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Version vom 7. August 2025, 08:32 Uhr
| Status | vorläufig abgeschlossen |
| AutorIn/RedakteurIn | Stefan Marty-Teuber/Redaktionsteam |
| Letzte Änderung | 07.08.2025 |
| Testseite für Redaktionsteam |
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Humanistische Psychologie und Kinästhetik (Belegstellen)
| Status | mit Fachliteratur angelegt |
| AutorIn/RedakteurIn | N. N./Stefan Marty-Teuber |
| Letzte Änderung | 07.08.2025 |
Humanistische Psychologie im 16. Bulletin von 1990
In dieser ersten zusammenhängenden Veröffentlichung zur Kinästhetik aus dem Jahr 1990 finden sich im ersten Kapitel „Hintergrund der Kinästhetik (Entstehung, Begründer, Weitere Einflüsse)“[1] nach dem ersten Unterkapitel „Entstehung“ im zweiten Unterkapitel „Begründer“ Hinweise darauf, in welcher Weise die humanistische Psychologie einen Hintergrund der Kinästhetik bildet:
- „Begründer
- […]
- Lenny Maietta kommt von der humanistischen Psychologie her und hat sich als körperorientierte Psychotherapeutin ausbilden lassen. Sie arbeitete mit Einzelpersonen und Familien mit körperlich behinderten, autistischen, psychotischen oder sonst behinderten Kindern und Jugendlichen. Sie spezialisierte sich darauf, anhand von Berührungs- und Bewegungsmethoden die Beziehungen innerhalb der Familien zu unterstützen und die physischen Fähigkeiten der Kinder sowie ihre Lernkapazität und ihr soziales Verhalten zu fördern.
- […]
- Frank und Lenny lernten sich 1975 bei der Arbeit in einer Klinik für Drogenentzug im Allgäu, BRD, kennen. Sie hatten damals schon beide ihre eigene Arbeit mit der menschlichen Bewegung entwickelt, bei der Berührung das wichtigste Kommunikationsmittel ist, und wandten sie bei sehr verschiedenen Klienten an. Sie entdeckten, dass ihre Ausbildung und ihr beruflicher Werdegang als Lehrer und Therapeuten ähnlichen Ursprungs waren und sich ergänzten. Ihre Bewegungslehrer kamen aus der Richtung des Modern Dance von Amerika und Europa aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. In jenem neuen Umgang mit der menschlichen Bewegung liegen die Wurzeln der erfahrungsbezogenen Ausrichtung in der modernen Erziehung und Psychologie. Die Ideen der humanistischen Psychologie mit der Betonung der Ganzheit des Menschen waren die Grundlage von Franks und Lennys beruflicher Tätigkeit. Dabei setzten sie Berührung und Bewegung als wichtigste Mittel ein, um eine Verbesserung der Handlungsweisen, des Lernens und der Kommunikation von Menschen zu erreichen.“[2]
Humanistische Psychologie in „Kinästhetik – Interaktion durch Berührung und Bewegung in der Pflege“
Im Jahr 1992 erschien das erste öffentliche Fachbuch „Kinästhetik – Interaktion durch Berührung und Bewegung in der Krankenpflege“ im Verlag Krankenpflege, Eschborn. In diesem ca. 190-seitigen Werk mit einem Vorwort von Sr. Liliane Juchli beschränken sich die AutorInnen Frank Hatch, Lenny Maietta und Suzanne Schmidt auf den Anwendungsbereich der Pflege. In der vierten Auflage von 1996[3] wurde der Untertitel von „in der Krankenpflege“ zu „in der Pflege“ geändert. In diesem Buch erscheinen die „Prinzipien“, d. h., die heutigen Konzepte, bereits in der aktuellen Reihenfolge.
Das folgende Zitat stammt aus dem Unterkapitel „Was ist Kinästhetik?“[4] des ersten Kapitels. Einleitend wird der Begriff Kinästhetik erläutert und auf die Gebiete, die die Entwicklung der Kinästhetik beeinflusst haben. In kurzen Ausführungen werden die Verhaltenskybernetik, die humanistische Psychologie und der moderne Tanz erläutert.
- „Humanistische Psychologie
- Die humanistische Psychologie hat die Kinästhetik ebenfalls stark beeinflußt. Die Betrachtung des Menschen in seiner Ganzheit [im Original kursiv] und die Beachtung seiner Fähigkeit zur Selbstbestimmung [im Original kursiv] sind die Ausgangspunkte jeder Handlung. Für die pflegerische Praxis bedeutet dies, daß jede beteiligte Person, die Pflegende ebenso wie die Patientin, die Beachtung dieser Selbstkontrolle erfährt. Das schließt aus, daß andere Menschen nur als Objekte, ohne Einbeziehung ihrer Fähigkeiten und ohne wechselseitige Zustimmung, manipuliert oder behandelt werden.“
Quelle: Hatch, Frank; Maietta, Lenny; Schmidt, Suzanne (1996): Kinästhetik. Interaktion durch Berührung und Bewegung in der Pflege. Übersetzung: Ina Citron. 4. Auflage. Eschborn: Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe. ISBN 3-927944-02-5. S. 20.
Humanistische Psychologie
| Status | vorläufig abgeschlossen |
| AutorIn/RedakteurIn | Andreas Borrmann/Stefan Marty-Teuber |
| Letzte Änderung | 07.08.2025 |
Entstehung und Bezüge
Die humanistische Psychologie formierte sich in den Amerika gegen Ende der 1950er-Jahre und Anfang der 1960er-Jahre. Dies vollzog sich hauptsächlich im Zusammenhang mit der Gründung der Association for Humanistic Psychology (AHP) durch Carl Rogers, Virginia Satir und Abraham Maslow. Die humanistische Psychologie sah sich einerseits als Gegenpol zum damals in den USA dominanten Behaviorismus, aber auch zu etablierten Grundannahmen der Psychoanalyse. Dies hat ihr die Bezeichnung „Dritte Kraft“ neben Behaviorismus und Psychoanalyse eingetragen. Nach Matson (1971, S. 44) bezieht sich die humanistische Psychologie auf drei verschiedene Denkrichtungen, die er als konzeptionelle Revolutionen bezeichnet, nämlich auf den Behaviorismus, die Psychoanalyse und den Humanismus.[5]
Neben dem namensgebenden Bezug zum Humanismus hat die humanistische Psychologie nach übereinstimmender Meinung viele weitere Bezüge, so insbesondere zum Existentialismus, zur Phänomenologie Edmund Husserls (1859–1938) oder zum Ansatz der funktionellen Autonomie des amerikanischen Psychologen Gordon Allport (1897–1967). Im Ganzen werden unterschiedliche ältere und jüngere Ansätze zur humanistischen Psychologie gerechnet, wobei hier keine Einigkeit herrscht.
