KOFL:ABAB-Artikel-kahe

Aus Kinaesthetics-Online-Fachlexikon
Status in Arbeit
AutorIn/RedakteurIn Stefan Marty-Teuber
Letzte Änderung 04.12.2024

Einleitung

Die AusbilderInnen in Ausbildung (ABAB) verfassen einen KOFL-Fachartikel im Rahmen ihres Lehrgangs, und zwar in Zusammenarbeit mit dem Chefredakteur und begleitet von einer KOFL-RedakteurIn. Diese Seite dient dazu, dass ihre Artikel in den Stadien ihrer Entwicklung eingesehen werden können.

Der schriftliche Beschreibung des Auftrags findet sich ABAB-Lehrgang-Schriftl-Arbeit-KOFL.pdf.

Bewegungselemente (kahe)

Status vorläufig abgeschlossen
AutorIn/RedakteurIn Helene Kappenthuler, Stefan Marty-Teuber/Dagmar Panzer
Letzte Änderung 04.12.2024


Zusammenfassung:
Dieser Artikel behandelt MEIN TEXT

Aktuelle Verwendung des Fachbegriffs

„Bewegungselemente“ in „Kinaesthetics – Konzeptsystem“

Einbettung der Bewegungselemente in das Konzept „Interaktion“

Im Buch „Kinaesthetics – Konzeptsystem“[1] ist Interaktion das erste beschriebene Konzept. In diesem Konzept geht es um die Wechselbeziehung von HandlungspartnerInnen. Wie sich aus der Einleitung des Buches zu seinem Aufbau[2] erschließen lässt, spielen die erfahrbaren Aspekte, die in der Gestaltung einer Beziehung zusammenspielen, eine zentrale Rolle. In der Kinästhetik werden unter dem Begriff Interaktion sowohl die Wechselbeziehung zwischen zwei Lebewesen als auch Interaktionen innerhalb eines Lebewesens verstanden. Kommunikation ist das genannte Beispiel für diese Wechselbeziehung zwischen zwei Lebewesen. Allgemein wird zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation unterschieden. Das Fachgebiet der Kinästhetik beschäftigt sich hauptsächlich mit der Wahrnehmung, Beschreibung und Gestaltung der folgenden Arten von Interaktion.

*„Interaktion zwischen Teilen unseres Körpers in verschiedenen Aktivitäten.
* Interaktion zwischen Menschen durch Berührung und Bewegung.“ [3]

Dabei ist das zweite Unterthema „Bewegungselemente“ dieses Konzeptes von höchster Bedeutung, wenn es um die Gestaltung der Qualität unserer Interaktionen geht.

Das Unterthema „1.2 Bewegungselemente“

Die Bewegungselemente gestalten

Solange ein Mensch lebt, muss er sein Körpergewicht in der Schwerkraft „organisieren“[4]. Man könnte dies folgendermaßen erläutern: Diese Tatsache bedingt, dass er die Fähigkeit entwickelt, die Bewegung seiner Körperteile fortlaufend so zu regulieren, dass er einfache und komplexe Funktionen[5] bzw. Aktivitäten des täglichen Lebens meistern kann. Diese Regulation ist meistens wenig bewusst. Lenken wir die Achtung auf die Art und Weise, wie wir unsere Bewegung gestalten, bemerken wir, dass immer räumliche, zeitliche und Veränderungen der Anstrengung zusammenspielen. Die Gestaltung dieses Zusammenspieles ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Der grundlegende gemeinsame Nenner sind die sogenannten Bewegungselemente (Raum, Zeit und Anstrengung), die in jeder Aktivität zusammenspielen und sich beeinflussen.[6] Um dieses Zusammenspiel der Bewegungselemente differenziert betrachten zu können, werden diese einzeln beschrieben.

Die äußeren und die inneren Bewegungselemente

Da alle Aktivitäten, die ein Mensch gestaltet, im Kontext der jeweiligen Umgebung stattfinden, werden im Unterthema „Bewegungselemente“ die inneren und die äußeren Bewegungselemente unterschieden. Das Bewegungselement äußerer Raum meint den Platz, den ich als Mensch in meiner Umgebung zur Verfügung habe. Das kann z. B. ein schmales Bett von 90 cm sein. Ebenso wird damit neben den Gegebenheiten der Umgebung auch der Platz bezeichnet, den mir ein anderes Lebewesen durch sein Verhalten ermöglicht. Spricht man vom inneren Raum, geht es um die Bewegungsmöglichkeiten, welche mir durch die Beschaffenheit meiner Knochen, Gelenke, Muskeln sowie des Bindegewebes in der Bewegung zur Verfügung stehen beziehungsweise genutzt werden. Das Bewegungselement äußere Anstrengung meint die konstante Wirkung der Schwerkraft, die als Kraft auf den Menschen einwirkt. Ebenso bezeichnet das Bewegungselement äußere Anstrengung die Muskelkraft, mit der ein anderes Lebewesen auf den Menschen einwirkt. Spricht man von innerer Anstrengung, meint dies die Anstrengung in Form von Muskelspannung oder Muskelkraft, also die diesbezüglichen individuellen Möglichkeiten, die ein Mensch für seine Aktivitäten nutzt. Es geht um die quantitativen Aspekte menschlicher Anstrengung. Das Bewegungselement äußere Zeit meint die Zeit, die einem Menschen für bestimmte Tätigkeiten von außen vorgegeben wird. Das kann z. B. bei einem Kind der Fall sein, das drei Minuten seine Zähne putzen muss. Spricht man von der inneren Zeit, ist das Tempo oder die Geschwindigkeit gemeint, mit der ein Mensch eine Aktivität im gegebenen Moment gestaltet. [7] Jedem der Bewegungselemente sind Eigenschaften zugeordnet. So werden räumliche Eigenschaften mit den Stichworten Richtung, Entfernung und Reichweite beschrieben. Die Eigenschaften der Anstrengung sind erfahrbar durch quantitative Kraftunterschiede, also durch mehr oder weniger Anstrengung, die ich aufbaue oder auf mich trifft. Die Beschreibung der zeitlichen Eigenschaften betrifft die Fragen, in welcher Reihenfolge, in welcher Geschwindigkeit und über welche Dauer eine Aktivität stattfindet. Ausgehend von den verschiedenen Eigenschaften der drei Bewegungselemente ist die Qualität jeder Bewegung davon abhängig, wie ein Mensch diese im Moment an die Situation und äußere Gegebenheiten anpassen kann. Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Nimmt ein Mensch die einzelnen Bewegungselemente differenziert wahr und kann sie bewusst oder unbewusst vielfältig anpassen, zeigt sich dies in der Kompetenz, wie er seine alltäglichen Aktivitäten gestaltet. Äußere Umstände beeinflussen die Anpassungsvielfalt der drei Bewegungselemente in jedem Moment. Wie differenziert und wie vielfältig ein Mensch seine Bewegungselemente an die äußeren Gegebenheiten anpassen kann, zeigt sich in den Möglichkeiten, die er findet, um mit unterschiedlichen Umständen umzugehen. (Der letzte Abschnitt zur Begründung der Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Bewegungselementen fehlt. Es bräuchte nochmals eine Überschrift.)

