Pädagogisch-didaktische Grundprinzipien der Kinästhetik: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 8. November 2025, 16:07 Uhr

Pädagogisch-didaktische Grundprinzipien in Wikisyntax


Status mit Fachliteratur angelegt
AutorIn/RedakteurIn Stefan Marty Teuber/Andreas Borrmann
Letzte Änderung 08.11.2025


Zusammenfassung:
Der Text beschreibt die pädagogisch-didaktischen Grundprinzipien der Kinästhetik als Leitlinie für Lernprozesse in Bildungsangeboten der European Kinaesthetics Association. Im Mittelpunkt steht das Lernen durch eigene Bewegungserfahrung, das als aktiver, konstruktiver und selbstgesteuerter Prozess verstanden wird. Lernen geschieht auf der Grundlage von Wahrnehmung, Interaktion und Reflexion und fördert die Entwicklung von Bewegungskompetenz, Selbstregulation und Achtsamkeit. Die Trainerin oder der Trainer gestaltet dabei eine förderliche Lernumgebung, die Eigenaktivität, individuelles Konstruieren, Selbststeuerung, soziale Interaktion und Reflexion ermöglicht. Ziel ist eine kompetenzorientierte, ressourcenstärkende Lernkultur, die auf persönlicher Erfahrung, kybernetischem Denken und respektvollem Miteinander aufbaut. Der Text ist ein Zitat aus dem Buch Pädagogisch-didaktische Grundprinzipien der Kinästhetik.


1 Einleitung

1.1 Was zeichnet Lernen in der Kinästhetik aus?

1.1.1 Kein Schulbuchwissen, sondern die eigene Bewegung wahrnehmen und verstehen

Die Teilnehmenden eines Kinaesthetics-Grundkurses sind oft erstaunt oder gar verunsichert darüber, wie und was in einem solchen Kurs gelernt wird. Aufgrund ihrer bisherigen Lernerfahrungen erwarten sie ein Schulbuchwissen, das die Regeln erklärt, wie man sich selbst oder andere Menschen richtig bewegt.
Im Kursgeschehen erfahren die Teilnehmenden, dass es nicht um ein äußeres Wissen, sondern um sie selbst geht. Im Zentrum steht die Frage, wie sie selbst ihre eigene Bewegung – etwas sehr Selbstverständliches – möglichst differenziert wahrnehmen und situationsgerecht einsetzen können. Ein Kernthema ist die Sensibilisierung der Bewegungswahrnehmung (Kinästhesie) und damit einhergehend die Entwicklung der persönlichen Bewegungskompetenz.
Die Kursteilnehmenden beginnen zu verstehen, dass sie in der Kinästhetik das kognitive Verständnis im Wechselspiel mit ihren persönlichen Erfahrungen entwickeln. Als zentrale Einsicht gehört dazu, dass man Menschen nicht wie Gegenstände bewegen, sondern nur in ihrer eigenen Bewegung unterstützen kann.

1.1.2 Persönliches, erfahrungsbasiertes und kompetenzorientiertes Lernen

Diese Art des Lernens unterscheidet sich grundlegend vom traditionellen schulischen Unterricht. Bei diesem geht es darum, sich allgemeingültiges, objektives Wissen anzueignen, Regeln, Axiome und Gesetze zu verstehen, um sie dann in konkreten Beispielen richtig anzuwenden.
In der Kinästhetik hingegen steht die subjektive Erfahrung im Mittelpunkt. Kursteilnehmende werden aufgefordert, in alltäglichen Aktivitäten mit definierten Blickwinkeln auf die eigene Bewegung zu achten. Ein wichtiges Ziel ist die Erweiterung der persönlichen Bewegungskompetenz. Damit gemeint ist das Potenzial, die eigene :Bewegung in unterschiedlichsten Situationen bewusst anpassen zu können. Kursteilnehmende lernen durch das konkrete Tun und die persönliche und gemeinsame Reflexion des eigenen Erlebens und Erfahrens. Vor diesem Hintergrund ist der :„Unterricht“ in der Kinästhetik in höchstem Maß kompetenzorientiert.
Er deckt sich darin mit den aktuellen Entwicklungen des europäischen Bildungswesens. In vielen Ländern hat sich in der Schul- und insbesondere in der Berufsbildung die Kompetenzorientierung des Unterrichts als grundsätzlicher Anspruch durchgesetzt.

1.1.3 Ein spezifisches, wohltuendes Training der Achtsamkeit

Lernen in der Kinästhetik zeichnet sich ebenso dadurch aus, dass die Achtsamkeit auf sich selbst und die Fokussierung auf die eigene Wahrnehmung und Bewegung eine positive Wirkung auf das individuelle Befinden hat. Kursteilnehmende können sich selbst differenzierter wahrnehmen und regulieren. Die konzentrierten subjektiven Bewegungserfahrungen tragen dazu bei, dass sich das individuelle Körperbewusstsein und Wohlbefinden erhöht. Ähnliche Wirkungen sind bei Praktiken oder Programmen, die mit einem Training der Achtsamkeit zu tun haben (z. B. Yoga, Mindfulness-Based Stress Reduction – MBSR), durch Studien nachgewiesen.
Oft drücken auch erfahrene Kinaesthetics-TrainerInnen in Aus-, Fort- oder Weiterbildungen von Kinaesthetics ihre Freude über die Gelegenheit aus, sich mit sich selbst zu beschäftigen, die Achtsamkeit auf sich selbst zu lenken, mit anderen Menschen in Bewegungsinteraktionen zu kommen, die eigenen Erfahrungen zu reflektieren und sich über diese mit anderen auszutauschen. Häufig heben sie in diesem Zusammenhang die allgemeine positive Wirkung eines solchen Bildungsangebots hervor.

1.1.4 Lernen auf kybernetischer Grundlage: Nicht voraussagbare zirkuläre Wirkungszusammenhänge

Die fokussierte Erfahrung der eigenen Bewegung und die Reflexion darüber führen unweigerlich zur Erkenntnis, dass diese zwar von Mustern und „Automatismen“ geprägt ist, aber in jedem Moment von Neuem erzeugt werden muss.
Eine weitere, oft herausfordernde Eigenart des Lernens in der Kinästhetik ist die Auseinandersetzung mit kybernetischem Denken. Es erweitert die traditionelle wissenschaftliche Weltanschauung, in der die Welt mit berechenbaren linear-kausalen Zusammenhängen von Ursache und Wirkung erklärt wird. Aus kybernetischer Sicht kommen zirkuläre Wirkungszusammenhänge hinzu, die nicht voraussagbar sind. Diese Perspektive lässt einen die menschliche Bewegung, zwischenmenschliche Interaktionen und viele Aspekte des Lebens als fortlaufende zirkuläre und individuelle Entwicklungsprozesse verstehen und gestalten.

1.1.5 Präventions- und ressourcenorientiertes Lernen für Gesundheits- und Sozialberufe

Viele Kursteilnehmende sind Personen, die einen beruflichen Auftrag gegenüber Menschen haben, die auf körperliche Unterstützung angewiesen sind. Ihnen bringt das Lernen in der Kinästhetik einen doppelten Gewinn. Einerseits ermöglicht ihnen die Erweiterung ihrer Bewegungskompetenz, sich bei der Arbeit körperlich nicht zu überlasten. Andererseits helfen die hohe Bewegungskompetenz und das Verständnis der menschlichen Bewegung, die betreffenden Menschen gezielt in der Entwicklung ihrer eigenen Bewegungskompetenz, Selbstständigkeit und Lebensqualität zu unterstützen.

1.2 Lernverständnis und Menschenbild

1.2.1 Perspektiven des Menschenbildes

Seit den Anfängen der Kinästhetik in den 1970er-Jahren hat sich ein spezifisches Verständnis des Lernens und Lehrens entwickelt und ausdifferenziert. Es beruht u. a. auf dem Menschenbild, das der Kinästhetik zugrunde gelegt wurde und wird. Dieses ergibt sich aus der persönlichen, erfahrungs- und theoriebasierten Auseinandersetzung mit der Grundfrage „Was ist der Mensch?“.
Entscheidend für die konkrete Gestaltung der Lernumgebung und ihre Prinzipien ist das persönliche Menschenbild jeder einzelnen TrainerIn. In der Ich-Perspektive formuliert, sind solche Grundfragen beispielsweise, wie und nach welchen Mustern ich mein Bewegungsverhalten in alltäglichen Aktivitäten reguliere und wovon meine diesbezügliche Entwicklung beeinflusst wird. Einige wichtige Aspekte dieser Auseinandersetzung mit dem zugrunde liegenden Menschenbild werden im Folgenden angedeutet.

1.2.2 Zirkuläre Selbstregulation als eine Grundlage des Lebens: Fortlaufende individuelle Anpassung, Ganzheit und Autonomie

Ein Aspekt des Menschenbildes ist, dass die Bewegung bzw. die Bewegungswahrnehmung (Kinästhesie) zentrale Grundlagen des menschlichen Lebens sind. Damit hängt eng zusammen, dass die Funktionsweise und insbesondere die Steuerung der Bewegung des Menschen wesentlich auf dem kybernetischen Prinzip der Selbstregulation bzw. der zirkulären Rückkoppelung durch Feedbackschleifen beruhen. Dieses grundlegende Prinzip wird in der Kinästhetik Feedback-Control-Theorie (FCT) genannt und hat eine weitreichende Bedeutung für das Menschenbild:
• Das Prinzip unterscheidet den Menschen von trivialen Maschinen: Sein Verhalten wird von seinen persönlichen Erfahrungen in der Vergangenheit beeinflusst und ist nicht voraussagbar. Der Mensch liefert nicht wie eine triviale Maschine nach linear-kausalen Gesetzen auf einen bestimmten Input immer den gleichen, voraussagbaren Output.
• Das Prinzip besagt, dass der Mensch sein Bewegungsverhalten in jedem Moment durch die fortlaufende Korrektur von Abweichungen, d. h., durch fortlaufende individuelle Anpassung reguliert.
• Das Prinzip schließt den ganzen Menschen mit ein bzw. umfasst das fortlaufende zirkuläre Zusammenspiel von Bewegungs-, Wahrnehmungs- und Nervensystem.
• Das zirkuläre Zusammenspiel der beteiligten Systeme zeichnet sich durch Plastizität (Formbarkeit) aus, und zwar in Abhängigkeit davon, wie der Mensch seine Selbstregulation bzw. seine Lebensaktivitäten gestaltet.
• Das Prinzip bedeutet, dass der Mensch grundsätzlich ein autonomes (eigengesetzliches), geschlossenes System ist. Der Mensch reguliert nach seinen individuellen Regeln oder Gesetzen sein ganzes Verhalten und kann sich letztlich nur selbst durch seine eigene Aktivität am Leben erhalten. Als geschlossenes System kann der Mensch von außen nicht direkt gesteuert, sondern nur beeinflusst werden.
• Das Prinzip bedeutet, dass der Mensch durch das Zusammenspiel der beteiligten Systeme sein Bild der Welt „errechnet“ oder konstruiert. Er nimmt grundsätzlich die Welt auf seine individuelle Art und Weise wahr (vgl. den bekannten Aphorismus von Maturana/Varela „Jedes Erkennen bedeutet Tun, und jedes Tun bedeutet Erkennen“).
• Das Prinzip führt zum Schluss, dass Leben ununterbrochenes Lernen bedeutet (vgl. folgendes Kapitel).
• Das Prinzip führt zum Schluss, dass in einer Interaktion (mindestens) zwei HandlungspartnerInnen gleichzeitig und ununterbrochen aktiv an einer gemeinsamen Handlung beteiligt sind. In konstanter Rückkoppelung beeinflusst das Verhalten der eine Person fortlaufend das Verhalten der anderen Person und umgekehrt (vgl. auch übernächstes Kapitel).