Im Kern stellt sie einen Bezug zwischen dem gesellschaftlichen Zustand und der Möglichkeit her, sich selbst zu verwirklichen, , indem die Selbsterkenntnis mithilfe der Unterstützung von PsychologInnen mit Methoden und Theorien ermöglicht wird.[6]
Die Problematik der Zuordnung unterschiedlicher Schulen
Nach Hutterer wurde die humanistische Psychologie als offenes und doch deutlich charakterisierbares System beschrieben. Obwohl er es für charakterisierbar und die programmatische Orientierung für beschreibbar hält, gibt es dennoch Unschärfen, Mehrdeutigkeiten und Verwirrungen.
- „So verbergen sich hinter dem Etikett ,Humanistische Psychologie‘ manchmal auch jene Vorstellungen, die sich nicht eindeutig bereits bekannten und identifizierbaren psychologischen Schulen zuordnen lassen. So wurden etwa im Zuge des Psychobooms und der ,Human potential‘-Bewegung manche meditativen und körperorientierten Techniken unreflektiert adaptiert und als fixer Teil humanistischer Verfahren präsentiert. Die Verfasser von Übersichtswerken zur Psychotherapie tun sich nach wie vor schwer bei der Frage, welche psychotherapeutischen Richtungen zum humanistischen Ansatz zu zählen sind.“[7]
Aus seiner Sicht herrscht Übereinstimmung bei der Personenzentrierte Psychotherapie nach Rogers und der Gestalttherapie nach Perls. Diese Übereinstimmung fehle jedoch in Bezug auf das Psychodrama von Moreno und die Logotherapie nach Fankl. Gelegentlich zu den humanistischen Verfahren würden die Transaktionsanalyse nach Berne und die Bioenergetik nach Lowen gezählt.[8]
Einflussreiche VertreterInnen und deren Theorien
Einleitung
Wie erwähnt herrscht keine Einigkeit darüber, welche Personen und welche psychologischen Theorien bzw. psychotherapeutischen Ansätze zur humanistischen Psychologie gezählt werden können. Dennoch folgt hier eine Auswahl von VertreterInnen, die in diesem Zusammenhang gängig erwähnt werden.
Carl Rogers (1902–1987)
Abraham Maslow (1908–1970)
Virginia Satir
Fritz Perls (1893–1970)
Anne-Marie (1925–1983) und Reinhard (1921–2013) Tausch
Ruth Cohn (1912–2010)
Viktor Frankl (1905–1997)
Grundlegende Konzepte
Das Programm der American Association for Humanistic Psychology
Zu Beginn der 1960er-Jahre gründeten Carl Rogers, Virginia Satir und Abraham Maslow die „American Association for Humanistic Psychology“. Dabei wurden die folgenden programmatischen Aussagen veröffentlicht:
- „Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die erlebende Person selbst. Damit rückt das Erleben als primäres Phänomen beim Studium des Menschen in den Mittelpunkt. Sowohl theoretische Erklärungen wie auch sichtbares Verhalten werden im Hinblick auf das Erleben selbst und auf seine Bedeutung für den Menschen als zweitrangig betrachtet.
- Der Akzent liegt auf spezifisch menschlichen Eigenschaften, wie der Fähigkeit zu wählen, der Kreativität, Wertsetzung und Selbstverwirklichung, im Gegensatz zu einer mechanistischen und reduktionistischen Auffassung des Menschen. : Die Auswahl der Fragestellungen und Forschungsmethoden erfolgt nach Maßgabe der Sinnhaftigkeit, im Gegensatz zur Betonung der Objektivität auf Kosten des Sinns.
- Ein zentrales Anliegen ist die Aufrechterhaltung von Wert und Würde des Menschen. Das Interesse gilt der Entwicklung der jedem Menschen innerwohnenden Kräfte und Fähigkeiten. In dieser Sicht nimmt der Mensch in der Entdeckung seines Selbst, in seiner Beziehung zu anderen Menschen und zu sozialen Gruppen eine zentrale Stellung ein.“ [9]
Bemerkenswert ist, dass diese Aussagen allgemein und offen gehalten sind. Somit ist es nicht verwunderlich, dass aus der psychologiegeschichtlichen Perspektive unterschiedliche psychologische Schulen und Therapien unter die humanistische Psychologie subsumiert werden.
Das Menschenbild der humanistischen Psychologie
Nach Hutterer kommen wesentliche Aspekte des Menschenbildes in den vier Grundtendenzen des Lebens zum Ausdruck, die Bühler und Allen in ihrer „Einführung in die Humanistische Psychologie“ aus dem Jahr 1973 (vgl. Fußnote xy) formuliert haben:
- „1. die Tendenz, persönliche Befriedigung in Sexualität, Liebe und Anerkennung des Ichs zu suchen;
- 2. die Tendenz zur selbstbeschränkenden Anpassung um der Zugehörigkeit und Sicherheit willen;
- 3. die Tendenz zur schöpferischen Expansion;
- 4. die Tendenz zur Integration und Aufrechterhaltung der inneren Ordnung.
- Die Dynamik der Motivation, das Streben nach Selbstverwirklichung und Erfüllung bzw. auch der Ablauf von Entscheidungen, ergibt sich aus den Wechselwirkungen dieser vier Grundtendenzen.“[10]
Gemäß Hutterer ist aus inhaltlicher Perspektive bemerkenswert, dass hier einerseits motivationale Vorgänge und Kräfte, andererseits spezifische Bedingungen des menschlichen Lebens hervorgehoben werden, um ein neues Menschenbild vorzustellen.