Bedeutung der Bewegungselemente im ganzen Konzeptsystem

Interaktionsformen

Explizit aufgenommen werden die Bewegungselemente im darauf folgenden dritten Unterthema „Interaktionsformen“[8] des ersten Konzepts „Interaktion“. Hier wird einleitend die zwischenmenschliche Interaktion als ein Aufeinandertreffen zweier „Zeit-Raum-Anstrengungs-Systeme“[9] beschreiben, also zweier Systeme (im Sinn des kybernetischen Fachbegriffs), die sich grundsätzlich durch die Bewegungselemente Zeit, Raum und Anstrengung regulieren.

Die Interaktionsformen definieren sich durch die Unterschiede, wie sich die InteraktionspartnerInnen in einer Interaktion in Bezug auf die Bewegungselemente aneinander anpassen bzw. eine führende oder folgende Rolle übernehmen.

Allerdings verschwimmt genau dieser Unterschied des Führens und Folgens in der gleichzeitig-gemeinsamen Interaktionsform: Die InteraktionspartnerInnen passen ihre Bewegung kontinuierlich und wechselseitig so aneinander an, dass in ihrem Empfinden weder die eine noch die andere Person die Bewegungsgeschwindigkeit, die Nutzung der Bewegungsspielräume oder der Muskelkraft hauptsächlich bestimmt. Bei der einseitigen Interaktionsform übernimmt hingegen eine InteraktionspartnerIn die führende Rolle in Bezug auf die Bewegungselemente, bei der schrittweisen Interaktionsform wechselt dies zwischen den PartnerInnen hin und her.

Die Bewegungselemente bilden somit die Grundlage, um in einer Interaktion auf den Unterschied des Führens und Folgens bzw. auf die Interaktionsform achten zu können.

Konzept „Anstrengung“

Im „Kinaesthetics – Konzeptsystem“ findet das Stichwort Bewegungselemente nur noch im vierten Konzept „Anstrengung“[10] eine explizite Erwähnung. Hier wird in der allgemeinen Beschreibung des Konzeptes darauf verwiesen, dass im Rahmen des Unterthemas „1.2 Bewegungselemente“ die Unterscheidung zwischen dem inneren und äußeren Bewegungselement und „der quantitative Aspekt der inneren Anstrengung im Vordergrund“[11] stehe. Im Gegensatz dazu gehe es im vierten Konzept „Anstrengung“ um die qualitativen Aspekte, die durch das komplexe Zusammenspiel von Ziehen und Drücken erfahrbar seien.

Im Kapitel „4.1. Ziehen und Drücken“ werden diese qualitativen Aspekte unter direkter Bezugnahme auf die Bewegungselemente folgendermaßen erläutert:

„Je präziser wir das Wechselspiel von Ziehen und Drücken in Zeit, Raum und Quantität koordinieren, desto weniger Kraftaufwand ist nötig, um eine Aktivität auszuführen.“[12]

Als qualitativer Aspekt wird die Präzision des Wechselspiels von Ziehen und Drücken in den Dimensionen der Bewegungselemente erwähnt, wobei für das Bewegungselement Anstrengung zur besseren Abgrenzung der Begriff Quantität verwendet wird.

Bewegungselemente in allen Konzepten

In den übrigen Konzepten wird das Stichwort Bewegungselemente nicht explizit erwähnt. Klar ist, dass sie für alle Konzepte eine grundlegende Bedeutung haben. So wird z. B. das Zusammenspiel von Massen und Zwischenräumen durch Anpassungen der Bewegungselemente Zeit, Raum und Anstrengung gestaltet. Desgleichen werden von TrainerInnen oder AusbilderInnen z. B. parallele und spiralige Bewegungsmuster oder ebenso andere Konzepte und ihre Unterthemen in einen Zusammenhang mit den Bewegungselementen gebracht. Eine explizite Erwähnung finden Aspekte einzelner Bewegungselemente in verschiedenen Konzepten. Im Unterthema „2.4. Orientierung“ des zweiten Konzepts „Funktionale Anatomie“ wird Orientierung als die Fähigkeit bezeichnet, „sich im äußeren Raum und in der Zeit zurechtfinden zu können“[13]. In diesem Zusammenhang wird von der räumlich-zeitlichen Orientierungsfähigkeit gesprochen. Dieser wird die Fähigkeit gegenübergestellt,

„sich im eigenen Körper, im inneren Raum bzw. an den Sachverhalten der funktionalen Anatomie orientieren zu können. Diese körperliche Orientierungsfähigkeit setzt sich mit Fragen auseinander wie: ‚In welcher Position befindet sich unser Körper? Wie und mit welcher Anstrengung ist dabei die Gewichtsabgabe unserer Massen organisiert? Wie und in welche Richtung sollen wir unsere Körperteile bewegen, um ein Ziel zu erreichen?‘“[14]

Hier wird explizit auf den inneren Raum verwiesen und gleichermaßen die Anstrengung im Zusammenhang mit der Gewichtsorganisation erwähnt.