1.2.3 Leben bedeutet ununterbrochenes Lernen

Aus dem kybernetischen Verständnis der Selbstregulation ergibt sich der Grundsatz, dass der Mensch sein Leben lang auf seine individuelle Art und Weise lernt und sich entwickelt. Dadurch, dass er lebt, verfestigt, erweitert oder vermindert er stets seine Möglichkeiten.
Zu diesem lebenslangen Lernen gehört die Entwicklung von Verhaltens- und Bewegungsmustern. Sie zeichnen sich zwar durch Ähnlichkeit und Konstanz aus, müssen aber in jedem Moment neu erzeugt werden. Grundsätzlich kann jeder einzelne Mensch diese jederzeit bewusst oder unbewusst verändern.
Diese Ausführungen machen deutlich, dass in der Kinästhetik die Begriffe Lernen und Entwicklung in einem sehr grundsätzlichen und umfassenden Sinn verwendet werden. Leben bedeutet ununterbrochene Entwicklung auf allen Ebenen des Lebens. Und bei vielen Entwicklungen ist es lohnend, sie als Lernprozesse zu betrachten und persönliche :Verantwortung für sie zu übernehmen.
Lernen in der Kinästhetik betrifft im Unterschied zum gängigen Verständnis nicht nur die Kognition oder den Erwerb von neuem Wissen und Können, sondern kann auch die unbewusste Einschränkung von Bewegungsmustern einschließen. Es ist zentral, eine solche Entwicklung als einen Lernprozess zu verstehen, der lebenslang bewusst in eine andere Richtung gelenkt werden kann.
Desgleichen verbietet es dieses umfassende Verständnis zum Beispiel, von einem vierzigjährigen Menschen mit Behinderung zu sagen, er sei in seiner Entwicklung auf der Stufe eines Vierjährigen stehen geblieben. Aus der Perspektive der Kinästhetik hat er vierzig Jahre lang seine Lern- und Entwicklungsprozesse gemacht, die ihn genau dorthin führten, wo er jetzt steht.

1.2.4 Die Bedeutung der (Bewegungs-)Interaktion

Ein wichtiger Aspekt des Menschenbildes beruht auf der Tatsache, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Bereits vorgeburtlich finden bedeutsame Bewegungsinteraktionen zwischen dem Kind und seiner Mutter statt.
Nach seiner Geburt ist das Kind unabdingbar auf den Körperkontakt mit anderen Menschen angewiesen ist. Sein Lernen und seine Entwicklung werden wesentlich durch die Bewegungsinteraktionen mit anderen Menschen beeinflusst. Dabei lernt es, sich selbst bzw. seine eigene Bewegung wahrzunehmen und zu regulieren, indem es der Bewegung anderer Menschen folgt. Diese Bewegungsinteraktionen prägen sein Interaktionsverhalten und sind dessen Grundlage.
Die Interaktionen mit anderen Menschen beeinflussen lebenslang insbesondere die Entwicklung unseres Interaktionsverhaltens. Auch in Interaktionen ohne Körperkontakt folgen wir der Bewegung anderer Menschen – jedes Verhalten ist mit Bewegung verknüpft – und passen uns an sie an.
Interaktionen mit anderen Menschen spielen für unsere Lernprozesse im Verlauf des ganzen Lebens eine wichtige Rolle. Die Interaktionen über Berührung und Bewegung erhalten z. B. dann wieder eine besondere Bedeutung für unsere Lernprozesse, wenn wir auf körperliche Unterstützung angewiesen sind.

1.3 Die Herausforderung der förderlichen Gestaltung der Lernumgebung

1.3.1 Vorbemerkung zum Begriff „Gestaltung der Lernumgebung“

Für die Tätigkeit des Unterrichtens oder Lehrens wird in der Kinästhetik der Begriff Gestaltung der Lernumgebung verwendet. Er soll verdeutlichen, dass Lernen nie direkt gesteuert werden kann, sondern immer ein eigengesetzlicher innerer Prozess der lernenden Person ist. Als lehrende Person kann man nur eine mehr oder weniger günstige „Umgebung“ für Lernprozesse schaffen oder auch sein. Ursprünglich hatte der Begriff Lernumgebung in der Pädagogik nicht diese Bedeutung. Er wird aber immer häufiger in diesem Sinn verwendet (vgl. auch Glossar).

1.3.2 Spezifisches Know-how und moderne Grundprinzipien

Auf der Grundlage des Menschenbildes hat sich in der Kinästhetik eine besondere Lern- und Lehrkultur entwickelt. Die angestrebten Kompetenzen und Lernziele brauchen ein spezifisches Know-how der Gestaltung der Lernumgebung.
Diese Kompetenzen und Lernziele betreffen u. a.
• die Sensibilisierung der Bewegungswahrnehmung und -regulation,
• die Erweiterung der persönlichen Bewegungskompetenz
• und insbesondere die Erweiterung der Kompetenz, Interaktionen über Berührung und Bewegung mit anderen Menschen bewusst und gezielt zu gestalten.
Vor diesem Hintergrund haben sich in der Kinästhetik spezifische methodisch-didaktische Vorgehensweisen im Großen und im Kleinen entwickelt. Ebenso haben sich pädagogisch-didaktische Grundprinzipien etabliert, die auch von der modernen Pädagogik und Unterrichtsforschung als wichtige Faktoren guten Unterrichtens bezeichnet werden (Schubiger 2022, S. 17 ff.).

1.3.3 Notwendigkeit von Intuition, Anpassungsfähigkeit und Reflexion

1.3.3.1 Der Einfluss unvorhergesehener Faktoren im Hier und Jetzt

Weder die Verwendung durchdachter Methoden noch die Befolgung aller im Folgenden aufgelisteten Grundprinzipien können eine gute Gestaltung der Lernumgebung und erfolgreiches Lernen garantieren. Lernen und Lehren vollziehen sich immer im Hier und Jetzt.
Unvorhergesehene äußere Faktoren oder die aktuelle Befindlichkeit der Beteiligten können beides in vielfältiger Weise beeinflussen. Gute Gestaltung der Lernumgebung beruht gleichermaßen auf stimmigen Grundprinzipien wie auf Intuition und Anpassungsfähigkeit im Moment.

1.3.3.2 Intuition für die Qualität der Lernprozesse als Grundlage von Anpassungen

Es ist z. B. unvorhersagbar und kaum ersichtlich, wie differenziert die Lernenden ihre eigene Bewegung wahrnehmen und Unterschiede in ihrer Bewegungswahrnehmung erfahren können. Deshalb besteht hier in besonderem Maß die Herausforderung, bei der Gestaltung der Lernumgebung nicht einem fixen methodischen Schema oder Plan zu folgen. Vielmehr gilt es, auf die Qualität der Lernprozesse zu achten und die Lernumgebung vor dem Hintergrund der angestrebten Kompetenzen intuitiv anzupassen.
Das Gleiche gilt für das ausgewogene und passende Verhältnis von Führung oder Anleitung aller Lernenden, individueller Unterstützung und selbstverantwortlichem Lernen.

1.3.3.3 Die Bedeutung der persönlichen und gemeinsamen Reflexion der Lehrerfahrungen

Hilfreich für die Kompetenz guter Gestaltung der Lernumgebung ist die Erfahrung oder vielmehr die kritische Reflexion der eigenen Lehr- und Wirkungserfahrungen. Dazu gehört der Mut, die eigene Gestaltung Lernumgebung infrage zu stellen sowie neue Wege auszuprobieren und zu reflektieren.
Lohnend sind die Reflexion und der Austausch mit anderen TrainerInnen, sei es im privaten Rahmen, in Fachnetzwerken oder Trainerbildungsangeboten. Dadurch können das eigene Verständnis und die persönliche Umsetzung der Grundprinzipien sowie die eigene Intuition und Anpassungsfähigkeit bewusst weiterentwickelt werden.

1.4 Die Persönlichkeit und gelebte Haltung der TrainerIn

Ein wichtiges Element gelingenden Lehrens und Lernens stellen die Persönlichkeit und gelebte Haltung der TrainerIn dar. Mit gelebter Haltung ist das konkrete Verhalten und dessen Wirkung bei der Gestaltung der Lernumgebung gemeint.
Die gelebte Haltung stimmt nicht unbedingt damit überein, wie man die eigene pädagogische Haltung beschreibt. Es ist z. B. möglich, dass man „Lernen auf Augenhöhe“ als wichtiges eigenes Grundprinzip beschreibt, aber in konkreten Situationen sich so verhält, dass man keine andere Meinung gelten lässt und nicht auf der Ebene der Lernenden mitdenkt, sondern sich über sie stellt und somit die eigenen Prinzipien nicht lebt.
Aus der Perspektive der Persönlichkeit und gelebten Haltung können einige Punkte genannt werden, die in aller Regel einen positiven Einfluss auf die Lernenden und ihre Lernprozesse haben.

Dazu gehört, dass die TrainerIn

• ein echtes Interesse an den einzelnen Menschen und ihren Lernprozessen hat, die einzelnen Lernenden und ihre Meinungen ernst nimmt,
• ein echtes Interesse an den Lerninhalten und -prozessen hat und die Bedeutung offenlegt, die diese für sie persönlich haben,
• den Lernenden partnerschaftlich und nicht von oben herab begegnet, den Bildungsanlass als gemeinsamen Lernprozess versteht,
• auch in schwierigen Situationen authentisch und fair bleibt, die eigenen Überzeugungen infrage stellen lässt, nicht besserwisserisch auftritt, sondern zu ihrem persönlichen Lernpotenzial im Umgang mit schwierigen Situationen steht.
Es ist klar, dass diese Punkte einen Bereich betreffen, der mit der Individualität und dem Charakter jeder einzelnen TrainerIn zu tun hat. Selbst wenn zwei TrainerInnen z. B. in der Haltung übereinstimmen, dass sie sich für den einzelnen Menschen interessieren, wird jede Person diese Haltung auf ihre individuelle Art und somit in unterschiedlicher Ausprägung umsetzen.
Wie die Persönlichkeit und gelebte Haltung der Lehrperson auf die Lernenden wirken, ist in gleicher Weise unterschiedlich und von der Persönlichkeit jeder einzelnen Lernenden abhängig.
Gemeinhin gilt die Authentizität im Sinn der Echtheit, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit als empfehlenswerter Grundsatz. Man kann ihn in Anlehnung an die bekannte Aussage von Sr. Liliane Juchli als Motto „Ich lehre als die, die ich bin“ formulieren.
Die Persönlichkeit und gelebte Haltung der TrainerIn prägen ihre Fähigkeit, eine echte und faire Beziehung zu den Lernenden auf Augenhöhe gestalten zu können. Auch wenn Persönlichkeit und gelebte Haltung sehr individuell sind, gelten sie als ein zentrales Element gelingenden Lehrens und Lernens.