Aus der Perspektive der Kinästhetik sind die Annahmen interessant, die Hutterer im Sinn von anthropologischen Voraussetzungen des Ansatzes von Carl Rogers bzw. der Personenzentrierten Psychotherapie formuliert:
- „Der Mensch steht in einem andauernden Prozeß der Veränderung und besitzt die Fähigkeit, sich in Richtung größerer Reife und psychischer Funktionsfähigkeit zu entwickeln (Selbstverwirklichungstendenz). Er ist fähig, selbst die Verantwortung für seine Ideen, Gefühle und Handlungen zu übernehmen (Selbstverantwortung), sich von ,innen‘, von seiner ,organismischen‘ Basis her zu steuern und seine im Leben auftretenden Probleme unter günstigen Bedingungen selbst zu lösen (Selbstregulierung).“[11]
Rogers selbst beschreibt als ein wesentliches Kennzeichen der klientenzentrierten Psychotherapie das folgende :
- „Dem Menschen sei – wie im Grunde jedem Organismus – eine Tendenz zu eigen, die ihm innewohnenden Möglichkeiten zu entfalten, und zwar geschehe dies unter günstigen Umständen auf eine konstruktive, sozial verbindende Weise. Die Annahme einer solchen ,aktualisierenden Tendenz‘ des Organismus, die auf fortschreitende Differenzierung und Integration körperlicher und psychischer Funktionen gerichtet ist, steht im Widerspruch zu der bei Freud und bei Lerntheoretikern vertretenen Auffassung, daß Leben letztlich durch Mangel motiviert und vom Streben nach Spannungsausgleich (Homöostase, Entropie) bestimmt sei.“[12]
Ganzheitlichkeit
James Bugental (1915–2008) formulierte als erster Präsident der Association for Humanistic Psychology eine Reihe von Merkmalen, die die grundsätzliche ideelle Orientierung der humanistischen Psychologie charakterisieren. Hutterer umschreibt das erste Merkmal folgendermaßen:
- „Das menschliche Wesen ist mehr als die Summe seiner Teile. Diese Formulierung stammt aus der Gestaltpsychologie. Es bedeutet, daß trotz der Wichtigkeit der Kenntnisse seiner Einzelfunktionen die Einzigartigkeit des Menschen als Ganzheit und Organismus Vorrang hat.“[13]
Im Rahmen seiner Erläuterungen zum europäischen Kontext der humanistischen Psychologie führt er dazu aus:
- „Die Gestaltpsychologie vertritt den Ganzheits- und Strukturgedanken. Der Strukturbegriff war ursprünglich stark von der Biologie beeinflusst. Man verstand darunter ein aus Teilen zusammengesetztes Ganzes, wobei jeder Teil erfüllt eine spezifische Funktion erfüllt, die jedoch nur vom Ganzen her verständlich ist. Eine Untersuchung von Teilen und Einzelfunktionen muß daher immer vor dem Hintergrund des Ganzen und unter Berücksichtigung des Gesamtrahmens erfolgen. Der Ganzheitsgedanke ist eine Perspektive, die versucht, die besondere Struktur komplexer Einheiten oder System adäquat zu erfassen. Ganzheiten wirken als Einheit, als Zusammenhalt, wobei im Unterschied zu additiven Aggregaten die Beiträge der Einzelelemente und Einzelfunktionen nicht bloß summiert werden können, sondern wegen der vorhandenen Wechselwirkungen der Elemente und Funktionen eine qualitativ andere Wirkung oder Dynamik zeigen.“[14]
Im Rahmen seiner Ausführungen zum philosophisch-anthropologischen Kontext verdeutlicht Hutterer das Merkmal der Ganzheit in Anlehnung an Ulrich Völker:
- „Mit diesem Merkmal wird ein Gegenpol zur analytisch-zergliederten bzw. atomistischen Betrachtung aufgestellt. Den Menschen als Ganzheit im Blick zu behalten, bedeutet dabei, seine verschiedenen Seiten, Aspekte, Ebenen und Prozesse gleichzeitig als Bestandteile einer Einheit und in ihrer Wechselwirkung zu untersuchen.“[15]
Weitere grundlegende Konzepte
Im Folgenden werden weitere Konzepte der humanistischen Psychologie stichwortartig aufgelistet, und zwar in Anlehnung an die Darstellung der erwähnten Formulierungen von James Bugental durch Hutterer[16]:
- Der Mensch ist ein soziales Wesen (Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen, von Empathie und Mitgefühl).
- Der Mensch kann bewusst erleben (Erlebniszentrierung, Selbstbesinnung als Voraussetzung des Verständnisses von Erfahrungen).
- Der Mensch besitzt die Freiheit der Wahl und der Entscheidung (Selbstbestimmung/Autonomie, Selbstverantwortung, Selbstverwirklichung, Kreativität).
- Der Mensch richtet sein Leben auf Ziele und Werte aus (Intentionalität, Wertsetzung, Würde).
- „Ausgangspunkt und Grundlage jeglichen Wissens sind die unmittelbare Erfahrung und das unmittelbare Erleben.“[17] (Einzigartigkeit jedes Menschen, Relativität der Erkenntnis, Skepsis gegenüber einem Objektivitätsideal)
Angesichts der Heterogenität der humanistischen Psychologie ist es nicht verwunderlich, dass diese Konzepte in den unterschiedlichen Schulen und therapeutischen Ansätzen unterschiedlich gewichtet, vertreten oder auch durch weitere Konzepte ergänzt werden.
Bezüge zur Kinästhetik
Einleitung
Dass die humanistische Psychologie eine wesentliche Grundlage der Kinästhetik ist, ergibt sich nur schon aus der Tatsache, dass Lenny Maietta, eine der BegründerInnen der Kinästhetik, in ihrer Ausbildung von der humanistischen Psychologie geprägt wurde und sie in die Kinästhetik einbrachte. Entsprechend wird sie insbesondere in den Anfängen des Fachgebiets als wichtige Grundlage bezeichnet (vgl. oben).
Auf der grundsätzlichen, konzeptuellen Ebene lassen sich leicht Bezüge und Gemeinsamkeiten der beiden Fachgebiete feststellen. Die Heterogenität der humanistischen Psychologie bedingt aber, dass sich bei näherer Betrachtung wohl zeigen würde, dass auch hier Unterschiede des genauen Verständnisses bestehen. In diesem Sinn sind die folgenden Ausführungen zu verstehen.
Ausgewählte Bezüge
Ganzheit
Dieses Stichwort wird bereits im 16. Kinästhetik-Bulletin von 1990 erwähnt (vgl. oben). Es ergibt sich u. a. aus dem kybernetischen Verständnis des Menschen als eines Wesens, das sich durch das zirkuläre Zusammenspiel seines motorischen und sensorischen Systems und seines Nervensystems selbst reguliert. Nach diesem Verständnis lebt und „funktioniert“ der Mensch immer als Ganzheit.
Subjektives, bewusstes Erleben und Erfahren
In der Kinästhetik spielen die bewussten Bewegungserfahrungen mit Blickwinkeln eine zentrale Rolle. Sie werden in aller Regel mit Reflexionen bzw. Selbstevaluationen verbunden. In diesem Zusammenhang kann das Wortspiel angeführt werden, dass Kinästhetik eine Erfahrungswissenschaft sei, die Wissen durch Erfahrung schafft. Ebenso kann auf erkenntnistheoretische Grundlagen der Kinästhetik verwiesen werden, die mit argumentierter Skepsis gegenüber einem Objektivitätsideal von Gregory Bateson über Heinz von Foerster bis hin zu Maturana und Varela reichen.
Der Mensch als soziales Wesen
Seit jeher wird in der Kinästhetik z. B. mit dem Stichwort „Social Tracking“ die Bedeutung der zwischenmenschlichen Interaktionen für sein Leben und seine Entwicklung betont. Entsprechend spielen in Bildungsangeboten der Kinästhetik die gemeinsame Bewegungserfahrung, das gemeinsame Lernen und Reflektieren eine wichtige Rolle.
