Zirkularität

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AutorIn/RedakteurIn N. N./N. N.
Letzte Änderung 26.11.2019


Infobox zu zirkulären Wirkungszusammenhängen in „Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz“

Das folgende Zitat stammt aus dem Buch „Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz“, das als Arbeitsunterlage in Kinaesthetics-Aufbaukursen verwendet wird. Das Zitat ist in das vierte Kapitel „Theoretische Grundlagen von Kinaesthetics“ eingebettet. Die vorausgehenden Unterkapitel „Leben bedeutet Bewegung“ und „Schwerkraft und Bewegung“ beleuchten die grundlegende Bedeutung der Bewegung und der Schwerkraft für das Leben. Das Zitat ist der Text einer Infobox „Zirkulärer Wirkungszusammenhang“ des dritten Unterkapitels „Zirkuläre Selbstregulationsprozesse als Grundlage des menschlichen Verhaltens“.

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„In einer Interaktion mit einer PartnerIn beeinflusst das Verhalten einer Person (A) fortlaufend das Verhalten der anderen Person (B). Gleichzeitig wirkt das Verhalten der InteraktionspartnerIn (B) fortlaufend auf das Verhalten der ersten Person (A) zurück. Dabei wird weder das Verhalten der ersten Person durch das Verhalten der zweiten Person bestimmt oder determiniert noch umgekehrt. Bei einer solchen Rückkoppelung – hier von zwei Elementen – macht das klassische Erklärungsmuster keinen Sinn, weil eine Person in einer Interaktion sozusagen ebenso sehr Ursache wie Wirkung ist. Auf dem zirkulären Wirkungszusammenhang zwischen drei Elementen, und zwar Motoren (A), Sensoren (B) und Rechnern (C), beruhen sich selbst steuernde, technische Systeme wie Roboter oder Heizsysteme mit Thermostat.“

Quelle: European Kinaesthetics Association (Hg.) (2020): Kinaesthetics. Lernen und Bewegungskompetenz. Linz, Winterthur: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-01-7. S. 44.

Zirkularität in „Kybernetik und Kinästhetik“

Das folgende Zitat stammt aus dem Buch „Kybernetik und Kinästhetik“. Es ist eingebettet in das dritte Kapitel „Der Kern: Feedback und Zirkularität“. Ihm voraus gehen die Unterkapitel „Selbstregulation durch Feedback“, „Wie funktioniert ein Heizsystem“ und „Ist-Wert, Soll-Wert und Rückkoppelung“. Das Zitat ist ein Ausschnitt aus dem vierten Unterkapitel „Zirkularität und Linearität“ und umfasst das fünfte Unterkapitel „Komplexe Anpassungsleistungen“. In diesem Kontext wird auch die oben abgebildete Grafik ähnlich erläutert.

„Ein sich selbst regulierendes System wie z. B. ein Heizsystem mit Thermostat muss hingegen zirkulär funktionieren:
* Die beiden Aktivitäten (‚on‘- oder ‚off‘-Betrieb) des Heizkessels A sind die Ursache der Anzeige des Sensors B, d. h. seines Verhaltens.
* Die Anzeige des Sensors B ist die ursächliche Grundlage der Berechnung des Unterschiedes zwischen Ist- und Soll-Wert und der daraus folgenden ‚Befehlsausgabe‘ durch den Rechner C an den Heizkessel A.
* Der Rechner C ist die Ursache dafür, dass der Heizkessel A an- oder abstellt.
* usw.
Durch die vorausgehende Formulierung soll gezeigt werden, warum die Kybernetik dieses Thema als einen ‚circular causal‘, d. h. ‚kreisförmig-ursächlichen‘ Mechanismus beschreibt. Zugleich mag man erahnen, dass kybernetisches Denken eine große Herausforderung darstellt und ein grundsätzliches Umdenken verlangt. Gemäß der Kybernetik beruht menschliches Verhalten auf einer fortlaufenden Fehlerkorrektur im Kreis und kann nicht durch bestimmte Ursachen begründet werden. Es unter dem Blickwinkel von Ursache und Wirkung, von linearen Zusammenhängen zu betrachten, greift zu kurz.
Gregory Bateson war als Anthropologe mit der Breite und der Geschichte des menschlichen Denkens bestens vertraut. Er schreibt, dass es in diesem erwähnten Sinne seines Erachtens kein kybernetisches Denken vor dem Zweiten Weltkrieg gibt. (Bateson 1987, S. 129, S. 132)
Unterschiede spielen in Regelkreisen oder Feedback-Schleifen eine entscheidende Rolle. Die Bedeutung von Unterschieden im Rahmen der menschlichen Feedback-Kontrolle sowie der Lern- und Erkenntnistheorie wird im Kapitel 6.2 dargestellt.
3.5. Komplexe Anpassungsleistungen
Norbert Wiener beschrieb schon früh das Aufheben eines Bleistifts als einen Prozess, der nur durch Zirkularität erklärbar ist (vgl. Infobox S. 26). Er bezeichnete das Prinzip der Rückkoppelung als ‚einen wichtigen neuen Gedanken‘ der Neurophysiologie und erklärte frühere lineare Erklärungen als unhaltbar. Sie gingen davon aus, dass das Nervensystem als abgeschlossenes Organ ‚von den Sinnen Signale empfängt und diese in die Muskeln entlädt‘. Das Gehirn gibt in kybernetischem Denken nicht den Befehl dazu, einen Bleistift aufzuheben (Ursache), woraus folgt, dass der Arm gehorcht (Wirkung). Vielmehr beruht diese Aktivität auf Regelkreisen oder Feedback-Schleifen, welche die Elemente des Nerven-, Bewegungs- und Sinnessystems zirkulär verbinden. Eine grundlegende Rolle für das ganze Wahrnehmungssystem spielt dabei der kinästhetische oder propriozeptive Sinn (vgl. auch Infobox S. 56).
Mit diesen Überlegungen zeigt sich ein wichtiger Unterschied zwischen dem Menschen und dem Beispiel der Heizung. Bei dieser handelt es sich um ein sehr träges System. Im Vergleich zu den fast unmittelbar und ohne erfahrbare Verzögerung funktionierenden Feedback- Kreisläufen, auf denen das Aufheben eines Bleistiftes beruht, arbeitet ein Heizsystem in einem extremen Schneckentempo und weist keine komplexen Anpassungsleistungen auf.“

Quelle: European Kinaesthetics Association (Hg.) (2020): Kybernetik und Kinästhetik. Unter Mitarbeit von Stefan Marty-Teuber und Stefan Knobel. Linz, Winterthur, Siebnen: Verlag European Kinaesthetics Association, verlag lebensqualität. ISBN: 978-3-903180-22-2 (Verlag European Kinaesthetics Association) ISBN: 978-3-906888-02-6 (verlag lebensqualität). S. 23–24.

Vergleiche auch

Lineare Kausalität
Feedback-Control-Theorie