„Bewegungselemente“ in den Demenz-Aufbaumodulen

Einbettung der Bewegungselemente in die Demenz-Aufbaumodule

Die Bewegungselemente werden im Aufbaumodul Demenz 1 „Sich und die Welt wahrnehmen“[15] und im Aufbaumodul Demenz 2 „Sich in Beziehung erfahren“[16] thematisiert.

Im Aufbaumodul Demenz 1 sind die Bewegungselemente Thema des vierten Teils. Die betreffenden Ausführungen bauen auf den vorausgehenden drei Teilen „Erfahrbare Eigenschaften der Wahrnehmung“, „Kinästhetisches Sinnessystem“ und „Wahrnehmung und Bewegung als zirkulärer Prozess“ auf. Entsprechend werden die Bewegungselemente mit der Feedback-Control-Theorie verbunden und ihre Bedeutung hauptsächlich im Zusammenhang mit dem übergeordneten Thema „Sich und die Welt wahrnehmen“ aufgezeigt.

Im Aufbaumodul Demenz 2 werden die Bewegungselemente als zweiter Teil „Bewegungselemente als Grunddimensionen der Interaktionsgestaltung“ wieder aufgegriffen. Voraus geht der erste Teil „Beziehung und Beziehungsgestaltung“. Wie es die Überschrift und das übergeordnete Thema „Sich in Beziehung erfahren“ sagt, werden sie hier hauptsächlich aus der Perspektive der Beziehungs- und Interaktionsgestaltung beleuchtet.

Die Bewegungselemente im Aufbaumodul Demenz 1

Einführung

Im Aufbaumodul Demenz 1 „Sich und die Welt wahrnehmen“ werden die Bewegungselemente in „Teil 4: Die Bewegungselemente Zeit, Raum und Anstrengung“[17] folgendermaßen eingeführt:

„Grundlegende Elemente jeder Bewegung
Im vorausgehenden Teil 3 wurde deutlich, dass Wahrnehmen ein fortlaufender zirkulärer Prozess ist, der immer mit der eigenen Bewegung verbunden ist. Dabei stehen die Qualität der Bewegung und die Differenziertheit der Wahrnehmung in einem engen wechselseitigen Zusammenhang.
Bewegung bedeutet für den Menschen immer, angepasst an die Situation
  • die Bewegungsgeschwindigkeit zu regulieren (Zeit),
  • die räumliche Beziehung seiner Körperteile zu verändern (Raum) und
  • Muskelspannung aufzubringen (Anstrengung).
Während des ganzen Lebens gestaltet der Mensch in all seinen Aktivitäten – meistens unbewusst – das Zusammenspiel dieser drei Größen. Sie bilden die grundlegenden Elemente jeder Bewegung in der Schwerkraft und werden mit dem kinästhetischen Fachbegriff als Bewegungselemente bezeichnet. Die Qualität, in der wir unsere Bewegung an eine konkrete Situation anpassen, kann durch die Art und Weise dieses Zusammenspiels beschrieben werden.
Zugleich sind für jeden Menschen unter dem Blickwinkel der Bewegungselemente grundlegende Unterschiede mit seiner Bewegungswahrnehmung erfahrbar.“ [18]

Unter der Überschrift „Bedeutung für Menschen mit Demenz“[19] wird darauf hingewiesen, dass oft beobachtbar ist, dass Menschen mit Demenz die Bewegungselemente immer weniger differenziert und vielfältig nutzen. Dementsprechend nehmen sie ihre eigene Bewegung weniger differenziert wahr, was wiederum die weniger differenzierte Nutzung der Bewegungselemente verstärkt.

Unter der Überschrift „Bedeutung für die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz“[20] wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, in alltäglichen Unterstützungssituationen fortlaufend auf die Gestaltung der eigenen Bewegungselemente zu achten und sie den Möglichkeiten der betreffenden Person mit Demenz anzupassen. Die Absicht dabei sei, „die Person so zu unterstützen, dass sie diesbezüglich in ihrer eigenen Bewegung wieder mehr und differenziertere Möglichkeiten entdecken kann“[21].

Im Anschluss werden unter der Überschrift „Die Bedeutung der Bewegungselemente für Wahrnehmung und Praxis“ [22] die einzelnen Bewegungselemente und ihre jeweilige Bedeutung für die Person mit Demenz sowie Pflegende und Betreuende dargestellt.