1.5 Sinn und Absicht der pädagogisch-didaktischen Grundprinzipien

Diese Ausführungen und die anschließenden pädagogisch-didaktischen Grundprinzipien sollen Kinaesthetics-TrainerInnen helfen, ihre Gestaltung der Lernumgebung und ihre eigenen Grundsätze differenziert zu reflektieren, zu begründen und weiterzuentwickeln. Sie sind keinesfalls als Vorschriften gedacht.
Ein Bildungsanlass ist immer ein Prozess in der Gegenwart, eine Begegnung von individuellen Menschen in ihrer aktuellen Befindlichkeit. Es ist nur menschlich, dass Lernen und Lehren unterschiedlich gut gelingen. Erwartet werden darf, dass professionelle TrainerInnen ihre Tätigkeit differenziert reflektieren können und bereit sind, sie zugunsten der Lernenden weiterzuentwickeln.
Die pädagogisch-didaktischen Grundprinzipien sind auf die Gestaltung der Lernumgebung von Basiskursen und von Aus-, Weiter- und Fortbildungen ausgerichtet. Sinngemäß sind viele Prinzipien auch auf andere Gefäße der Gestaltung der Lernumgebung wie Praxisanleitungen, Workshops oder Fallbearbeitungen übertragbar.

Weiterführende Literatur und Medien Wahl, Diethelm (2013): Lernumgebungen erfolgreich gestalten. Vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln. 3. Auflage. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. ISBN 978-3-7815-5294-4 Schubiger, Andreas (2022): Lehren und Lernen. Ressourcen aktivieren, Informationen verarbeiten, Transfer anbahnen, Auswerten. RITA: ein kompetenzorientiertes Lernprozessmodell. 3., überarbeitete Auflage. Bern: hep. ISBN 978-3-0355-2151-1 Ghisla, Gianni; Boldrini, Elena; Bausch, Luca (2014): SiD – Situationsdidaktik. Ein Leitfaden für Lehrkräfte in der Berufsbildung. EHB Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung. [1](https://www.ehb.swiss/sites/default/files/situationsdidaktik_de.pdf) (Zugriff: 12.09.2023). Ghisla, Gianni (2008): Überlegungen zu einem theoretischen Rahmen für die Entwicklung von kompetenzorientierten Curricula (Work in progress, Fassung vom 12.5.2008). EHB Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung. [2](https://idea-ti.ch/images/team/ghisla/05_Ghisla_Theorie_CoRe20072008.pdf) (Zugriff: 12.09.2023)

2 Lernverständnis und Grundprinzipien

2.1 Einleitung

2.1.1 Bezüge zum Menschenbild

Die nachfolgend dargestellten Grundprinzipien haben enge Bezüge zum zugrunde liegenden Menschenbild. So hat z. B. das erste Grundprinzip „Lernen als aktiven, konstruktiven und selbstgesteuerten inneren Prozess ermöglichen“ einen besonders engen Zusammenhang mit den Inhalten des einleitenden Kapitels „1.2.2. Zirkuläre Selbstregulation als eine Grundlage des Lebens: Fortlaufende individuelle Anpassung, Ganzheit und Autonomie“. Lernen als aktiver und konstruktiver Prozess schließt sich eng an die Bedeutung des Aphorismus „Jedes Erkennen ist Tun, und jedes Tun ist Erkennen“ an, Lernen als selbstgesteuerter Prozess an die kybernetische Grundidee der Selbstregulation und Autonomie usw. Explizite Hinweise auf diese Bezüge würden den Rahmen der vorliegenden Darstellung sprengen.

2.1.2 Darstellung der Grundprinzipien

Im Folgenden werden die einzelnen Grundprinzipien an erster Stelle mit lerntheoretischen Überlegungen und Annahmen dargestellt. Sie erläutern und begründen das zugehörige Lernverständnis. Dieses wird hier nicht mit Fachliteratur belegt. Eine mit Quellenangaben belegte Darstellung der Lerntheorie der Kinästhetik findet sich im Artikel „Lernen (Kinästhetik)“ des Kinaesthetics-Online-Fachlexikons (KOFL).
An zweiter Stelle wird jedes Grundprinzip mit Umsetzungsmöglichkeiten konkretisiert.

2.1.3 Ziel und Zweck der Darstellung

Die Darstellung verfolgt das Ziel, pädagogisch-didaktische Aspekte der Gestaltung der Lernumgebung hochgradig zu differenzieren. Dies soll TrainerInnen helfen, ihre konkreten Gestaltungen der Lernumgebung möglichst differenziert zu reflektieren, zu begründen und anzupassen. In der Realität greifen die Grundprinzipien ineinander und sind oft eng miteinander verbunden.

2.1.4 Bezüge zu methodischen Großformen

Grundsätzlich kann jedes Grundprinzip mit unterschiedlichen Methoden in der konkreten Gestaltung der Lernumgebung umgesetzt werden. Deshalb werden hier insbesondere methodische Großformen wie der Lernzyklus, die Lernspirale oder das Lernpuzzle höchstens angedeutet. Sie stützen sich in ihrer Anlage auf viele Grundprinzipien der Kinästhetik und werden in anderen Publikationen dargestellt.

2.1.5 Kürze und Einheitlichkeit

Die Formulierungen zielen bewusst auf Kürze und Einheitlichkeit. Für die Lehrperson wird durchgängig der Begriff „TrainerIn“ verwendet, für die Teilnehmenden eines Bildungsanlasses „Lernende“, für Unterricht „Gestaltung der Lernumgebung“ usw.

2.2 Lernen als aktiven, konstruktiven und selbstgesteuerten inneren Prozess ermöglichen

2.2.1 Eigenaktivität und eigene Erfahrungen ermöglichen

2.2.1.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Lernen ist ein aktiver innerer Prozess. Lernen bedeutet eigenes Tun, bedeutet die Auseinandersetzung mit den Lerninhalten durch eigenes Handeln, Erleben und Erfahren. Diesbezüglich spielen in der Kinästhetik Bewegungserfahrungen grundsätzlich und insbesondere zur gezielten Sensibilisierung der Bewegungswahrnehmung und -regulation eine zentrale Rolle.

2.2.1.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn ermöglicht den Lernenden, sich mit den Lerninhalten durch eigenes Tun, aktives Handeln und Erfahren, das über bloßes Zuhören oder Zuschauen hinausgeht, auseinanderzusetzen. Sie ermöglicht ihnen ebenso, das eigene Tun und Erfahren selbst zu reflektieren.
Sie leitet Einzel- und Partnererfahrungen mit spezifischen Blickwinkeln und passenden Unterschieden an. Diese Bewegungserfahrungen ermöglichen es den Lernenden, mit ihrer Bewegungswahrnehmung Unterschiede gezielt in sich selbst zu erfahren und ihre kinästhetische Wahrnehmung in unterschiedlichen alltäglichen Aktivitäten eigenaktiv zu sensibilisieren.

2.2.2 Individuelles Konstruieren ermöglichen

2.2.2.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Lernen ist ein konstruktiver innerer Prozess. Das meint, dass Lerninhalte mit den individuellen Strukturen des Wissens und der Erfahrungen verknüpft werden. Sie werden in die eigenen Fragestellungen und Annahmen eingebettet. In Lernprozessen erweitern Lernende ihre eigenen Wissens- und Erfahrungsstrukturen oder bauen sie neu auf.

2.2.2.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn ermöglicht den Lernenden, ihre eigenen Fragen an die Lerninhalte zu stellen und ausgehend von den Lerninhalten und ihren Wissens- und Erfahrungsstrukturen ihre eigenen Lernthemen zu definieren. Sie ermöglicht ihnen, ihre persönlichen Antworten zu „konstruieren“ und zu reflektieren.
Die TrainerIn gestaltet ihre Fragestellungen, Aufgaben und Anleitungen offen und nicht so, dass sie auf ihren „Input“ einen bestimmten, einzig richtigen „Output“ der Lernenden erwartet. Sie trivialisiert weder die Lerninhalte noch die Lernenden (vgl. Heinz von Foerster, https://wiki.kinaesthetics.de/wiki/Maschinen_(triviale_und_nichttriviale)).
Fakten und eindeutig beantwortbare Problemstellungen werden grundsätzlich nicht erfragt, sondern als solche dargestellt.

2.2.3 Selbstgesteuertes Lernen ermöglichen

2.2.3.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Lernen ist ein selbstgesteuerter und autonomer („eigengesetzlicher“) innerer Prozess. Was und wie die einzelnen Lernenden lernen, bestimmen letztlich nur sie selbst.
Ihr Lernen ist abhängig von den individuellen Regeln (oder „Gesetzen“), nach denen sie ihr ganzes Verhalten regulieren. Lernprozesse werden von der TrainerIn und ihrer Gestaltung der Lernumgebung beeinflusst und bestenfalls unterstützt, können aber von ihr nicht direkt gesteuert oder bestimmt werden.

2.2.3.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn erwartet nicht, dass alle Lernenden durch ihre Gestaltung der Lernumgebung im gleichen Moment dasselbe wahrnehmen, verstehen und daran anknüpfen können.
Sie geht nicht davon aus, dass alle Lernenden zum gleichen Zeitpunkt die gleichen Lernprozesse durchlaufen müssen.
Sie gestaltet die einzelnen Lernschritte so, dass ein individueller Spielraum entstehen kann und selbstgesteuertes Lernen ermöglicht und unterstützt wird.

2.2.4 Die zirkuläre Verbindung von Erfahrung und Theorie ermöglichen

2.2.4.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

In der Kinästhetik ist in Bezug auf Lernen das Paradigma „Von der Erfahrung zur Theorie“ gängig. Es ist eine bewusste Umkehrung des traditionellen Unterrichtens nach dem Motto „Erst die Theorie, dann die Praxis“.
Der Begriff Theorie meint dabei die (rein) begriffliche und abstrakte Betrachtungsweise von Phänomenen oder Tatsachen bzw. ihrer Gesetzlichkeiten.
Für die Gestaltung der Lernumgebung ist das Paradigma „Von der Erfahrung zur Theorie“ eine wertvolle Leitlinie, um Lernende z. B. das theoretische Konzeptverständnis aus Bewegungserfahrungen handelnd und selbstgesteuert erarbeiten zu lassen.
Damit ihr praktisches Tun und Erfahren gezielt zu Lernen und Erkenntnissen führt, brauchen Lernende allerdings immer bestimmte Blickwinkel oder Kriterien bzw. ein Mindestmaß an vorgängiger „Theorie“. Nur so können sie zielgerichtet auf ihre konkreten Erfahrungen achten und sie hinsichtlich theoretischer Erkenntnisse und Regeln reflektieren.
Das Motto „Von der Erfahrung zur Theorie“ kann somit dahingehend präzisiert werden, dass es darum geht, Erfahrung und Theorie in einem zeitnahen zirkulären Wechselspiel zu entwickeln.
Dabei verbinden die einzelnen Lernenden ihre konkreten Erfahrungen, ihr Tun und Handeln in fortgesetzter Zirkularität mit ihrer Konstruktion und Reflexion von Wissen und Annahmen.
Dadurch können sie ebenso lernen, die kinästhetische Fachsprache passend zu verwenden. Bei diesen Lernprozessen können der Austausch und Abgleich mit anderen Personen eine wichtige Rolle spielen.
All dies unterstützt wesentlich den Aufbau oder die Erweiterung ihrer Kompetenzen.