Freiheit der Wahl und Entscheidung
Aus kybernetisch-kinästhetischer Sicht wird der Mensch als ein komplexes zirkuläres System betrachtet, das in jedem Moment die Möglichkeit hat, sein Leben und Verhalten selbstbestimmt und autonom so oder anders fortzusetzen. Nach Heinz von Foerster gilt es, hierfür die persönliche Verantwortung zu übernehmen und diese Möglichkeit so zu nutzen, dass mehr Möglichkeiten entstehen. Diese Wahlfreiheit ist in der Kinästhetik zugleich eine Grundlage für das Verständnis der lebenslangen Entwicklung der Bewegungskompetenz – um es mit den Worten von Carl Rogers auszudrücken (vgl. oben) – im Sinn einer fortlaufenden Differenzierung und Integration der eigenen Bewegungsmöglichkeiten oder eines kreativen Umgangs mit ihnen, wie auch immer sich die Bedingungen des eigenen Lebens ändern.
Ausrichtung auf Ziele und Werte
Seit langer Zeit findet sich in den Arbeitsunterlagen der Kurse und Ausbildungen der Kinästhetik auf den ersten Seiten ein Motto. Es heißt in seiner aktuellen Form:
- „Kinaesthetics beabsichtigt einen respektvollen Umgang des Menschen mit sich selbst und mit anderen Menschen.“[18]
Diese Sichtweise respektiert die Einzigartigkeit und Würde des Einzelnen. In Unterstützungssituationen des Gesundheits- und Sozialbereichs respektiert die Kinästhetikfachperson die Individualität der KlientIn und versucht, die Bewegungsunterstützung optimal an deren subjektives Erleben anzupassen. In diesem Sinn wird in der Kinästhetik die Eigenbewegung der KlientIn oder – mit der Fachsprache der humanistischen Psychologie ausgedrückt – ihre Selbstaktualisierung oder -verwirklichung gefördert. Die Kinästhetik kann als personenzentrierter Ansatz verstanden werden, bei dem Gesundheitsförderung nicht nur von den Fähigkeiten und Kenntnissen, sondern auch von der Absicht und Haltung der Fachperson abhängt.
Weiterführende Literatur und Medien
Axel Enke; 04/2010, S. 37 ff. Axel Enke, 01/2017, S. 44 f. https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/humanistische-psychologie/6752
Vergleiche auch
Einzelnachweise
- ↑ Verein für Kinästhetik (Hg.) (1990): Kinästhetik. 16. Bulletin. Januar 1990. Sonderausgabe. Dritte Auflage. Zürich: Verein für Kinästhetik. Nachdruck 2009. S. 5 ff.
- ↑ ebd., S. 5 f.
- ↑ Hatch, Frank; Maietta, Lenny; Schmidt, Suzanne (1996): Kinästhetik. Interaktion durch Berührung und Bewegung in der Pflege. Übersetzung: Ina Citron. 4. Auflage. Eschborn: Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe. ISBN 3-927944-02-5.
1. Auflage: 1992 „Kinästhetik – Interaktion durch Berührung und Bewegung in der Krankenpflege“ - ↑ ebd., S. 19 ff.
- ↑ Matson, Floyd W. (1971): Humanistic theory: the third revolution in psychology. In: Greening, T. C. (Hg.): Existential humanistic psychology. Belmont (Calif.): Brooks/Cole. Nach Hutterer, Robert (1998): Das Paradigma der Humanistischen Psychologie. Entwicklung, Ideengeschichte und Produktivität. Wien, New York: Springer. ISBN 978-3-211-82944-8. S. 24
- ↑ Aphilia, PSYCHOLOGIE (2025): Humanistische Psychologie: Die „Dritte Kraft“. Kapitel „Der Mensch und seine Bedürfnisse. https://www.aphilia.de/psychologie-humanistische-01-drittekraft.html (Zugriff: 2025-06-02)
- ↑ Hutterer, Robert (1998): Das Paradigma der Humanistischen Psychologie. Entwicklung, Ideengeschichte und Produktivität. Wien, New York: Springer. ISBN 978-3-211-82944-8. S. 26 f.
- ↑ ebd.
- ↑ Hutterer, Robert (1998): Das Paradigma der Humanistischen Psychologie. Entwicklung, Ideengeschichte und Produktivität. Wien, New York: Springer. ISBN 978-3-211-82944-8. S. 18. Zitiert nach: Bühler, Charlotte; Allen, Melanie (1973): Einführung in die Humanistische Psychologie. Stuttgart: Klett. ISBN 978-3-129-01490-5. S. 7.
- ↑ ebd., S. 129.
- ↑ ebd.
- ↑ Rogers, Carl R. (1994): Therapeut und Klient. Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Fischer: Frankfurt am Main. ISBN 3-596-42250-7. S. 10.
- ↑ Hutterer, Robert (1998): Das Paradigma der Humanistischen Psychologie. Entwicklung, Ideengeschichte und Produktivität. Wien, New York: Springer. ISBN 978-3-211-82944-8. S. 19
- ↑ ebd., S. 75.
- ↑ ebd., S. 131.
- ↑ ebd., S. 19 f.
- ↑ ebd., S. 20.
- ↑ European Kinaesthetics Association (Hg.) (2025): Kinaesthetics. Konzeptsystem. Linz, Winterthur: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-00-0. S. 4
Humanistische Psychologie in der Zeitschrift „lebensqualität/LQ“
| Status | mit Fachliteratur angelegt |
| AutorIn/RedakteurIn | Axel Enke/Stefan Marty-Teuber |
| Letzte Änderung | 07.08.2025 |
Zusammenfassung:
Die folgenden Zitate bestehen aus zwei Artikeln von Axel Enke aus der Zeitschrift „lebensqualität/LQ“. Der erste Artikel aus der Rubrik „forschung“ der Zeitschrift „lebensqualität“ 04/2010 stellt die humanistische Psychologie und inhaltliche Zusammenhänge mit der Kinästhetik dar. Der zweite Artikel aus der Rubrik „forschung“ der Zeitschrift „lebensqualität“ 01/2017 widmet sich dem Kinaesthetics-Rahmenelement „Absicht“ und stellt im Rahmen des wissenschaftlichen Fundaments der Kinästhetik die humanistische Psychologie und ihre Zusammenhänge zum Rahmenelement dar.
LQ 04/2010: „Kinaesthetics und Humanistische Psychologie: Der Mensch will sich selbst verwirklichen“
- „Kinaesthetics und Humanistische Psychologie
- Der Mensch will sich selbst verwirklichen
- Immer wieder hört und liest man, dass die Humanistische Psychologie eine Grundlage von Kinaesthetics ist. Was das genau heißt und welche Annahmen sich hinter diesem Begriff verstecken, erklärt Axel Enke.