Das Bewegungselement Zeit

Zum Bewegungselement Zeit wird festgehalten, dass es in der Geschwindigkeit der eigenen Bewegung erfahr- und beobachtbar sei. Im Vergleich mit den Erläuterungen im „Kinaesthetics – Konzeptsystem“ ist bemerkenswert, dass die dortigen Stichworte der individuell benötigten Zeit, der Eigenschaften der Reihenfolge, Geschwindigkeit und Dauer (vgl. oben) folgendermaßen präzisiert werden:

„Genauer ausgedrückt, geht es um die Fähigkeit des Menschen, die Bewegungsgeschwindigkeit der einzelnen Körperteile fortlaufend zu dosieren und an die jeweilige Aktivität anzupassen. Gesunden Menschen fällt es in der Regel ganz einfach, die Bewegung in alltäglichen Aktivitäten zu beschleunigen oder zu verlangsamen, wie es die Situation gerade erfordert.“[23]

Der Blickwinkel, wie schnell oder langsam eine Aktivität gestaltet wird oder wie lange sie dauert, wird somit dadurch präzisiert, dass man darauf achtet, wie man die eigene Bewegungsgeschwindigkeit fortlaufend situationsgerecht anpassen und verändern kann.

Auf der Bedeutungsebene wird anschließend darauf aufmerksam gemacht, dass gerade Menschen mit Demenz auf eine Unterstützung angewiesen sind, die sich an ihrem eigenen Bewegungstempo orientiert. Dies werde von Pflegenden und Betreuenden, die mit der Kinästhetik vertraut sind, „als Schlüssel einer wirklich gemeinsamen und wahrnehmungsfördernden Interaktion und Beziehungsgestaltung bezeichnet“[24].

Das Bewegungselement Raum

Das Bewegungselement Raum wird folgendermaßen beschrieben:

„Der räumliche Aspekt einer Bewegung ist durch Richtungsänderungen in und zwischen den Körperteilen erfahrbar und beobachtbar. Dabei geht es um die Art und Weise, wie der Mensch seine körperlichen Bewegungsspielräume nutzt. Grundlage des inneren Raums sind anatomische Gegebenheiten. Er wird aus der Innenperspektive durch individuelle Bewegungsmuster oder auch durch Schmerzsituationen beeinflusst. Aus der Außenperspektive spielen die Gestaltung der Bewegungsinteraktion bei einer Unterstützung und überhaupt das äußere, materielle „Platzangebot“ eine Rolle. Die Kompetenz eines Menschen, die Bewegungsrichtungen seiner Körperteile im Verlaufe einer Aktivität immer wieder anzupassen, ist eine wichtige Voraussetzung für alle alltäglichen Aktivitäten.“[25]

Im Vergleich mit dem „Kinaesthetics – Konzeptsystem“ wird das Bewegungselement Raum hauptsächlich als erfahr- und beobachtbar durch Veränderungen der Bewegungsrichtungen und durch die Nutzung der Bewegungsspielräume charakterisiert. Bemerkenswert ist der Hinweis, dass das Bewegungselement Raum aus der Perspektive der betreffenden Person durch ihre individuellen Bewegungsmuster oder Schmerzsituationen beeinflusst wird.

Auf der Bedeutungsebene wird die Beobachtung, dass Menschen mit Demenz die möglichen Bewegungsrichtungen zunehmend weniger vielfältig nutzen, durch ein einleitendes Beispiel veranschaulicht:

„Frau B. lässt sich zwar auf das Sofa auf dem Gang ihres Heims plumpsen, kommt aber kaum mehr hoch (Bewegungselement Zeit). Die einzige Richtung, in die sie es versucht, geht gerade nach vorne (Bewegungselement Raum). Manchmal wippt sie dreimal vor und zurück, um mit Schwung hochzukommen, aber es gelingt ihr nicht immer. [im Original kursiv]“[26]

Ebenso wird darauf hingewiesen, dass eine Unterstützung, dank der Menschen mit Demenz ihre Bewegungsspielräume sensibel wahrnehmen und somit ihr Körperbewusstsein verfeinern können, ihre allgemeine Entwicklung begünstigt.

Das Bewegungselement Anstrengung

Das Bewegungselement Anstrengung wird als erfahr- und beobachtbar durch Veränderungen der Muskelspannung charakterisiert. Ähnlich wie beim Bewegungselement Zeit wird dies durch den Hinweis präzisiert, dass es dabei um das fortlaufende Dosieren und Anpassen geht, hier also darum, die Muskelspannung situationsgerecht auf- und abbauen zu können. Zudem wird erwähnt, dass bei heraus- oder überfordernden Aktivitäten oft eine unbewusste oder sozusagen automatische, aber nicht hilfreiche Erhöhung der Muskelspannung beobachtbar ist.[27]

Auf der Bedeutungsebene wird die Beobachtung einer hohen Körperspannung bei Menschen mit Demenz erwähnt und wieder, dass eine entsprechend angepasste Unterstützung ihre allgemeine Entwicklung begünstigt.

Bewegungserfahrung: Zusammenhang zwischen Bewegungselementen und Bewegungswahrnehmung

Den Abschluss dieses Kapitels bildet eine Bewegungserfahrung, mit der die LeserIn in Bezug auf das übergeordnete Thema „Sich und die Welt wahrnehmen“ den Zusammenhang zwischen der unterschiedlichen Nutzung der Bewegungselemente und der Differenziertheit der Bewegungswahrnehmung in ihrem eigenen Körper erfahren kann:

„Probieren Sie es aus:
Legen Sie sich in Rückenlage und erhöhen Sie Ihre gesamte Körperspannung. Drehen Sie sich nun mit erhöhter Körperspannung in die Seitenlage. Wie differenziert können Sie dabei die Gewichtsverlagerungen Ihrer Körperteile wahrnehmen? Führen sie dieselbe Aktivität aus, indem Sie nun Ihre Muskelspannung möglichst angepasst regulieren. Vergleichen Sie, wie sich dieser Unterschied auf die Differenziertheit Ihrer Bewegungswahrnehmung auswirkt.
Verändern Sie nun in derselben Aktivität ein anderes Bewegungselement (Zeit oder Raum) und beobachten Sie, wie sich diese Veränderungen auf die Differenziertheit Ihrer Bewegungswahrnehmung auswirken. [im Original kursiv]“[28]

Die Bewegungselemente im Aufbaumodul Demenz 2

Einleitung

Wie erwähnt werden die Bewegungselemente im Aufbaumodul Demenz 2 „Sich in Beziehung erfahren“[29] im zweiten Teil „Bewegungselemente als Grunddimensionen der Interaktionsgestaltung“[30] hauptsächlich aus der Perspektive der Beziehungs- und Interaktionsgestaltung beleuchtet.