2.2.4.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn schafft die Voraussetzungen, dass die Lernenden ihre Kompetenzen in einem engen und zeitnahen zirkulären Wechselspiel von eigener Erfahrung und theoretischer Wissenskonstruktion entwickeln können.
Dabei berücksichtigt sie das Vorwissen der Lernenden. Sie geht nicht davon aus, dass Lernende zuerst ausführliche theoretische Kenntnisse erwerben müssen, um sie dann praktisch umzusetzen.
Sie vermeidet lange theoretische Erklärungen, die erst nachträglich mit eigenaktiver Tätigkeit verbunden werden.
In einem zirkulären Wechselspiel verbindet die TrainerIn Schritt für Schritt:
• Anleitungen zu Erfahrungen und praktischen Auseinandersetzungen, durch welche die Lerninhalte veranschaulicht werden,
• Aufträge, durch welche die Lernenden diese Inhalte auf der theoretischen Ebene herleiten, reflektieren und beschreiben können.
Die TrainerIn ermöglicht es, dass sich die Lernenden über ihre Erfahrungen, Erkenntnisse und fachsprachlichen Beschreibungen austauschen.

2.2.5 Das Verständnis der Bedeutung der Innenperspektive fördern

2.2.5.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

In diesem Kapitel werden die vorausgehenden Grundprinzipien aus der Perspektive der 1.-Person-Methodik nach F. J. Varela (vgl. https://wiki.kinaesthetics.de/wiki/1.-Person-Methode) zusammenfassend beleuchtet.
Die vorausgehenden Grundprinzipien erhalten in der Kinästhetik dadurch eine besondere Bedeutung, dass die fortgesetzte und vertiefte Sensibilisierung der Bewegungswahrnehmung und -regulation ein zentraler Lerninhalt ist.
Wie jede Sinneswahrnehmung kann die Bewegungswahrnehmung nur dadurch sensibilisiert werden, dass die einzelnen Lernenden mit ihren individuellen Voraussetzungen selbst aktiv werden und die spezifische Achtsamkeit auf ihr kinästhetisches Sinnessystem immer wieder trainieren.
Solche Lernprozesse beruhen auf der Innenperspektive der einzelnen Lernenden. Es geht darum, unter spezifischen Blickwinkeln durch eigenes Tun in sich selbst danach zu suchen, wie fein welche Unterschiede durch die eigene Bewegungswahrnehmung erfahrbar werden.
Bei der 1.-Person-Methodik steht das subjektive Erleben des „Ichs“ und seine selbstverantwortliche, individuelle Entwicklung im Zentrum.
Für viele Lernende ist dieses Lernen ungewohnt. Im traditionellen Unterricht geht es um allgemeingültiges, objektiv beschreibbares Wissen und Können. Es befindet sich gewissermaßen außerhalb von einem selbst und muss „verinnerlicht“ werden – wer das tut, bzw. das subjektive Erleben des „Ichs“ spielen dabei keine Rolle: Hauptsache, man lernt, wie man es richtig macht.
Weil die Lernenden in ihrer bisherigen Lerngeschichte hauptsächlich dieses Lernverständnis erlebt haben, kann es für sie eine Herausforderung bedeuten, sich auf die eigene Innenperspektive und Wahrnehmung einzulassen und ihr zu vertrauen.
Für einen bewussten und nachhaltigen Lernprozess ist es von Bedeutung, diese inneren Erfahrungen in einem zirkulären Wechselspiel mit der Außenperspektive (z. B. durch schriftliche Texte, andere Personen usw.) zu entwickeln und zu vertiefen.

2.2.5.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn zeigt den Lernenden auf und/oder lässt sie erfahren, dass der Lernprozess bei der Sensibilisierung der Bewegungswahrnehmung darauf abzielt, in der eigenen Bewegung individuell erfahrbare Unterschiede immer feiner wahrzunehmen und zu regulieren.
Es geht darum, die eigene Bewegung bzw. sich selbst zu begreifen.
Sie zeigt auf, warum und wozu es wichtig ist, dass sich die Lernenden immer wieder ausführlich und intensiv mit sich selbst bzw. der Sensibilisierung ihrer Bewegungswahrnehmung beschäftigen.
Dazu macht sie verständlich und erfahrbar, welche Bedeutung die damit angestrebten Kompetenzen für die Praxis haben.
Sie erklärt den Unterschied zwischen diesem Lernverständnis und der traditionellen Sicht.
Sie zeigt auf, dass es z. B. nicht darum geht, die „objektive“ Beschreibung erfahrbarer Unterschiede des Konzeptsystems möglichst genau zu verstehen und dann richtig umzusetzen.
Sie fördert die bewusste Entwicklung der kinästhetischen Sensibilität der Lernenden durch das zirkuläre Wechselspiel von inneren Erfahrungen und äußeren Aspekten.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die sprachliche Reflexion der eigenen Erfahrungen, die Bewegungserfahrung mit einer PartnerIn und der Abgleich mit deren Beschreibung oder mit schriftlichen Texten.

2.3 Lernen als sinnhaften und zielorientierten Prozess ermöglichen, der auf den persönlichen Voraussetzungen aufbaut

2.3.1 Anschluss an individuelles Vorwissen und bisherige Erfahrungen ermöglichen

2.3.1.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Lernprozesse schließen immer an das individuelle Vorwissen und die persönlichen bisherigen Erfahrungen der einzelnen Lernenden an. Sie können nur dort einsetzen, wo sich die einzelne Lernende diesbezüglich befindet. Damit Lernende einen persönlichen Anschluss an Lerninhalte finden können, ist es unabdingbar, dass sie sich bewusst machen können, auf welchem Vorwissen und auf welchen Kompetenzen bzw. Kenntnissen, Fähigkeiten und Haltungen die Lerninhalte aufbauen. Sie müssen feststellen können, welches in Bezug darauf ihre Ausgangslage ist.
Wenn die TrainerIn versteht, wo die Lernenden stehen und was sie beschäftigt, erhält sie eine Grundlage für einen passenden gemeinsamen Lernprozess. Sie kann vermeiden, dass sie die Lernenden unter- oder überfordert. Es ist sinnvoll, den Lernenden immer wieder Standortbestimmungen zu ermöglichen. Durch diese können sie in „neuen“ Ausgangslagen feststellen, wo sie stehen und wohin sie in Bezug auf die erforderlichen Kompetenzen gelangen wollen und sollen.

2.3.1.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn zeigt den Lernenden immer wieder auf und/oder lässt sie erfahren, auf welchem Vorwissen oder auf welchen Kompetenzen bzw. Kenntnissen, Fähigkeiten und Haltungen die Lerninhalte aufbauen. Sie ermöglicht ihnen festzustellen, wo sie in Bezug auf dieses Vorwissen oder diese Kompetenzen stehen und welche ihre Ausgangslage ist.
Die TrainerIn verwendet z. B. ein Fallbeispiel aus der Lebenswelt der Lernenden und fragt sie nach persönlich erlebten Situationen mit gleichen oder ähnlichen Herausforderungen. Sie lässt die Lernenden anhand dieser Beispiele die eigenen beruflichen Fragen und erforderlichen Kompetenzen erarbeiten. Sie gleicht, wo nötig, die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen der Lerninhalte damit ab.
Die TrainerIn versucht darauf aufbauend, durch ihre Frage-, Aufgabenstellungen und Anleitungen die Lernenden weder zu unterfordern noch zu überfordern. Sie schätzt fortlaufend ein, ob die einzelnen Lernenden und die Gruppe einen angemessenen herausfordernden Anschluss an die aktuellen Lernprozesse finden. Gegebenenfalls passt sie ihre Gestaltung der Lernumgebung individuell oder für die Gruppe entsprechend an.

2.3.2 Annahmen und Erklärungsmodelle bewusst werden lassen

2.3.2.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

In der Kinästhetik können Lerninhalte auf Erklärungsmodellen und Annahmen beruhen, die nicht gängig sind (z. B. „Der Mensch ist lebenslang lernfähig“). Es ist leicht möglich, dass sie damit in Widerspruch stehen, wie die Lernenden bisher zugehörige Phänomene erklärt haben (z. B. „Mit zunehmenden Alter verliert der Mensch die Lernfähigkeit“).
Desgleichen kann eine Widersprüchlichkeit zwischen den Annahmen der Lernenden, worum es im Bildungsangebot geht, und den tatsächlichen angestrebten Lernzielen und Kompetenzen bestehen. Lernende können z. B. davon ausgehen, dass es in der Kinästhetik um die richtigen Transfertechniken und Handgriffe geht. Demgegenüber zielt das Bildungsangebot vielmehr auf ein individuell anzupassendes gemeinsames Lernen mit unterstützungsbedürftigen Personen.
Wenn dies nicht immer wieder bewusst gemacht wird, kann eine solche Unvereinbarkeit das Lernen und den Kompetenzaufbau behindern. Denn insbesondere in Praxissituationen können die bisherigen eigenen Annahmen und Erklärungen das Handeln bestimmen. Das im Lernprozess thematisierte alternative Verhalten, das auf einer neuen Sichtweise beruht, kommt nicht zum Zug.
Wenn die jeweiligen Annahmen und Erklärungsmodelle bewusst gemacht werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Lernende sowohl ihre Verhaltensmuster als auch ihre Erklärungsmodelle und Annahmen erweitern oder ändern. Zugleich wird es ihnen möglich, ihr Verhalten mit passenden Erklärungsmodellen zu begründen oder mit anderen abzugleichen.

2.3.2.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn zeigt den Lernenden auf und/oder lässt sie erfahren, welche Annahmen und Erklärungsmodelle den Lerninhalten und -prozessen zugrunde liegen (z. B. „Der Mensch kann seine Bewegungskompetenz lebenslang erweitern“). Sie ermöglicht ihnen festzustellen, welche Annahmen und Erklärungsmodelle sie selbst bisher diesen Lerninhalten bzw. den zugehörigen Phänomenen zugrunde gelegt haben (z. B. „Im Alter werden Menschen natürlicherweise steif und unbeweglich und können nicht mehr lernen, ihre Bewegungsmöglichkeiten besser zu nutzen“).
Die TrainerIn ermöglicht den Lernenden wiederholt, im zirkulären Wechselspiel mit Erfahrungen in Praxissituationen ihre eigenen Annahmen und Erklärungsmodelle zu reflektieren und mit anderen zu vergleichen, um Abweichungen und Übereinstimmungen zu erkennen. Dadurch verschafft die TrainerIn ihnen die Möglichkeit, ihr Verhalten und dessen Erklärungen bewusst zu erweitern oder zu verändern und es passend begründen zu lernen.