- Psychologie als Wissenschaft wurde im 19. Jahrhundert begründet. In der Folge entwickelten sich verschiedene Richtungen. Neben dem Behaviorismus (Studium des menschlichen Verhaltens unter Berücksichtigung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse) und der Tiefenpsychologie (Erforschung des Unbewussten) ist die Humanistische Psychologie eine dritte Strömung. Nach den Erfahrungen und Eindrücken des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges setzte auch unter PsychologInnen eine Suche nach humanistischen Konzepten ein. Dies führte 1962 zur Gründung der American Association for Humanistic Psychology (AHP), deren bekanntester Vertreter Abraham Maslow (1908–1970) war. Seine weltanschaulichen Wurzeln lagen im Humanismus (siehe Kasten, Seite 39).
Abraham Maslow
- Die Maslow-Pyramide. Als Ältestes von sieben Kindern russisch-jüdischer Immigranten hatte Abraham Maslow eine isolierte und unglückliche Kindheit. Sehr früh begann er, viel Zeit mit Literatur zu verbringen, und promovierte 1934 in Psychologie. Bekannt wurde er vor allem durch die Entwicklung seiner Bedürfnispyramide.
- Maslow entwickelte ein Menschenbild, welches von einer eher positiven inneren „Natur“ des Menschen ausgeht. Diese innere Natur, die er biologisch begründet mit der Geburt als Grundausstattung erhält, gilt es zu fördern und nicht zu unterdrücken. In Gesellschaften wird diese „innere Natur“ hingegen häufig unterdrückt und an der kreativen Entfaltung gehindert, was dann zu Störungen und Erkrankungen führen kann. Die Entfaltung des Menschen orientiert sich an unterschiedlichen Bedürfnissen, die aufeinander aufbauen. Maslow differenziert diese Bedürfnisse auch in Bezug auf ihre Auswirkungen. So hat zum Beispiel die Nichtbefriedigung tiefer liegender Bedürfnisse (wie Essen, Schlafen, Sicherheit) häufig negative Auswirkungen, wohingegen die Beschäftigung mit den höheren (Selbstverwirklichung) eher Glück, Zufriedenheit und Erfüllung bringen. Die tieferen hingegen entwickeln verständlicherweise eine starke Kraft.
- Keine einfachen Theorien. Da die Lebensumstände eines Menschen sehr vielseitig sind, wendet Maslow sich gegen zu vereinfachende Theorien. Er sprach sich daher für vielschichtigere Modelle aus:
- ‚Selbstverwirklichende Menschen, Menschen also, die einen hohen Grad der Reife, Gesundheit und Selbsterfüllung erreicht haben, können uns so viel lehren, dass sie manchmal fast wie eine andere Rasse menschlicher Wesen erscheinen. Doch weil sie so neu ist, ist die Erforschung der höchsten Bereiche der menschlichen Natur und ihrer äußersten Möglichkeiten und Hoffnungen eine schwierige und gewundene Aufgabe. Sie hat für mich eine ständige Zerstörung liebgewordener Axiome mit sich gebracht, die unentwegte Auseinandersetzung mit scheinbaren Paradoxa, Widersprüchen und Zweideutigkeiten, manchmal auch den Zusammenbruch lang etablierter, fest geglaubter und scheinbar unangreifbarer Gesetze der Psychologie. Oft stellte sich heraus, daß es keine Gesetze waren, sondern nur Regeln für das Leben in einem Zustand milder und chronischer Psychopathologie und Ängstlichkeit, im Zustand der Behinderung und Verkrüppelung und Unreife, den wir nicht bemerken, weil die meisten anderen dieselbe Krankheit haben wie wir‘ (Maslow 1973, S. 83 f.).
- Eine zentrale Bedeutung haben dabei die äußeren Lebensumstände (Umgebung), die es einem Menschen mehr oder weniger ermöglichen, sich mit Grenzsituationen konstruktiv zu beschäftigen. Die Auseinandersetzung aber mit eben diesen Grenzerfahrungen ermöglicht persönliche Reifung, Wachstum und Entwicklung des Menschen. Eigentlich wollte Maslow eine umfassende psychologische Theorie verfassen. Sein plötzlicher Tod 1970 durch einen Herzinfarkt vereitelte dieses Vorhaben.
Carl Rogers
- Flucht in die Welt der Bücher. Eine weitere bedeutsame Persönlichkeit für die Entwicklung der Humanistischen Psychologie war der Psychologe und Psychotherapeut Carl Ransom Rogers (1902–1987). Rogers wurde ebenfalls in einer kinderreichen Familie als viertes von sechs Kindern geboren. So wie Maslow wuchs auch er unter wenig glücklichen Umständen auf. Der Grund lag in der fundamentalistisch-religiösen Einstellung der Eltern. Einerseits kümmerten sie sich sehr um die Kinder, kontrollierten aber auch deren Entwicklung sehr stark. Eine strenge und kompromisslose religiös-ethische Grundhaltung prägte seine Kindheit. Auch er „flüchtete“ sich daraufhin in die Welt der Bücher und las frühzeitig sehr viel. Nach einem abgebrochenen Agrarstudium begann er ein Theologiestudium, das er 1922 nach einer sechsmonatigen Chinareise abbrach. Auf dieser Reise, wo er auch an einer internationalen christlichen Studentenkonferenz teilnahm, emanzipierte er sich von seinem Elternhaus. Diese Lebensphase beeinflusste ihn sehr und war nicht leicht für ihn, da es in der Folge schwere Auseinandersetzungen mit seiner Familie gab, der er sich nach wie vor verbunden fühlte.
- Arbeit mit Problemkindern. 1924 wechselte er in die Erziehungsberatung und studierte nebenher Psychologie in New York. In der Beratungsstelle arbeitete er mit unterprivilegierten ‚Problemkindern‘. In den folgenden 12 Jahren seiner Beratungstätigkeit entwickelte er einen eigenen Beratungsstil, der durch seine erste als Buch veröffentlichte Fallbeschreibung in der Fachwelt wahrgenommen wurde. Er selbst erkannte erst am 11. Dezember 1940 während eines eigenen Vortrages an der Universität Minnesota über seinen eigenen Ansatz, wie weit er sich mit seiner Theorie und Praxis schon von den vorherrschenden psychiatrischen und psychotherapeutischen Auffassungen entfernt hatte.