Dabei werden die Einführung in die Bewegungselemente und ihre Beschreibungen aus dem Aufbaumodul Demenz 1 übernommen. Diese Beschreibungen werden beim Bewegungselement Zeit und Raum je mit einem Praxisbeispiel veranschaulicht, an das sich Erläuterungen zu den auftretenden Phänomenen der Interaktion und zu ihrer Bedeutung für die Interaktionsgestaltung anschließen.

Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden ein grundlegender Ausschnitt aus der Einführung und jeweils die Erläuterungen zu den Interaktionsphänomenen sowie die Bedeutung für die Interaktionsgestaltung zitiert.

Einführung: Bewegungselemente und Interaktion

An das Zitat aus der Einführung in die Bewegungselemente aus dem Aufbaumodul Demenz 1 und eine Bewegungserfahrung zum komplexen Zusammenspiel der Bewegungselemente schließen sich die folgenden grundlegenden Aussagen an:

„Die Kompetenz, das Zusammenspiel der Bewegungselemente fortlaufend in jeder Situation anzupassen, entwickelt jeder Mensch lebenslang weiter. Die Entwicklung kann in Richtung von mehr oder weniger Anpassungsmöglichkeiten gehen, mit denen der Alltag selbstständig gestaltet werden kann. Deshalb ist es besonders wichtig, einen Menschen bei körperlichen Veränderungen im Alter oder bei demenziellen Veränderungen darin zu unterstützen, sein Zusammenspiel der Bewegungselemente vielfältig zu nutzen.
Jeder Mensch hat seine individuelle Art und Weise, in seinen alltäglichen Aktivitäten das komplexe Zusammenspiel der Bewegungselemente zu gestalten. In der Interaktion über Berührung und Bewegung begegnen sich zwei Menschen mit ihrer individuellen Art und Weise, Zeit, Raum und Anstrengung in alltäglichen Aktivitäten einzusetzen. Dabei müssen beide Beteiligten fortlaufend ihre Bewegungselemente an die eigenen Bewegungsmöglichkeiten und gleichzeitig an das Gegenüber anpassen. Deshalb wird die vollständige Beschreibung dieser Situation aus den Blickwinkeln der Bewegungselemente hochkomplex.
Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden die Komplexität reduziert, indem die Interaktion für beide Beteiligten hauptsächlich aus der Perspektive je eines Bewegungselementes beschrieben wird.“[31]
Bewegungselement Zeit: Interaktionsphänomene und ihre Bedeutung für die Interaktionsgestaltung

Beim Bewegungselement Zeit werden die relevanten Interaktionsphänomene folgendermaßen beschrieben:

„Wenn Menschen über Berührung und Bewegung miteinander in Interaktion treten, beeinflussen sich ihre Bewegungsgeschwindigkeiten wechselseitig. Die InteraktionspartnerInnen passen sich meist unbewusst und so gut, wie sie es können, aneinander an. Es entsteht eine gemeinsame Bewegungsgeschwindigkeit oder genauer gesagt eine situativ angepasste Beschleunigung und Verlangsamung der gemeinsamen Bewegung.
Diese Geschwindigkeit kann für beide passen und keine der PartnerInnen überfordern. Es kann aber auch passieren, dass eine InteraktionspartnerIn von der Bewegungsgeschwindigkeit der anderen PartnerIn überfordert wird, nicht „mitkommt“ und diesbezüglich die Interaktion von sich aus nicht mitbestimmen kann. Sie wird sich übergangen fühlen und sich kaum in einer wertschätzenden und unterstützenden Beziehung erfahren.
Die wechselseitigen Anpassungen der eigenen Bewegungsgeschwindigkeit sind bei beiden InteraktionspartnerInnen mit der fortlaufenden Regulation der anderen Bewegungselemente verbunden. Die Art und Weise, wie sie ihre Bewegungsgeschwindigkeit anpassen, beeinflusst somit fortlaufend die Qualität, wie sie die eigenen Bewegungsrichtungen und die eigene Anstrengung regulieren können.“[32]
Die Grafik veranschaulicht das kybernetische Verständnis einer Interaktion aus der Perspektive der Bewegungselemente. Hier wird der Aspekt verdeutlicht, wie zwei InteraktionspartnerInnen mit ihrer individuellen Regulation der Bewegungsgeschwindigkeit (Bewegungselement Zeit) aufeinandertreffen.[33]

Die Bedeutung für die Interaktionsgestaltung mit Menschen mit Demenz wird folgendermaßen erläutert:

Bei Menschen mit Demenz ist häufig beobachtbar, dass sich ihre Fähigkeit verändert, fortlaufend ihre Bewegungsgeschwindigkeit flexibel zu dosieren und anzupassen. In Bewegungsinteraktionen reagieren sie oft sehr empfindlich, wenn sie sich von der Bewegungsgeschwindigkeit des Gegenübers überfordert fühlen. Dies kann sich z. B. dadurch äußern, dass sie ihre eigene Bewegungsgeschwindigkeit stark verlangsamen, ihre Anstrengung erhöhen und kaum mehr in der Lage sind, eine geeignete Bewegungsrichtung zu finden. Die Beziehung fühlt sich in solchen Fällen für beide Beteiligten eher als ein Gegeneinander und nicht als ein Miteinander an.
Für professionelle Bezugspersonen ist es eine große Herausforderung, in jedem Moment der Interaktion bewusst auf ihre eigene Bewegungsgeschwindigkeit zu achten. Im beruflichen Alltag besteht häufig ein gewisser Zeitdruck. Er macht es einem nicht leicht, sich bewusst und differenziert an die oft sehr langsame oder manchmal auch abrupt wechselnde Bewegungsgeschwindigkeit einer Person mit Demenz anzupassen.
Die Kompetenz von Bezugspersonen, die Achtsamkeit auf ihre eigene Bewegungsgeschwindigkeit zu lenken und diese an das Gegenüber anzupassen, ist eine Grundlage dafür, dass sich Menschen mit Demenz in der Interaktion über Berührung und Bewegung beteiligt und wirksam fühlen können.“[34]
Bewegungselement Raum: Interaktionsphänomene und ihre Bedeutung für die Interaktionsgestaltung

Beim Bewegungselement Raum werden die relevanten Interaktionsphänomene folgendermaßen beschrieben:

„In der Interaktion über Berührung und Bewegung verständigen sich die InteraktionspartnerInnen fortlaufend über die gemeinsamen Bewegungsrichtungen. Dabei müssen sie gleichzeitig ihren inneren Möglichkeiten der Bewegungsrichtungen in und mit all ihren Körperteilen folgen und sich zusätzlich auf gemeinsame Richtungen verständigen.
Im optimalen Fall fühlt sich diese wechselseitig aufeinander abgestimmte Verständigung für beide Beteiligten selbstbestimmt an. Wird aber eine Bewegungsrichtung von einer InteraktionspartnerIn vorgegeben oder erzwungen, kann das beim Gegenüber zum Gefühl der Manipulation, zu Widerstand oder auch zu Resignation führen.
Im Fall des Widerstands wird besonders deutlich, dass die Art und Weise, wie die wechselseitigen Anpassungen der Bewegungsrichtung geschehen, fortlaufend die Qualität beeinflusst, wie die eigene Bewegungsgeschwindigkeit und die eigene Anstrengung reguliert werden können.“[35]
Die Grafik veranschaulicht das kybernetische Verständnis einer Interaktion aus der Perspektive der Bewegungselemente. Hier wird der Aspekt verdeutlicht, wie zwei InteraktionspartnerInnen mit ihrer individuellen Regulation der Bewegungsrichtungen und Nutzung ihrer Bewegungsspielräume (Bewegungselement Raum) aufeinandertreffen.[36]

Die Bedeutung für die Interaktionsgestaltung mit Menschen mit Demenz wird folgendermaßen erläutert:

Häufig haben Menschen mit Demenz das Problem, dass sie ihre eigenen Bewegungsmöglichkeiten nicht mehr vielfältig nutzen oder ihre Beweglichkeit aufgrund einer hohen Körperspannung eingeschränkt ist. In der Bewegungsinter-aktion mit Menschen mit Demenz sind ihre Richtungsveränderungen für das Gegenüber oft überraschend, manchmal ungewohnt oder sogar der eigenen Erwartung entgegengesetzt. Es passiert leicht, dass man sie sofort in die „richtige“ Richtung“ lenken möchte, dieser Versuch aber mit Widerstand beantwortet wird.
Die professionelle Gestaltung von Interaktionen über Berührung und Bewegung zielt darauf ab, die Person mit Demenz darin zu unterstützen, dass sie passende Bewegungsrichtungen wahrnehmen und finden kann. Dies kann nur dann gelingen, wenn sie die Bewegungsunterstützung als „fragend“, als gemeinsame Suche und nicht als Vorgabe erfahren.
Von professionellen Bezugspersonen erfordert dies eine sehr differenzierte und achtsame Gestaltung der eigenen Bewegungsrichtungen, verbunden mit einer ebenso differenzierten Anpassung der eigenen Anstrengung und Bewegungsgeschwindigkeit.“[37]
Bewegungselement Anstrengung: Interaktionsphänomene und ihre Bedeutung für die Interaktionsgestaltung

Beim Bewegungselement Anstrengung werden die relevanten Interaktionsphänomene folgendermaßen beschrieben:

„Die Qualität einer Interaktion über Berührung und Bewegung ist maßgeblich davon abhängig, dass die Beteiligten ihre Anstrengung angepasst regulieren können. Beide InteraktionspartnerInnen passen den Auf- und Abbau ihrer Muskelspannung im gesamten Körper fortlaufend an das Geschehen an.“[38]

An diese Ausführungen schließt sich eine Partnererfahrung an, mit der die LeserIn mit einer PartnerIn den Unterschied der Wirkung einer Unterstützung mit hoher Muskelspannung oder mit einer achtsam regulierten Muskelspannung in ihrem eigenen Körper erfahren kann. Desgleichen macht diese Partnererfahrung eine gemeinsame Reflexion darüber möglich, wie die jeweilige Unterstützung das Gefühl der Beziehung beeinflusst.