2.3.3 Die persönliche Bedeutung der Lerninhalte und eigenes Interesse entdecken lassen

2.3.3.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Ein Beitrag dazu, dass Lernende motiviert, intensiv und nachhaltig lernen, kann dadurch geleistet werden, dass sie die persönliche Bedeutung und Sinnhaftigkeit der Lerninhalte und -prozesse für sich selbst bzw. für ihre Lebenswelt und deren Situationen erkennen. Dazu wird den Lernenden immer wieder ermöglicht, den Nutzen zu erfahren und zu erkennen, den die Lerninhalte für sie selbst, für ihre Lebenssituationen oder daran beteiligte Personen haben. Die Lernenden können dadurch ein eigenes Interesse für die Zielsetzungen des Lernens entwickeln und sich mit diesen identifizieren. Wenn dies nicht der Fall ist, führen die Lernprozesse eher zu trägem Wissen, das keine Auswirkungen auf die Praxis hat, und kaum zur Erweiterung oder zum Aufbau von Kompetenzen.

2.3.3.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn zeigt den Lernenden auf und/oder lässt sie erfahren, welches Ziel das Bildungsangebot im Ganzen verfolgt und zu welchen Kompetenzen bzw. Fähigkeiten, Kenntnissen und Haltungen in Lebenssituationen die Lerninhalte und -prozesse führen können. Sie ermöglicht den Lernenden, die Bedeutung und den Nutzen dieser Lerninhalte und -prozesse für sie selbst und ihre eigenen Lebenssituationen zu entdecken und ein persönliches Interesse an den Zielsetzungen zu entwickeln. Dazu gehört, dass sie den Lernenden ermöglicht, ihre eigenen Anregungen einzubringen und ihre persönliche Motivation und Zielsetzung zu entwickeln.
Die Bestimmung der persönlichen Ausgangslage unter den vorausgehenden Aspekten hat eine besondere Bedeutung für die zyklische Gestaltung der Lernumgebung bzw. für die Reflexion und Einschätzung der eigenen Lernfortschritte (vgl. 2.4 und insbesondere 2.4.5).

2.4 Lernen als strukturierte, prozessorientierte und reflektierte Entwicklung ermöglichen

2.4.1 Die Lernumgebung mit methodisch-didaktischer Transparenz gestalten

2.4.1.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Ein grundsätzlicher Beitrag dazu, dass Lernende motiviert, gezielt und nachhaltig lernen und die Schritte ihres Lernprozesses gezielter reflektieren und beurteilen, kann dadurch geleistet werden, dass die Lernumgebung mit methodisch-didaktischer Transparenz und Nachvollziehbarkeit gestaltet wird.
Dadurch kann den Lernenden bewusst werden, weshalb und wozu die Schritte der Gestaltung der Lernumgebung in der konkreten inhaltlichen Ausprägung aufeinander folgen oder angepasst werden und wie diese Strukturierung zu den angestrebten Kompetenzen führen soll. Desgleichen kann ihnen klar werden, welcher persönliche Spielraum des konkreten Vorgehens für sie demzufolge besteht.

2.4.1.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn ermöglicht den Lernenden, sich die Logik des inhaltlichen und methodischen Ablaufs im Ganzen bewusst zu machen. Idealerweise ist ihnen das jederzeit möglich, indem z. B. der Ablauf auf einer Flipchart festgehalten und im Kursraum aufgehängt wird. Die TrainerIn erklärt, wie die Strukturierung der Lernschritte zu den angestrebten Lernzielen oder Kompetenzen führen soll.
In den einzelnen Schritten ihrer Gestaltung der Lernumgebung zeigt sie den Lernenden ebenso auf und/oder lässt sie erfahren, wie sie mit dem vorausgehenden Schritt zusammenhängen und welches der rote Faden ist, der die Schritte verbindet. Sie gewährt den Lernenden den möglichen individuellen Spielraum, wie sie einen Schritt gemäß seinem Sinn und der Logik des Ablaufs vollziehen.

2.4.2 Die Gestaltung der Lernumgebung strukturieren

2.4.2.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Lernen kann dadurch gefördert werden, dass es sich im Großen in strukturierten Zyklen vollzieht. Damit gemeint sind wiederholte Folgen zusammengehöriger, aufeinander aufbauender Lernschritte, die inhaltlich kreisförmig abgeschlossen werden.
Wichtige Elemente solcher Zyklen sind die Bestimmung der persönlichen Ausgangslage (vgl. Kapitel 2.3.) und die Reflexion des Lernprozesses, die einen Zyklus abschließt (vgl. 2.4.5). Lernmodelle und methodische Großformen wie der Lernzyklus, die Lernspirale oder das Gruppenpuzzle orientieren sich oft an dieser grundlegenden Struktur.
Bei der Strukturierung der Gestaltung der Lernumgebung im Großen kann Lernen ebenso dadurch gefördert werden, dass längere und kürzere Lernschritte sowie Erholungsphasen in einem organischen Wechsel aufeinander folgen.
Im Großen und im Kleinen gliedern sich erfolgreiche Lernprozesse zudem in grundlegende Entwicklungsschritte. Sie erscheinen oft selbstverständlich wie z. B. der Entwicklungsschritt eines Lernprozesses vom Einfachen zum Schwierigen.
Solche grundlegenden Entwicklungsschritte werden im Folgenden stichwortartig aufgelistet, und zwar nur in einer Entwicklungsrichtung. Je nach Situation und Kontext kann die bewusste Verwendung der gegenteiligen Richtung sinnvoll sein.
• Von großen, leicht erfahr- oder wahrnehmbaren Unterschieden zu feinen Unterschieden und Differenzierungen
• Von der Einzelerfahrung zur Partnererfahrung
• Von der „Laborsituation“ zur Integration und Anwendung
• Von geführten, eng angeleiteten oder begleiteten Lernprozessen zum selbstverantwortlichen Lernen
• Vom Konkreten zum Abstrakten
• Vom Einfachen zum Schwierigen
Aus lerntheoretischer Perspektive ist es sinnvoll, Bildungsangebote im Großen und in den einzelnen Schritten entsprechend zu strukturieren. Es gilt darauf zu achten, dass durch diese Strukturierungen ein Grundrhythmus entsteht, der die Lernprozesse bzw. die Erreichung der Lernziele und Kompetenzen bestmöglich unterstützt.

2.4.2.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn strukturiert ihr Bildungsangebot im Großen und dessen Teile gemäß der inneren zyklischen Logik des Lernmodells bzw. von methodischen Großformen wie des Lernzyklus oder der Lernspirale. Sie passt diese Strukturierung der Teile folgerichtig an die angestrebten Kompetenzen und Lernziele an. Sie strukturiert ihre Gestaltung der Lernumgebung im Kleinen und im Großen bewusst nach grundlegenden Entwicklungsschritten von Lernprozessen.
Sie gestaltet die Lernumgebung in einem organischen Wechsel von längeren und kürzeren Lernschritten und längeren und kürzeren Erholungsphasen.
Sie beobachtet, ob ihre Strukturierungen die gewünschte Wirkung zeigen und die Lernprozesse unterstützen, und passt sie gegebenenfalls an. Je nach Lernziel, Situation oder Verlauf der Lernprozesse ist es angebracht, mit den erwähnten Strukturierungen bewusst zu spielen und z. B. einen Schritt von der Komplexität zur Einfachheit und wieder zurück zur Komplexität zu bauen.

2.4.3 Unterschiedliche Sozialformen und Methoden aufeinander folgen lassen

2.4.3.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Durch die Abfolge von unterschiedlichen passenden Sozialformen und Methoden werden die Lernenden darin unterstützt, sich vielfältig und differenziert mit den Lerninhalten auseinanderzusetzen. Ebenso kann dadurch lernfördernde Abwechslung erreicht und hinderliche Eintönigkeit vermieden werden.
Oft ergibt sich die Abfolge von Sozialformen und methodischen Schritten aus der methodischen Großform (Lernzyklus, Lernspirale usw.), die der Gestaltung der Lernumgebung zugrunde gelegt wird (vgl. vorausgehendes Kapitel). In Bezug auf die Sozialform sind trainerzentrierte Phasen so kurz wie möglich zu halten (vgl. auch 2.5.2).
Dennoch können viele Lernziele in unterschiedlichen Sozialformen und durch unterschiedliche Methoden erreicht werden. Eine Reflexion des Lernprozesses kann z. B. in selbstständiger schriftlicher Einzelarbeit, im mündlichen Austausch mit anderen Lernenden oder angeleitet in der gesamten Gruppe erfolgen.
Damit ist nicht gemeint, dass zur Erreichung eines Lernziels immer wieder eine andere Methode eingesetzt werden sollte. Die Verwendung der gleichen Methode bzw. des gleichen Dokumentationsinstrumentes hat z. B. bei der Lernprozessreflexion bestimmte Vorteile: Wenn Lernende ihren Lernprozess mehrfach auf die gleiche Weise schriftlich und selbstständig reflektieren, reduziert sich der Anleitungsaufwand für die TrainerIn. Die Lernenden können Fortschritte im differenzierten Umgang mit der verwendeten Methode bzw. dem eingesetzten Dokumentationsinstrument machen. Zudem können die Lernenden die Resultate ihrer einzelnen Reflexionen besser vergleichen und auswerten.
Andererseits kann eine alternative Methode wie der mündliche Austausch neue Perspektiven eröffnen und weitere positive Effekte haben, die sich bei der schriftlichen Einzelarbeit nicht ergeben.
Es gilt darauf zu achten, dass durch die Strukturierung mit unterschiedlichen methodischen Formen und Sozialformen ein Grundrhythmus entsteht, der die Lernprozesse bzw. die Erreichung der Lernziele und Kompetenzen bestmöglich unterstützt.

2.4.3.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn verwendet in ihrer Gestaltung der Lernumgebung unterschiedliche passende Sozialformen und Methoden. Sie geht dabei von den jeweiligen angestrebten Kompetenzen und Lernzielen des Bildungsangebots und der einzelnen Schritte aus.
Sie wechselt in Bezug auf die Sozialformen sinnvoll zwischen eher kurzem geführtem und eher langem selbstverantwortlichem Lernen allein, zu zweit oder in Kleingruppen. Sie nutzt Phasen von selbstverantwortlichem Lernen dazu, die einzelnen Lernenden oder Kleingruppen in ihrem Lernprozess zu unterstützen, aber auch dazu, in den Hintergrund zu treten und die Lernenden allein arbeiten zu lassen. Solche Phasen kann die TrainerIn dazu nutzen, ihre bisherige Gestaltung der Lernumgebung zu reflektieren und gegebenenfalls die geplante Fortsetzung anzupassen und vorzubereiten.
Die TrainerIn berücksichtigt das Alter der Lernenden und ihren Bildungsstand in Kinästhetik. Erfahrungsgemäß brauchen Jugendliche mehr und schnellere Wechsel der Sozialformen und Methoden, um nicht gelangweilt zu werden. Lernende, die schon einige Kinästhetik-Bildungsangebote besucht haben, sind z. B. eher fähig, länger in eine Bewegungserfahrung einzutauchen oder sich selbstständig mit einer längeren Aufgabe auf der Grundlage der Lernspirale zu beschäftigen. Zudem können genau solche Themen Lernziele oder angestrebte Kompetenzen für fortgeschrittene Lernende sein.