- Klientenzentrierter Ansatz. Einer seiner zentralen Ansätze war, ‚dass die KlientIn derjenige ist, der weiß, wo der Schuh drückt, welche Richtung einzuschlagen [ist], welche Probleme entscheidend, welche Erfahrungen tief begraben gewesen sind‘ (Rogers 1973, S. 23). In den folgenden 39 Jahren entwickelte er seinen klientenzentrierten Ansatz immer weiter und beschrieb ihn in seinem wichtigsten Werk ‚Die Entwicklung der Persönlichkeit‘. In seinen Büchern und Aufsätzen übertrug er die personenzentrierten Prinzipien auf andere Gebiete wie Bildung, Partnerschaft, Familie, Großgruppen und interkulturelle Workshops. In Kalifornien gründete er das ‚Center for the Study of the Person’. In den weiteren Jahren engagierte er sich zunehmend in Friedensinitiativen und wurde Anfang 1987 für den Friedensnobelpreis nominiert. Kurz nach seinem 85. Geburtstag stürzte er jedoch so schwer, dass er sich von der anschließenden Operation nicht mehr erholte.
- Große Wirkung. Sein Werk und Wirken hatte viele Auswirkungen. So zählten zum Beispiel zu seinen Schülern Reinhard Tausch (Hamburg), Dr. Marshall B. Rosenberg, der später die gewaltfreie Kommunikation entwickelte, und Thomas Gordon (‚Familienkonferenz‘). Rogers Grundannahme seiner Persönlichkeitstheorie war, dass der Mensch nach Selbstverwirklichung und Selbstaktualisierung strebt und von Grund auf zunächst ‚gut‘ ist. Im Kindes- und Jugendalter kommt es zu prägenden Interaktionen mit der Umwelt, die beim Heranwachsenden zur Entwicklung eines Selbstkonzeptes führen. Dieses kann sowohl positiv als auch negativ geprägt sein. Ist das Idealbild vom Realbild zu weit entfernt (siehe Kasten, Seite 41), kann dies zu psychischen Störungen führen.
- Ein positives Weltbild. Der humanistische Ansatz Rogers wird eindrucksvoll deutlich in seiner Beschreibung, wie der Mensch ein positives Selbstbild entwickelt. Demnach gibt es sieben wesentliche Botschaften, welche die InteraktionspartnerInnen (Eltern) im Laufe der Erziehung vermitteln müssen, um die Entwicklung eines positiven (gesunden) Selbstkonzeptes zu begünstigen. Diese sind:
- 1. Ungeschuldete Liebe (bedingungslos, so wie das Kind ist)
- 2. Wertschätzung (partnerschaftlicher Umgang, Berücksichtigung der Bedürfnisbefriedigung, altersangemessene Beteiligung bei der Aufstellung von Regeln)
- 3. Echtheit und Interesse
- 4. Erfahrung von Autonomie durch Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes
- 5. Anregung und Unterstützung
- 6. Sicherheit, Geborgenheit und Zuverlässigkeit
- 7. Zulassen von positiven und negativen Gefühlen
- Diese Grundannahmen übertrug Rogers auf verschiedene Settings. 1957 leitete er in Wisconsin ein Forschungsprojekt mit schizophrenen PatientInnen, das seinen Ansatz wissenschaftlich bestätigte. Zusätzlich transportierte er diesen Ansatz in die Beratung und Pädagogik. Eine seiner Grundüberzeugungen bestand darin, dass Lernen in einer angstfreien Umgebung geschehen muss. Die Aufgabe der LehrerIn/DozentIn (etc.) ist es, als Mensch echt und glaubhaft (kongruent) andere Menschen zu unterstützen und ihnen so Lernen zu ermöglichen. Dabei glaubte er an die Selbststeuerung des Menschen. Rogers war auch ein Anhänger des ‚radikalen Konstruktivismus‘, der davon ausgeht, dass der Mensch erst in Kontakt mit anderen Menschen treten muss, um sich in einer sozialen Situation ein Abbild von dieser machen zu können. So entsteht das Selbstbild eines Menschen durch die Summe seiner subjektiven Wahrnehmungen der Umwelt und seiner damit verbundenen Erfahrungen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, in jeglichen Lernsituationen (Therapie, Beratung, Bildung) gewisse Grundhaltungen als TrainerIn, […] LehrerIn und Eltern zu erlernen. Der Einfachheit halber verwende ich im Folgenden nur den Begriff ‚TrainerIn‘:
- > Kongruenz/Echtheit: Dies bedeutet, dass der/ die TrainerIn selber kongruent und echt sich selber und der KlientIn gegenüber ist. Sie sollen ihre Gefühle diesem Gegenüber zeigen, ohne Wertungen abzugeben oder zu beurteilen. Sie soll sich nicht hinter der TrainerInnenrolle verstecken und die KlientInnen von oben herab betrachten. Nicht die TrainerIn zeigt der KlientIn den richtigen Weg, sondern beide sind gleichberechtigt und suchen zusammen nach Lösungen. Rogers spricht von Transparenz, wenn er sagt, dass das Erleben der TrainerIn mit ihrer Kommunikation mit der KlientIn übereinstimmen soll. Durch dieses Verhalten der TrainerIn erfährt die KlientIn Vertrauen und ist eher bereit, ihre Gefühle zu äußern.
- > Bedingungsfreie Wertschätzung: Dies bedeutet, dass die TrainerIn keinerlei Wertungen und Urteile über die KlientIn und deren Verhalten abgeben soll. Sie soll die KlientIn mit all ihren Fehlern und ohne Bedingungen wertschätzen. Rogers spricht auch von bedingungsfreier positiver Zuwendung. Dies meint aber nicht, dass die TrainerIn alles gutheißen soll, was die KlientIn tut oder sagt. Diese Einstellung lässt sich mit jener von Eltern gegenüber ihrem Kind vergleichen. Eltern lieben ihr Kind, auch wenn sie nicht mit jedem Verhalten einverstanden sind. Gerade in der Erziehung wird auch deutlich, welchen Schaden eine an Bedingungen gebundene Wertschätzung anrichten kann, wenn Eltern die Wertschätzung ihres Kindes von dessen Leistungen oder Wohlverhalten abhängig machen.
- > Empathie: Bei der Empathie geht es um die Einfühlung in die Erlebniswelt der KlientIn. Die TrainerIn versucht, sich voll und ganz auf die Gefühle der KlientIn einzulassen und diesen zu verstehen. Rogers spricht von „innerem Bezugssystem“ der KlientIn und meint damit dessen Gefühle, Gedanken und Erleben. Empathie ist wohl das schwerste der drei Merkmale, weil man weder oberflächlich Verstehen andeuten noch interpretieren und urteilen soll. Es geht einfach nur um den Versuch, die Gefühle der KlientIn nachzuvollziehen. Eine Voraussetzung für Empathie ist das aktive Zuhören, d. h. eine konzentrierte Aufmerksamkeit auf das wirklich Gemeinte und nicht nur das Gesagte. Die TrainerIn soll verstehen, was die KlientIn meint, soll aber nicht urteilen, interpretieren oder Rückschlüsse auf ein Verhalten ziehen. Merkt die KlientIn, dass sie verstanden wird, so wird sie sich mehr und mehr öffnen.
