Eschborn: Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe. ISBN 3-927944-02-5.
    Hatch, Frank; Maietta, Lenny (2003): Kinästhetik. Gesundheitsentwicklung und menschliche Aktivitäten. Übersetzung: Ute Villwock, Elisabeth Brock. 2., komplett überarbeitete Auflage. München, Jena: Urban und Fischer. ISBN 978-3-437-31467-4.
    Maietta, Lenny; Hatch, Frank (2011): Kinaesthetics Infant Handling. Originalmanuskript aus dem Amerikanischen von Ute Villwock. 2., durchgesehene und aktualisierte Auflage. Bern [u. a.]: H. Huber. ISBN 3-456-83310-5.