2.4.4 Die Gestaltung der Lernumgebung an den Verlauf der Lernprozesse anpassen

2.4.4.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Aus einigen vorausgehenden Grundprinzipien ergibt sich die Notwendigkeit der Prozessorientierung der Gestaltung der Lernumgebung. Anpassungen an den Verlauf der Lernprozesse können selten jeder einzelnen Lernenden gerecht werden. Für die eine Person könnte auf einen nächsten methodischen Schritt verzichtet werden, für die andere nicht, die eine Person würde lieber allein weiterarbeiten, die andere in der Gruppe, der einen Person geht es zu schnell, der anderen zu langsam, die eine bräuchte mehr Pausen, die andere weniger usw. Dennoch kann Lernen dadurch unterstützt werden, dass prozessorientierte Anpassungen mit einem intuitiven Blick auf den Lernprozess der gesamten Gruppe der Lernenden in Bezug auf ihre Erreichung der Lernziele und Kompetenzen erfolgen.
Prozessorientierte Anpassungen können im Großen auf der Ebene der Strukturierung bzw. der Wahl von Methoden und Sozialformen erfolgen. Desgleichen gilt es, in den einzelnen Schritten auf den Rhythmus der Gestaltung der Lernumgebung zu achten. Die Rhythmisierung, d. h. die Gestaltung eines Schrittes in Bezug auf Dauer, Tempo und Gewichtung der Lerninhalte, kann bewusst an die Qualität der Lernprozesse angepasst werden. In der Kinästhetik ist dies eine besondere Herausforderung bei der Anleitung von Bewegungserfahrungen. Es geht dabei um die nur intuitiv beantwortbaren Fragen, wie lange die Lernenden die Konzentration auf die eigene Bewegungswahrnehmung halten können und wann sie eine nächste Anleitung brauchen.
Für alle Beteiligten ist es befriedigender, wenn Lernziele mit mehr zeitlichem Aufwand als geplant erreicht werden, als wenn ein Lernprozess aus zeitlichen Gründen stark verkürzt oder weit vor seinem befriedigenden Abschluss abgebrochen wird. Oft bleibt bei den Lernenden im zweiten Fall nur Verwirrung und Frustration zurück, worum es dabei gegangen ist.
Wenn die TrainerIn langsamer als geplant vorankommt, muss sie sich überlegen, welche weiteren Lernschritte hinsichtlich der angestrebten Lernziele und Kompetenzen unverzichtbar sind und wie sie ihre Planung entsprechend anpassen kann.
Auch wenn solche Anpassungen im Kleinen und im Großen die Qualität der Lernprozesse fördern, ist es wichtig, dass die angesetzten Zeiten für Beginn, Pausen und Ende sowie andere Fixpunkte wie Praxissequenzen oder Morgen- und Abendrunden den Lernenden eine verlässliche und verbindliche Orientierung geben. Ebenso gilt es, den Lernenden insbesondere beim selbstständigen Arbeiten in geeigneter Weise in Erinnerung zu rufen, wie viel Zeit für den aktuellen Lernschritt noch zur Verfügung steht oder um wie viel Zeit er verlängert wird.

2.4.4.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn beobachtet den Verlauf der Lernprozesse und schätzt ihre Qualität in Bezug auf die Zielerreichung ein. Sie nutzt dazu auch kleine Zwischengespräche oder kurze Bewegungserfahrungen mit den Lernenden.
Je nach ihrer Einschätzung nimmt sie Anpassungen oder Umstellungen auf der Ebene der Strukturierung, der Wahl von Methoden oder Sozialformen oder auch der Rhythmisierung usw. vor. Sie verkürzt oder verlängert Schritte bzw. verlangsamt oder beschleunigt den Rhythmus ihrer Gestaltung der Lernumgebung.
In Anleitungen von Bewegungserfahrungen schätzt sie fortlaufend ein, wie der Rhythmus ihrer Anleitungen den Lernenden hilft, ihre Achtsamkeit auf sich selbst zu halten und die Unterschiede des betreffenden Blickwinkels zu erfahren, und passt ihre Rhythmisierung gegebenenfalls an.
Wenn die zur Verfügung stehende Zeit knapp wird, überlegt sie sich in Bezug auf die angestrebten Lernziele und Kompetenzen, welche geplanten Schritte unverzichtbar sind und bei welchen Schritten es vertretbar ist, sie in einer immer noch stimmigen Minimalvariante zu gestalten oder auf sie zu verzichten. Wenn es den Lernenden hilft, sich im Ablauf zu orientieren und ihn zu verstehen, erklärt und begründet sie ihre Anpassungen. Sie erinnert die Lernenden in passenden Momenten an die vorgesehene oder angepasste Zeitplanung.

2.4.5 Fachsprachliche Dokumentation, Reflexion und zyklische Selbstevaluation der Lernprozesse ermöglichen

2.4.5.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Ein Beitrag dazu, dass die Lernenden bewusst und nachhaltig lernen, kann dadurch geleistet werden, dass sie ihre Lernprozesse unter Verwendung der Fachsprache dokumentieren. In der Kinästhetik haben insbesondere die Lernprozesse in Bewegungserfahrungen einen flüchtigen Charakter. Deshalb unterstützt es das Lernen, wenn sie zeitnah in geeigneter Form dokumentiert werden.
Den förderlichen zyklischen Charakter des Lernens macht wesentlich aus, dass die Lernenden regelmäßig ihre Lernprozesse bis zum aktuellen Zeitpunkt reflektieren, evaluieren und so die Abfolge von zusammengehörigen Lernschritten im Kreis schließen. In der Kinästhetik sind Reflexion und Selbstevaluation stehende Elemente der Gestaltung der Lernumgebung. Oft wird dazu der Vergleich mit der persönlichen Ausgangslage herangezogen.
Die Lernenden halten dabei fest, wie weit sie die angestrebten Kompetenzen und Lernziele erreicht haben. Sie ermitteln ihre Lernfortschritte im Vergleich mit ihrer Ausgangslage, aber auch Vertiefungsmöglichkeiten, den weiteren Lernbedarf und offene Fragen. Sie verknüpfen diese Reflexionen und Selbstevaluationen mit ihren Praxisthemen bzw. der Bedeutung für ihren beruflichen oder privaten Alltag. Dies trägt dazu bei, dass sie bis zur nächsten Reflexion und Selbstevaluation motiviert, gezielt und nachhaltig weiterlernen können.
Die regelmäßigen Dokumentationen, Reflexionen und Selbstevaluationen leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die Lernenden die Fachsprache der Kinästhetik bewusst und differenziert verwenden lernen.

2.4.5.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn ermöglicht den Lernenden, ihre Lernprozesse regelmäßig zu dokumentieren. Sie ermöglicht ihnen, durch regelmäßige individuelle Reflexionen und Selbstevaluationen ihren aktuellen Stand mit ihrer Ausgangslage zu vergleichen.
Sie lässt die Lernenden einschätzen, wie weit sie die angestrebten Kompetenzen und Lernziele erreicht haben und wo weiterer Lern- und Vertiefungsbedarf oder offene Fragen bestehen. Sie gibt ihnen die Möglichkeit, z. B. mit dem Instrument der Bildungsfelder festzustellen, wo sie innerhalb oder außerhalb der angestrebten Ziele wichtige Lernprozesse gemacht haben. Sie lässt die Lernenden festhalten, welche Bedeutung ihre Lernprozesse für die Situationen ihrer Lebenswelt haben.
Sie unterstützt die Lernenden, bei der Dokumentation, Reflexion und Selbstevaluation die kinästhetische Fachsprache treffend zu verwenden.

2.4.6 Fremdeinschätzung durch Bewegungsinteraktion, Austausch und Reflexion ermöglichen

2.4.6.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Die regelmäßigen zyklischen Reflexionen und Selbstevaluationen können durch Fremdeinschätzungen wesentlich unterstützt werden. Sie ergänzen die Beurteilung des eigenen Lernprozesses durch die Außenperspektive anderer Personen. Oft fällt es diesen insbesondere leichter, die Lernfortschritte klar herauszustellen und zu würdigen. Ihre Perspektive kann aber auch dabei helfen, die Einschätzung des weiteren Lernbedarfs zu ergänzen.
In der Kinästhetik ist dabei die Bewegungsinteraktion von besonderer Bedeutung. Für die TrainerIn ist sie der geeignetste Weg, um die Bewegungskompetenz von Lernenden und ihren Entwicklungsbedarf einschätzen zu können. Auch durch die Bewegungsinteraktionen mit anderen Lernenden und die anschließenden gemeinsamen Reflexionen erhalten Lernende auf der Grundlage der konkreten Erfahrung Hinweise darauf, wie differenziert und angepasst sie ihre Bewegungskompetenz in Interaktionen über Berührung und Bewegung einsetzen.
Durch die Bewegungsinteraktion, den Austausch und die gemeinsame Reflexion mit anderen Teilnehmenden oder der TrainerIn wird die Selbstevaluation unterstützt. Die daraus entstehenden Unterschiede der Wahrnehmungen, Erfahrungen und ihrer Beschreibung können helfen, die eigenen Lernprozesse aus anderen Perspektiven zu reflektieren, zu evaluieren und präziser zu beschreiben.
Allgemein sind der Austausch und die gemeinsame Reflexion von Lernschritten mit anderen Lernenden oder mit der TrainerIn eine Möglichkeit, dass Lernende eine Fremdeinschätzung bekommen, die für das eigene Lernen förderlich sein kann.

2.4.6.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn ermöglicht den Lernenden, durch die gemeinsame Reflexion von Lernschritten und insbesondere durch den Austausch und die gemeinsame Reflexion nach Bewegungsinteraktionen Unterschiede der Erfahrungen und ihrer Beschreibung festzustellen sowie eine Fremdeinschätzung zu erhalten. Sie selbst nutzt dazu die Interaktion über Berührung und Bewegung mit möglichst allen Lernenden, Rückmeldungen in konkreten Praxissituationen oder auch Einzel- und Gruppengespräche.
Sie macht den Lernenden durch ihre Fremdeinschätzung sachbezogen und wertschätzend deutlich, wie weit sie die angestrebten Ziele erreicht haben und auf welche Kriterien sie achten können, um weitere Lernfortschritte zu machen. Sie setzt sich dafür ein, dass sich auch die Lernenden gegenseitig sachbezogene und wertschätzende Rückmeldungen geben.

2.5 Lernen als sozialen Prozess ermöglichen

2.5.1 Einen wechselseitigen respektvollen Umgang fördern

2.5.1.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Ein Beitrag dazu, dass Lernende motiviert, ungestört und gerne lernen, kann dadurch geleistet werden, dass das gemeinsame Lernen durch einen wechselseitigen respektvollen Umgang geprägt wird. Dies gilt sowohl für den Umgang der TrainerIn mit den Lernenden als auch für den Umgang der Lernenden untereinander. Ist dies nicht der Fall, kann die Qualität der Lernprozesse stark beeinträchtigt werden.