„Probieren Sie es aus:
Unterstützen Sie Ihre PartnerIn dabei, den Arm so zu bewegen, dass sie ihre Hand zum Mund führen kann (so wie z. B. zum Essen). Variieren Sie als unterstützende Person Ihre Anstrengung, indem Sie Ihre PartnerIn einmal durchgehend mit hoher Muskelspannung unterstützen und einmal Ihre Muskelspannung sehr achtsam regulieren und reduzieren.
Diskutieren Sie anschließend die folgenden Fragen:
Wie wirkt sich Ihre Anstrengung auf die Anstrengung der PartnerIn aus?
Wie wirkt sich die Veränderung Ihrer Anstrengung auf die Anpassungsmöglichkeiten der Bewegungsrichtungen beider Beteiligten aus?
Wie wirkt sich die Veränderung Ihrer Anstrengung auf die Anpassungsmöglichkeiten der Bewegungsgeschwindigkeit beider Beteiligten aus?
Wie beeinflusst die Dosierung der Anstrengung das Gefühl der Beziehung? [im Original kursiv]“[39]

Auf diese Partnererfahrung folgen weitere Erläuterungen zu Interaktionsphänomenen in Bezug auf das Bewegungselement Anstrengung:

Sehr oft ist bei Interaktionen über Berührung und Bewegung beobachtbar und erfahrbar, dass die InteraktionspartnerInnen ihre Anstrengung in ähnlicher Weise anpassen. Es kann z. B. leicht passieren, dass man sich unbewusst an die hohe Körperspannung des Gegenübers anpasst und die eigene Anstrengung ebenso erhöht. Vielleicht kennen Sie das Phänomen, dass man sogar in einer Interaktion ohne Körperkontakt das Gefühl bekommt, die hohe Körperspannung des Gegenübers übertrage sich auf einen selbst.
Bei beiden InteraktionspartnerInnen beeinflusst die Art und Weise, wie sie wechselseitig ihre eigene Anstrengung anpassen, fortlaufend die Qualität, wie sie die eigene Bewegungsgeschwindigkeit und die eigenen Bewegungsrichtungen regulieren können.“[40]
Die Grafik veranschaulicht das kybernetische Verständnis einer Interaktion aus der Perspektive der Bewegungselemente. Hier wird der Aspekt verdeutlicht, wie zwei InteraktionspartnerInnen mit ihrer individuellen Regulation der Muskelspannung (Bewegungselement Anstrengung) aufeinandertreffen.[41]

Die Bedeutung für die Interaktionsgestaltung mit Menschen mit Demenz wird folgendermaßen erläutert:

Im Verlauf einer demenziellen Entwicklung verändern Menschen oft ihre Art und Weise, wie sie ihre Anstrengung regulieren. Häufig entwickeln sie die Tendenz, ihre Körperspannung grundsätzlich zu erhöhen oder insbesondere dann, wenn sie in einer Situation verunsichert oder überfordert sind. Damit verbunden sind oft die Verminderung der Beweglichkeit (Bewegungselement Raum) und Veränderungen der Bewegungsgeschwindigkeit. In Bewegungsinteraktionen mit Menschen mit Demenz ist dies manchmal sehr deutlich erfahrbar und kann dazu führen, dass die Interaktionen immer anspruchsvoller werden.
Viele professionelle Bezugspersonen berichten über Situationen, in denen die hohe Körperspannung einer Person mit Demenz die Interaktion so sehr erschwert, dass sie sich überfordert fühlen. Sie merken, dass sie selbst für die Unterstützung viel Anstrengung einsetzen und die körperliche Belastung zu groß wird.
Für die professionelle Gestaltung von Interaktionen über Berührung und Bewegung mit Menschen mit Demenz ist es besonders wichtig, die Achtsamkeit auf die Regulation der eigenen Anstrengung zu lenken. Dadurch kann man wahrnehmen, wie sich die Anpassung der eigenen Anstrengung auf die Interaktion auswirkt. Die unbewusste Erhöhung der eigenen Anstrengung kann in einem Teufelskreis zu einem gegenseitigen Aufschaukeln führen. In einem solchen Fall wird sich die Interaktion eher wie ein Kampf als wie eine gegenseitige wertschätzende Verständigung anfühlen.
Wenn umgekehrt eine Bezugsperson ihre eigene Muskelspannung achtsam reguliert, kann dies dazu führen, dass es der Person mit Demenz besser gelingt, ihre eigene Anstrengung zu regulieren und dadurch mehr Bewegungsmöglichkeiten in ihrem Körper zu finden.“[42]
Die Bedeutung der Bewegungselemente für alle Ebenen der Beziehungsgestaltung

Unter dieser Überschrift wird im anschließenden Kapitel des zweiten Teils des Aufbaumoduls Demenz 2 die Bedeutung der Bewegungselemente in bemerkenswerter Weise ausgeweitet[43]. Unseres Wissens wird diese Idee in der kinästhetischen Fachliteratur nirgends explizit beschrieben. Im ersten Teil „Beziehung und Beziehungsgestaltung“ werden Ebenen der Beziehungsgestaltung unterschieden. Es sind dies:

  • „die verbale Kommunikation über Sprache,
  • die paraverbale Kommunikation über Lautstärke, Artikulation, Melodie, Geschwindigkeit und Pausensetzung des Sprechens,
  • die nonverbale Kommunikation über Gestik, Mimik, Blickkontakt, Körperhaltung und -bewegung,
  • die Interaktion über Berührung und gemeinsame Bewegung.“[44]

In diesem Zusammenhang wird ergänzt, dass diese Ebenen immer mit der Ebene der persönlichen Gefühle und Emotionen verbunden sind. Hervorzuheben ist, dass im Gegensatz zu früherer kinästhetischer Literatur[45] die Interaktion über Berührung und Bewegung nicht wie die vorausgehenden Ebenen als eine Form der Kommunikation bezeichnet wird.

In diesem Kapitel werden nun die Blickwinkel, auf die man mithilfe der Bewegungselemente in einer Bewegungsinteraktion achten kann, auf die erwähnten Ebenen der Beziehungsgestaltung bzw. auf alle Formen der zwischenmenschlichen Interaktion ausgeweitet.

In diesem Sinn wird auf den selbstverständlichen Zusammenhang zwischen dem Bewegungselement Zeit und dem Sprechtempo hingewiesen, aber auch darauf, dass sich Gefühle wie Zorn oder Stress in einer erhöhten Bewegungsgeschwindigkeit oder Muskelspannung äußern können. Desgleichen wird der Zusammenhang der Bewegungselemente Raum und Anstrengung mit Lautstärke oder Artikulation (d. h., mit der paraverbalen Kommunikation) erwähnt.