- In Kontakt mit sich sein. Ein wesentlicher Aspekt der Grundhaltung in der Humanistischen Psychologie ist das ‚In-Kontakt-mit-sich-Sein‘. Marshall B. Rosenberg schreibt in seinem Buch ‚Gewaltfreie Kommunikation‘:
- ‚Wir werden eher dazu trainiert, „außenorientiert“ zu leben, als mit uns selbst in Kontakt zu sein‘ (Rosenberg, S. 57).
- Diese Außenorientierung behindert, so Rosenberg, die Menschen an einer achtsamen Kommunikation mit anderen Menschen. Aus diesem Grunde entwickelte er Prinzipien einer gewaltfreien Kommunikation. Wo finden sich nun Gemeinsamkeiten oder ‚geistige Bezüge‘ zwischen diesem humanistischen Ansatz und Kinaesthetics? Folgende Aufzählung mag einige ausgesuchte Aspekte benennen:
- > Beide Konzepte wollen auf ihre Weise konkret dazu beitragen, dass Menschen einen respektvollen Umgang miteinander gestalten.
- > Beide Konzepte glauben an die Fähigkeiten und Ressourcen einer Person, die es zu fördern gilt.
- > Bildung wird als ein zentrales Grundbedürfnis definiert, dessen konkrete Ausgestaltung (‚Lernumgebung gestalten‘) persönlichkeitsbildend wirkt.
- > Die Lernenden definieren selbst, was sie lernen und lernen am besten in einer angstfreien Umgebung.
- > Die Umgebung wird als wichtiger Aspekt gesehen, der sich auf Lernen und Entwicklung interaktiv auswirkt.
- > Beide Konzepte zeigen eine ‚Nähe‘ zum Konstruktivismus.
- > Beide Konzepte betonen die Bedeutung der Innenorientierung für persönliches Wachstum und Entwicklung.
- Diese Übereinstimmungen in der Grundhaltung ermutigten mich dazu, in einem ersten Versuch den Gesprächsansatz der Humanistischen Psychologie mit dem Kommunikationsverständnis der Kybernetik und Systemtheorie in der Stufe 1 der Beratungsausbildung ‚Beratungskompetenz (EKA)‘ miteinander zu kombinieren. Die Ergebnisse waren sehr ermutigend, und die TeilnehmerInnen beschrieben große Lernfortschritte. Ich bin davon überzeugt, dass an der Art und Weise, wie wir heute in Kinaesthetics-Basiskursen und -Ausbildungen die Lernumgebung gestalten, Maslow und Rogers ihre Freude hätten. Dazu schreibt Rogers: ‚Ein Kurs ist also nicht dann erfolgreich zu Ende gegangen, wenn der Schüler ‚alles gelernt hat, was er wissen muss‘, sondern wenn er eindeutige Fortschritte dabei erzielt hat, zu lernen, wie er lernt, was er wissen möchte‘ (Rogers 1974, S. 143). Genau das ist auch eines der großen Ziele von Kinaesthetics!
- Literatur:
- > Maslow, Abraham H.: Psychologie des Seins. Ein Entwurf. Kindler Verlag, München 1973.
- > Rogers, Carl: Entwicklung der Persönlichkeit. Stuttgart 1973.
- > Rogers, Carl: In Freiheit und Engagement. Kösel-Verlag, München 1974.
- > Rosenberg, Marshall B.: Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens. Junfermann Verlag, 2005. S. 57.“
Quelle: Enke, Axel (2010): Kinaesthetics und Humanistische Psychologie: Der Mensch will sich selbst verwirklichen. In: lebensqualität. Die Zeitschrift für Kinaesthetics. 2010, Nr. 4. S. 37–41.
LQ 01/2017: „Gedanken zum Kinaesthetics-Rahmenelement „Absicht“: Mehr als die Summe der Teile“
- „Gedanken zum Kinaesthetics-Rahmenelement ‚Absicht‘
- Mehr als die Summe der Teile
- Autor: Axel Enke
- […]
- Die humanistische Psychologie. Die humanistische Psychologie ist eine Anschauung, die von vielen als Utopie bezeichnet wird. Was aber spricht dagegen, sein Handeln an einer Utopie auszurichten? Die Begründer der humanistischen Psychologie sehen sich selbst nicht als eine feste Gruppe. Erst 2010 bildeten sich erste Dachgesellschaften. Daher wurde dieser Bildungs- und Therapieansatz von einer Reihe unterschiedlicher Personen in verschiedenen Ländern begründet und geprägt. Hier sollen nur einige wichtige und bekannte Personen genannt werden: Otto Rank, Fritz Perls, Ruth Cohn, Carl Rogers, Charlotte Bühler, Abraham Maslow und das Ehepaar Tausch. Sie alle vereinen gemeinsame ‚Glaubenssätze‘, die ich im Folgenden kurz nennen und erläutern werde.
- 1. Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Teile; der Mensch ist keine Maschine, deren Teile einfach nur miteinander funktionieren. Vielmehr ist er auch ein denkendes, fühlendes und emotionales Wesen, das in sich durchaus widersprüchliche Motivationen beherbergt. Grundsätzlich geht die humanistische Psychologie aber davon aus, dass der Mensch von Geburt an zum Guten strebt und kein ‚böses Gen‘ in sich trägt.
- 2. Menschliches Leben geschieht immer in einem Kontext. Da die humanistische Psychologie davon ausgeht, dass der Mensch immer lernt und sich entwickelt, bekommt eben dieser Kontext als Lern- und Gestaltungsraum eine wichtige Rolle. So werden Menschen nicht böse geboren, sondern Erfahrungen führen dazu, dass sie lernen, sich ‚böse‘ zu verhalten.
- 3. Menschen sind sich ihrer selbst bewusst. Dadurch dass sie sich ihrer selbst bewusst werden, entsteht die Grundlage zur Reflexion. Reflexion wiederum ist eine Grundlage für Lernen und persönliche Reifung.
- 4. Menschen haben eine Wahl. Diese Prämisse macht deutlich, dass sich Menschen stets entscheiden und dies auch bewusst lenken können. Damit ist auch gesagt, dass verschiedene Wahlmöglichkeiten durchdacht werden können. Im Menschenbild der humanistischen Psychologie ist das Kreieren von mehr Wahlmöglichkeiten ein wichtiger Aspekt.
- 5. Menschen leben intentional. Das meint, dass sie sich auf Ziele und Werte ausrichten. Diese sind Grundlage ihrer Identität, was sie von anderen Lebewesen unterscheidet.