2.5.1.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn respektiert die Persönlichkeit der einzelnen Lernenden und lebt einen respektvollen Umgang vor. Sie gibt in der gegebenen Situation zu erkennen, dass sie umgekehrt einen angemessenen Respekt erwartet. Sie thematisiert, wenn eine Situation dazu Anlass gibt, den Wert des wechselseitigen respektvollen Umgangs und trifft gegebenenfalls gemeinsam mit den Lernenden diesbezügliche Absprachen. Sie geht auf Störungen ein, ohne sie zuungunsten der Lernprozesse anderer Lernender überzubetonen.

2.5.2 Die Lernprozesse der Lernenden in den Mittelpunkt stellen

2.5.2.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Ein Beitrag dazu, dass Lernende intensiv lernen, kann dadurch geleistet werden, dass die Lernumgebung so gestaltet wird, dass die Lernprozesse der Lernenden und die gemeinsame Auseinandersetzung mit den Lerninhalten im Mittelpunkt stehen. Die TrainerIn unterstützt und begleitet dies in der Kinästhetik insbesondere mit ihrer Bewegungskompetenz.
Diese Zentrierung auf die Lernprozesse der Lernenden und das gemeinsame Lernen kann formal dadurch erreicht werden, dass trainerzentrierte Phasen der Gestaltung der Lernumgebung so kurz wie möglich gehalten werden. Inhaltlich kann es dadurch erreicht werden, dass die Gestaltung der Lernumgebung sach- und situationsbezogen ist und nicht die eigene Person, die eigene Kompetenz und das eigene Wissen in den Vordergrund stellt.

2.5.2.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn stellt in ihrer Gestaltung der Lernumgebung hauptsächlich den Lernenden Raum für ihre eigenen Lernprozesse und das gemeinsame Lernen zur Verfügung. Sie beschränkt Phasen, in denen sie im Mittelpunkt steht, auf das Nötige. Sie lässt die Lernenden erfahren, dass ihre Rolle hauptsächlich diejenige der kompetenten LernbegleiterIn ist.
Dazu setzt sie ihr Fachwissen und in Bewegungsinteraktionen insbesondere ihre Bewegungskompetenz ein. Sie vermeidet es, gegenüber anderen Meinungen oder Verhaltensweisen das eigene (Besser-)Wissen in den Vordergrund zu stellen, sondern argumentiert möglichst sachbezogen.

2.5.3 Lernen in Partner- und Gruppenarbeit fördern

2.5.3.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Lernen kann dadurch gefördert und erweitert werden, dass es sich in Partner- oder Gruppenarbeit vollzieht. Dadurch entstehen Unterschiede zu den eigenen Annahmen, Erklärungen, (Bewegungs-)Erfahrungen, Wahrnehmungen und ihrer sprachlichen und fachsprachlichen Dokumentation. Diese Unterschiede können helfen, das eigene Lernen und die eigenen Erkenntnisse zu reflektieren sowie gegenüber anderen Personen genauer und verständlicher zu beschreiben. Die eigenen Lernprozesse werden durch den Austausch und Abgleich erweitert und bereichert.

2.5.3.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn ermöglicht immer wieder Lernen zu zweit oder in Gruppen. Dieses betrifft insbesondere die Bewegungsinteraktion mit anschließender gemeinsamer Reflexion und fachsprachlicher Dokumentation. Die TrainerIn gibt den Lernenden ebenso die Möglichkeit zum Austausch über Annahmen, Erfahrungen und Erkenntnisse und deren Beschreibung. Sie unterstützt gegebenenfalls die Bildung von Lerngruppen, die gemeinsames Lernen in Bezug auf Praxis und Theorie pflegen.

2.5.4 Lernen durch Lehren fördern

2.5.4.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Ein Beitrag dazu, dass Lernende ihre Lernprozesse vertiefen, festigen und für andere strukturiert und verständlich aufbereiten, kann durch die Methode des Lernens durch Lehren geleistet werden. Seit der Antike wird der Ansatz „Durch Lehren lernen wir“ (Docendo discimus) vertreten. Die Methode trägt dazu bei, dass sich Lernende mit den Lerninhalten und -zielen persönlich identifizieren und sie selbst und nicht die TrainerIn im Mittelpunkt stehen (vgl. oben).
Das Gruppenpuzzle ist eine hervorragende Methode dazu, dass Lernen durch Lehren allein und gemeinsam vorbereitet, durchgeführt und reflektiert wird. Lernen durch Lehren kann in der Kinästhetik insbesondere für unterschiedliche Anleitungssituationen in Übereinstimmung mit den entsprechenden angestrebten Kompetenzen und Lernzielen verwendet werden.

2.5.4.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn ermöglicht den Lernenden, Themen vorzubereiten, die in Bezug auf die angestrebten Kompetenzen und Lernziele geeignet sind, und zu diesen Themen Lernumgebung für andere Lernende oder die ganze Gruppe zu gestalten. Sie sorgt dafür, dass den Lernenden die Lerninhalte und Materialien zur Verfügung stehen, und unterstützt gegebenenfalls die Lernenden in der Vorbereitung.
Sie ermöglicht den Lernenden, ihre Gestaltung der Lernumgebung für sich oder gemeinsam zu reflektieren, und achtet darauf, dass sie sachliche und wertschätzende Rückmeldungen erhalten. Sie verwendet das Gruppenpuzzle oder Lernen durch Lehren für unterschiedliche Anleitungssituationen, die für die Lebenswelt und für die Praxissituationen der Lernenden relevant sind.

2.6 Verständliche Aufgabenstellungen sowie Einrichtung, Materialien und Medien zweckdienlich zur Verfügung stellen

2.6.1 Anleitungen und Aufgabenstellungen klar und eindeutig gestalten

2.6.1.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Wie gezielt, konzentriert und der Absicht entsprechend sich Lernende mit den Lerninhalten auseinandersetzen können, ist davon abhängig, wie gut sie die Anleitungen und Aufgabenstellungen verstehen. Dies wird wesentlich davon beeinflusst, wie verständlich und eindeutig diese formuliert, erklärt und gestaltet werden.
Deshalb ist es wichtig, Aufgabenstellungen wohlüberlegt und sorgfältig zu formulieren und darzustellen. Ebenso wichtig ist sicherzustellen, dass die Lernenden die Aufgabenstellung und ihre Absicht genau verstehen und wissen, was, weshalb, wozu und wie zu tun ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn Lernende mithilfe einer Aufgabenstellung selbstständig arbeiten.
In den Anleitungen von Einzel- oder Partnererfahrungen sind in den einzelnen Anleitungsaussagen die Klarheit und Verständlichkeit von besonderer Bedeutung. Je präziser die Lernenden verstehen, was sie tun und auf welchen Blickwinkel sie dabei achten sollen, desto konzentrierter und differenzierter können sie die entsprechenden Unterschiede in sich wahrnehmen.
Die Präzision der Anleitungsaussagen erlaubt es, dass sich die Lernenden im Lauf der Anleitung auf längere Phasen der Eigenerfahrung einlassen können. Wenn immer wieder nachgefragt werden muss, wie die Anleitung gemeint ist und worauf geachtet werden soll, fällt die fragende Person und die ganze Gruppe aus ihren Erfahrungen und ihrer Achtsamkeit.

2.6.1.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn formuliert, erklärt und gestaltet ihre Anleitungen und Aufgabenstellungen wohlüberlegt und möglichst klar und eindeutig. Sie erklärt möglichst genau, was, weshalb, wozu und wie zu tun ist.
Wenn möglich, verdeutlicht sie die Aufgabenstellung und ihre Absicht mit unterschiedlichen Darstellungsformen (mit kleinen beispielhaften Bewegungsanleitungen, schriftlich, mündlich, symbolisch, bildlich, mit Beispielen).
Dies leistet einen wertvollen Beitrag dazu, das Verständnis der Aufgabenstellung bei den Lernenden sicherzustellen. Die TrainerIn ermöglicht den Lernenden insbesondere beim selbstständigen Arbeiten, sich jederzeit die Aufgabenstellung bewusst zu machen.
In Anleitungen von Bewegungserfahrungen schätzt sie fortlaufend ein, wie ihre Anleitungsaussagen und deren Rhythmus den Lernenden helfen, ihre Achtsamkeit auf sich selbst zu halten und die Unterschiede des betreffenden Blickwinkels wahrzunehmen.
Gegebenenfalls passt sie ihre Formulierungen und Aussagen an. Sie achtet insbesondere bei der Anleitung von längeren Phasen der Eigenerfahrung darauf, dass die Lernenden möglichst genau wissen, wie sie auf welche Unterschiede in ihrer Bewegungswahrnehmung achten sollen.

2.6.2 Zweckdienlich Materialien bereitstellen und den Schulungsraum einrichten

2.6.2.1 Lerntheoretische Überlegungen und Annahmen

Ein Beitrag zu einer lernfördernden Atmosphäre und zu einer leichten und flüssigen Organisation der Gestaltung der Lernumgebung kann dadurch geleistet werden, dass die Einrichtung des Schulungsraumes sowie die Lern-, Unterrichts- und Moderationsmaterialien oder Medien zweckdienlich vorbereitet sind.
Sie sollen für die Benutzung leicht zur Verfügung stehen.
Flipcharts o. Ä. mit wenigen Stichworten oder bildlichen Darstellungen können spontan gestaltet werden. Wenn sie einen umfänglicheren Inhalt haben (Zeitplanung, Strukturen/Abläufe, Aufgaben usw.), ist es empfehlenswert, sie vorzubereiten oder vorgedruckte Materialien zu verwenden, damit nicht Zeit unnötig verloren geht.
Damit bestimmte Informationen oder Dokumentationen von Lernprozessen den Lernenden jederzeit zur Verfügung stehen, können sie im Schulungsraum gut sichtbar aufgehängt werden.
Zu beachten ist ein gewisses Maß an Materialien und Medien: Die Gestaltung der Lernumgebung wird nicht desto besser, je mehr Materialien und Medien zum Einsatz kommen.

2.6.2.2 Pädagogisch-didaktische Umsetzung

Die TrainerIn stellt vor dem Bildungsangebot die benötigten Materialien und Medien zusammen. Sie richtet den Schulungsraum so ein, dass sich die Lernenden willkommen und in lernfördernder Atmosphäre fühlen können.
Alle benötigten Materialien und Medien sollen zweckdienlich bereitgestellt und für alle Beteiligten leicht zugänglich sein. Die TrainerIn kann z. B.:
• Stühle, Matten, Unterrichtsmaterial pro Teilnehmende bereitstellen,
• einen Tisch mit Büchern/Infomaterial vorbereiten,
• Pinwände aufstellen und vorgedruckte Lehrmaterialien aufhängen,
• Geräte zum Abspielen von Videos oder Tonaufnahmen einrichten,
• Moderationsmaterialien und anderes Material wie Dokumentationswerkzeuge, Schreibzeug, Blocs, Betten usw. bereitstellen.
Sie achtet dabei auf ein angemessenes Maß an Materialien und Medien.