- Detailprinzipien der humanistischen Psychologie. Darüber hinaus formulierten die oben genannten Personen weitere Detailprinzipien, von denen ich hier nur einige ausführen möchte. Fritz Perls stellte das ‚Im-Hier-und-Jetzt-Sein‘ in den Vordergrund. Dabei bekommt die unmittelbare Begegnung in diesem Moment eine zentrale Bedeutung. Um sich wirklich auf das Gegenüber in einer Begegnung konzentrieren zu können, muss man sich genau auf diesen Moment der Begegnung einlassen. Ebenso wichtig war ihm die ‚Bewusstheit‘. Damit meint Perls einen Zustand schwebender, latenter Aufmerksamkeit, die auch einen Kontakt mit sich selbst während einer Interaktion ermöglicht. In Anlehnung an Martin Buber hält er auch die Begegnung mit einem anderen Menschen für eine wichtige Lern- und Entwicklungschance. Diesen Aspekt hat auch Carl Rogers besonders betont. Rogers entwickelte diesen Ansatz in der Zusammenarbeit mit sogenannten schwer erziehbaren Jugendlichen, also im Kontakt mit einer nicht ganz umgänglichen KlientInnen-Gruppe. Rogers ging es aber vor allem um ‚hilfreiche Begegnungen zwischen Menschen schlechthin‘ und er stellte dabei fest, dass es sehr hilfreich und vertrauensfördernd war, wenn er seinem Gegenüber im Sinne von ‚was fühle und empfinde ich‘ transparent entgegentrat. Das formulierte Ziel der dauerhaften Selbstverwirklichung ‚erfordert ein lebenslanges Kämpfen und Bewältigen von Schwierigkeiten und eine Integration der verschiedenen Ziele und Strebungen‘ (Quitmann 1991, S. 207). Dieses Streben führt zu Spannungen, die auch durchaus als lustvoll erlebt werden können. So gehören Bedürfnisbefriedigungen auf verschiedenen Ebenen ebenso dazu wie lustvolle Lernprozesse oder Auseinandersetzungen. Desgleichen wird die Tendenz zur Integration und Aufrechterhaltung der inneren Ordnung postuliert. So lernt jeder nur das, was er gerade in diesem Moment lernen kann, gleichwohl abhängig vom Kontext und den eigenen Intentionen.
- […]
- Literatur:
- > Quitmann, H. (1991): Humanistische Psychologie. Zentrale Konzepte und philosophischer Hintergrund. 2. Auflage. Hogrefe, Göttingen. ISBN: 3-8017-0234-0“
Quelle: Enke, Axel (2017): Gedanken zum Kinaesthetics-Rahmenelement „Absicht“: Mehr als die Summe der Teile. In: LQ. kinaesthetics – zirkuläres denken – lebensqualität. 2017, Nr. 1. S. 44–47.
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| Schon gewusst? Norbert Wiener telefoniert ein Buch (erzählt von HvF) Eines Tages ruft das Office of Naval Research am M.I.T. an und verlangt nach Norbert Wiener. Ob er sich mit mathematischer Extrapolation und stochastischen Prozessen auskenne. „‚Ja‘, sagt der Wiener, ‚auf dem Gebiet hab ich schon gearbeitet. Die Prozesse, mit denen man da zu tun hat, lassen sich in die folgenden Kategorien einteilen …‘“ Er beginnt zu reden, und nach fünf Minuten fragt der Mann vom Office, ob sie einen Taperecorder organisieren dürfen. Wiener ist einverstanden. Fünf Minuten später läutet das Telefon erneut. „‚Lieber Professor Wiener, der Taperecorder geht jetzt – klick – okay!‘ ‚Ich werde also jetzt etwas über Interpolation, Extrapolation und stationäre Zeitfolgen sagen. Ich beginne mit einem Kapitel Nr. 1 und erkläre Begriffe, um die notwendige Grundlage zu schaffen.‘ Er beginnt zu reden. Er redet und redet und redet.‘ Sechs Stunden und zehn Tapes später haben die Leute vom Office gebeten, dies als Buch veröffentlichen zu dürfen. „‚Selbstverständlich, da habe ich nichts dagegen. Danke vielmals, auf Wiedersehen.‘ Klick. Das Buch ist erschienen, ein Jahr später: ‚Interpolation, extrapolation of stationary time series‘. […] Es sind 200 Seiten, mit allen mathematischen Formeln, mit der ganzen modernen Theorie der stochastischen Prozesse, wie man Voraussagen interpolieren und extrapolieren kann und wie man mit stationären Zeitsequenzen operiert. Das war Norbert Wiener.“ (Foerster, H. v.; Glasersfeld, E. v. (2010): Wie wir uns erfinden. Carl-Auer-Systeme Verlag. S. 231 f.) |
Bedeutende Personen Humberto Augusto Gastón Maturana Romesín Humberto Maturana (Romesín), (* 14. September 1928, † 6. Mai 2021 in Santiago de Chile) war Biologe und Philosoph. Sein Schwerpunkt lag in der Neurobiologie. Er studierte Medizin, Biologie/Anatomie in Chile, London und in den USA. Mit einem Postdoc-Stipendium forschte er am Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) über das Auge und insbesondere den blinden Fleck, was ihn zu erkenntnistheoretischen Fragen brachte. An der Universidad de Chile lehrte er Biologie an der medizinischen Fakultät und spezialisierte sich dort u. a. auf die Frage, auf welchen Grundlagen lebende und nicht-lebender Systeme unterschieden werden können. In enger Zusammenarbeit schufen Maturana und Francisco J. Varela die wissenschaftliche Theorie der Autopoiese (Autopoiesis). In ihrem Buch „Der Baum der Erkenntnis” beschreiben die beiden dieses Konzept und z. B. die Geschlossenheit von Lebewesen in Bezug auf Operation und Information. Autopoiese als die zentrale Eigenschaft von Lebewesen bedeutet, dass jedes Lebewesen sich fortlaufend einzig und allein aus sich selbst heraus erschafft, von der molekularen und zellulären Ebene bis hin zu derjenigen des ganzen Organismus. Maturana und Varela weiten diesen Theoriekern zu einer systemisch-biologischen Erkenntnistheorie aus. Sie lässt sich in der Aussage „Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun“ zusammenfassen. Maturanas Interesse an interdisziplinärem Denken zeigt sich auch darin, dass er in Santiago de Chile das Instituto Matríztica („Matrix-Institut“) gründete. In einer engen Verflechtung kultureller und biologischer Perspektiven kann man sich dort bis heute mit der Biologie der Erkenntnis, der Liebe oder dem Weg zu einer Gesellschaft mit Gleichberechtigung und Inklusion auseinandersetzen. |
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