3 Glossar der pädagogischen Fachbegriffe

Pädagogik
Pädagogik ist ein Wissenschaftszweig, der die Theorie und Praxis der Erziehung und Bildung zum Thema hat. Der Begriff Erziehungswissenschaft wird gleichbedeutend oder als pädagogischer Teilbereich, der sich auf die Erziehung fokussiert, verwendet. Aus herkömmlicher Perspektive betrifft die Pädagogik Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen, im heutigen Verständnis schließt sie Erziehungs- und Bildungsfragen in Bezug auf Menschen jeden Alters ein. In expliziter Abgrenzung wird in diesem Zusammenhang u. a. der Begriff Erwachsenenbildung verwendet.
Didaktik
Didaktik ist die wissenschaftliche Lehre vom Lehren und Lernen. Sie gilt als ein zentraler Teilbereich der Pädagogik. Im herkömmlichen Sinn bezeichnet sie die Lehre des Unterrichtens, im heutigen Sinn umfasst sie die Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens, weil diese beiden Themen als untrennbar verbunden betrachtet werden.
Es kann zwischen allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik(en) unterschieden werden. Die allgemeine Didaktik befasst sich mit Lehren und Lernen unabhängig von Lerninhalten oder -themen bzw. von Fächern oder Fachgebieten. Aufgrund des Fehlens einer allgemein anerkannten umfassenden Lerntheorie bzw. der Abhängigkeit der allgemeinen Didaktik vom zugrunde liegenden Lernverständnis gibt es unterschiedliche allgemeindidaktische Modelle oder Konzepte. Beispiele sind die konstruktivistische, evolutionäre oder lerntheoretische Didaktik. Fachdidaktiken befassen sich mit Lehren und Lernen in Bezug auf spezifische Fächer, Fachgebiete oder Lerninhalte.
Methodik
Methodik ist die wissenschaftliche Lehre von geregelten, planmäßigen Verfahrens- oder Vorgehensweisen des Lehrens bzw. Lernens auf ein bestimmtes Ziel hin. Methodik ist ein pädagogischer Teilbereich, der je nach Auffassung von der Didaktik abgegrenzt oder ihr bei- oder untergeordnet wird. Die enge Verbindung der beiden Teilbereiche zeigt sich in den häufigen Fügungen „Methodik und Didaktik“ oder „methodisch-didaktisch“.
Die Methodik befasst sich mit der praktischen Vorgehensweise beim Lehren bzw. Lernen und der geregelten Abfolge der einzelnen Schritte zur Zielerreichung. Ihre Themen sind weitreichend und umfassen z. B.:
• Unterrichtsmethoden wie Frontal-, Werkstatt- oder Projektunterricht,
• Sozial- und Arbeitsformen wie Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit sowie konkretere methodische Großformen wie Gruppenpuzzle, Rollenspiel oder in der Kinästhetik Lernzyklus oder Lernspirale,
• den Einsatz von Arbeitsunterlagen, Unterrichtsmaterialien und Medien.
Es existieren unterschiedliche Systematisierungen der Methodik, da sie vom jeweiligen pädagogischen Betrachtungswinkel abhängig sind.
Lernumgebung, Gestaltung der Lernumgebung
Traditionell werden unter Lernumgebung oder Unterrichtskontext vorgegebene Faktoren verstanden, die die Rahmenbedingungen der Lehr- und Lernprozesse bilden. In der Kinästhetik und vermehrt in der modernen Pädagogik (z. B. bei Diethelm Wahl) werden die Begriffe Lernumgebung und Gestaltung der Lernumgebung in dem Sinn verwendet, dass Lernen immer ein selbstgesteuerter innerer Prozess ist, auf den von außen nicht direkt ursächlich oder kausal eingewirkt werden kann. Deshalb werden in der Kinästhetik diese Begriffe zur Bezeichnung des Unterrichts bzw. des Unterrichtens oder der Lehrtätigkeit verwendet.
Kompetenz
Kompetenz wird in der Pädagogik unterschiedlich definiert. Im Sinn von tauglichen Kurzdefinitionen kann sie als die erlernte Fähigkeit zu einem erfolgreichen Verhalten in der Praxis, zur Problemlösung oder auch als die Disposition zur Praxisbewältigung umrissen werden. Sie setzt sich in diesem Sinn aus Wissen, Können/Handeln und Wollen zusammen. Entsprechend werden Kenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen als Kompetenzressourcen bezeichnet. In ihrem Zusammenspiel – und nicht in ihrer Summe – bilden sie die Grundlagen von Kompetenzen. Bestimmte Definitionen des Kompetenzbegriffs weisen zusätzlich auf motivationale und soziale Aspekte des Kompetenzbegriffs hin.
Eine gewisse Übereinstimmung aktueller Kompetenzdefinitionen besteht darin, dass sich Kompetenz in unterschiedlichen Situationen aus einem Bereich der Lebenswelt zeigt. Das kompetente Verhalten in einer bestimmten konkreten Situation wird dabei von einigen AutorInnen als Performanz bezeichnet und vom Kompetenzbegriff abgegrenzt. Aktuelle Curricula bauen sehr oft auf dem Verständnis des Kompetenzbegriffs auf und beschreiben im Kern die angestrebten Kompetenzen und Kompetenzressourcen in bestimmten Handlungsfeldern und ihren Situationen.
Eine aktuelle Kompetenzdefinition, an der sich die Weiterentwicklung der Curricula der Bildungsangebote der European Kinaesthetics Association orientiert, ist diejenige von Gianni Ghisla:
„Als Kompetenz wird zuerst einmal die Fähigkeit von individuellen oder kollektiven Subjekten verstanden, eine Klasse von Situationen, allenfalls eine einzelne Situation, erfolgreich zu meistern und somit eine Tätigkeit zu vollziehen. Um in Situationen kompetent zu sein, bedarf es der Aktivierung von individuellen oder gruppengebundenen Ressourcen, nämlich von Kenntnissen, Fähigkeiten und Haltungen.“ (Ghisla 2008, S. 21)
„Die Kompetenz liegt also nicht einfach in den Ressourcen (Kenntnis, Fähigkeiten und Haltungen), aus denen sie in der jeweiligen Situation entsteht und auch nicht in der Summe, sondern im Akt der kreativen und funktionalen Kombination und Mobilisierung dieser Ressourcen in Situationen.“ (Ghisla 2008, S. 24 f.)
Lernziel
Lernziele sind die angestrebten Ziele des Lernens. Da Lernen ein zielorientierter innerer Prozess ist, sind die individuellen Lernziele der einzelnen Lernenden ausschlaggebend. Im Idealfall können sich Lernende mit von außen vorgegebenen oder vorgeschlagenen Lernzielen identifizieren.
Aufgrund ihres Abstraktionsgrades kann zwischen Leit- oder Richtzielen, Grob- und Feinzielen unterschieden werden. Ausgehend vom Kompetenzbegriff können Lernziele bestimmte Kompetenzen oder zugrunde liegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen betreffen. Gängig ist die entsprechende Unterscheidung zwischen kognitiven, psychomotorischen und affektiven Lernzielen. Im Bereich des Wissens hat sich die Taxonomie der kognitiven Lernziele nach Bloom als hilfreich und sinnvoll erwiesen.
Klar definierte und den Lernenden bekannte Lernziele mit ihren Beurteilungskriterien sind für die faire Überprüfung ihrer Erreichung elementar.
Lerninhalt
Lerninhalt bezeichnet den Gegenstand des Lernens oder das Thema, mit dem sich Lernende auseinandersetzen. Dabei kann es um theoretische oder praktische Inhalte gehen. Bis weit ins 20. Jahrhundert orientierten sich Lehrpläne an den Inhalten und Stoffen. Sie schrieben vor, welche Inhalte wann zu behandeln waren. Viele Inhalte wurden als Wert an sich betrachtet (z. B. Goethe, Faust). Welche Lernziele oder Kompetenzen die Auseinandersetzung mit ihnen verfolgte, war im Gegensatz zu heute nicht oder kaum Thema.
Lernprozess
Lernprozess bezeichnet den Vorgang oder Verlauf des Lernens.
Sozialform
Sozialform ist ein didaktischer Fachbegriff. Er beschreibt die Möglichkeiten der Beziehung oder Interaktionen, in der Lernende untereinander bzw. zu den Lehrenden in den einzelnen Phasen eines Lernprozesses stehen. Es kann zwischen Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit (immer mit oder ohne Betreuung durch Lehrende auf Anfrage) und Klassenunterricht unterschieden werden. Auch im Klassenunterricht kann die Sozialform unterschiedlich ausgestaltet werden (Lehrvortrag, Präsentation von Lernergebnissen durch Lernende, offene Diskussion usw.).
Konstruktion, Wissenskonstruktion
Im Rahmen der Erkenntnistheorie bezeichnet Konstruktion eine grundlegende kybernetische Annahme, wie der Mensch Informationen verarbeitet. Sie geht davon aus, dass Reize jeglicher Art (physikalische, chemische usw., innere, äußere) vom Menschen bzw. von seinen körperlichen Rezeptoren nicht in einem objektiven Sinn wie von einem technischen Aufnahmegerät registriert oder abgebildet werden. Vielmehr werden sie von jedem einzelnen Individuum subjektiv und gemäß seinem eigenen Funktionieren errechnet oder konstruiert – oder auch nicht oder höchstens unterbewusst wahrgenommen. Das bedeutet, dass sie in die individuellen Strukturen der eigenen Erfahrung und des eigenen Wissens eingebettet werden. In diesem Zusammenhang wird der Begriff Wissenskonstruktion verwendet.
Rhythmus, Rhythmisierung
In der Pädagogik werden die Begriffe Rhythmus und Rhythmisierung insbesondere im Kontext von Ganztagesschulen verwendet. Dabei geht es darum, Tagesabläufe z. B. mit stehenden Elementen des Ein- und Ausstiegs oder dem Wechsel von Arbeits- und Erholungsphasen oder der Sozialformen an die Zielgruppe angepasst zu gestalten. Der Begriff Rhythmisierung kann auch für die Gestaltung einer Lernsequenz in Bezug auf die Dauer, das Tempo und die Gewichtung der einzelnen Lernschritte der gesamten Lernsequenz verwendet werden. In der Kinästhetik spielt die Rhythmisierung in diesem Sinn insbesondere in Anleitungen zu Bewegungserfahrungen eine wichtige Rolle.

4 Anhang: Kurzfassung

Die Kurzfassung der pädagogisch-didaktischen Grundprinzipien der Kinästhetik ist ein auf das Wesentliche beschränkter Kriterienkatalog zur Beurteilung und Evaluation der eigenen oder fremder Gestaltung der Lernumgebung in Kinaesthetics-Bildungsangeboten. Sie steht auch als gesonderte Publikation zur Verfügung.
1 Lernen als aktiven, konstruktiven und selbstgesteuerten Prozess ermöglichen.png
2 Lernen als sinnhaften und zielorientierten Prozess ermöglichen, der auf den persönlichen Voraussetzungen aufbaut.png
3 Lernen als strukturierte, prozessorientierte und reflektierte Entwicklung ermöglichen.png
4 Lernen als sozialen Prozess ermöglichen.png