In Bezug auf die nonverbale Kommunikation wird darauf aufmerksam gemacht, dass Körperhaltung oder -bewegung, Gestik und Mimik auf Bewegungen beruhen. Somit können die Bewegungselemente auch hier eine Hilfe sein, um bewusst auf die Gestaltung der nonverbalen Kommunikation zu achten. Das Gleiche gelte für Gefühle und Emotionen, die – oder vielleicht besser – insofern sie sich auch körperlich zeigen.

Abschließend werden einerseits die hohe Komplexität der zwischenmenschlichen Interaktion bzw. die große Herausforderung, diese angepasst zu gestalten, thematisiert. Andererseits wird festgehalten, dass Pflegende und Betreuende durch die Achtsamkeit auf die drei Bewegungselemente die Möglichkeit erhalten, diese Komplexität zu reduzieren und bewusst gestalten zu können.

„Bewegungselemente“ in „Kinästhetik – Gesundheitsentwicklung und menschliche Aktivitäten“

MEIN TEXT

„MEIN THEMA“ in „Andere berücksichtigte Publikation“

MEIN TEXT

Kommentare, Auswertung und offene Fragen

MEIN TEXT

Geschichte des Fachbegriffs

„Bewegungselemente“ im 16. Kinästhetik-Bulletin von 1990

MEIN TEXT

„MEIN THEMA“ in „Andere berücksichtigte Publikation“

MEIN TEXT

Kommentare, Auswertung und offene Fragen

Erfahrungsberichte

  • Bibliografische Erfassung

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  • usw.

Weiterführende Literatur und Medien

  • Bibliografische Erfassung
  • Bibliografische Erfassung
  • usw.

Vergleiche auch

Zum Begriff

Bedeutungsüberblick

Die Bedeutungen der Begriffe des Begriffs nach dem „Duden Online-Wörterbuch“

Nach dem „Duden Online-Wörterbuch“ hat MEIN (1.) BEGRIFF folgende Bedeutungen:
Die Erstbedeutung lautet „a. …“ und „b. …“. Synonyme sind „…“.

Die Zweitbedeutung lautet „…“. Synonyme sind „…“.

Die Drittbedeutung lautet „…“. Synonyme sind „…“.

Angeführt werden zusätzlich x weitere umgangssprachliche/fachsprachliche Bedeutungen.

Als Antonym wird „…“ angegeben.

Nach dem Duden Online-Wörterbuch hat MEIN 2. BEGRIFF folgende Bedeutungen:
Die Erstbedeutung lautet „…“. Synonyme sind „…“.

Die Zweitbedeutung lautet „…“. Synonyme sind „…“.

Die Drittbedeutung lautet „…“. Synonyme sind „…“.

Die Verwendung als kinästhetischer Fachbegriff

Herkunft

Einzelnachweise

  1. European Kinaesthetics Association (Hg.) (2020): Kinaesthetics. Konzeptsystem. Linz, Winterthur: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-00-0.
  2. ebd., S. 9.
  3. ebd., S. 11.
  4. ebd., S. 14.
  5. ebd., S. 41 ff.
  6. ebd., S. 14
  7. ebd., S. 14
  8. European Kinaesthetics Association (Hg.) (2020): Kinaesthetics. Konzeptsystem. Linz, Winterthur: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-00-0. S. 16 f.
  9. ebd.
  10. ebd., S. 37 ff.
  11. ebd., S. 37
  12. ebd., S. 39
  13. ebd., S. 26
  14. ebd., S. 26
  15. European Kinaesthetics Association (Hg.) (2022) : Aufbaumodul Demenz 1: Sich und die Welt wahrnehmen. Arbeitsunterlagen. Unter Mitarbeit von Franziska Gysin, Christine Grasberger, Brigitte Marty-Teuber, Stefan Marty-Teuber, Sabine Siemann, Erich Weidmann. Linz (AT), Winterthur (CH): Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903052-46-8.
  16. European Kinaesthetics Association (Hg.) (2022) : Aufbaumodul Demenz 2: Sich in Beziehung erfahren. Arbeitsunterlagen. Unter Mitarbeit von Franziska Gysin, Christine Grasberger, Brigitte Marty-Teuber, Stefan Marty-Teuber, Sabine Siemann, Erich Weidmann. Linz (AT), Winterthur (CH): Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903052-47-5.
  17. European Kinaesthetics Association (Hg.) (2022) : Aufbaumodul Demenz 1: Sich und die Welt wahrnehmen. Arbeitsunterlagen. Unter Mitarbeit von Franziska Gysin, Christine Grasberger, Brigitte Marty-Teuber, Stefan Marty-Teuber, Sabine Siemann, Erich Weidmann. Linz (AT), Winterthur (CH): Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903052-46-8. S. 40 ff.
  18. ebd., S. 42
  19. ebd.
  20. ebd.
  21. ebd.
  22. ebd., S. 41 f.
  23. ebd., S. 41.
  24. ebd.
  25. ebd.
  26. ebd.
  27. ebd., S. 42.
  28. ebd.
  29. European Kinaesthetics Association (Hg.) (2022) : Aufbaumodul Demenz 2: Sich in Beziehung erfahren. Arbeitsunterlagen. Unter Mitarbeit von Franziska Gysin, Christine Grasberger, Brigitte Marty-Teuber, Stefan Marty-Teuber, Sabine Siemann, Erich Weidmann. Linz (AT), Winterthur (CH): Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903052-47-5.
  30. ebd., S. 20 ff.
  31. ebd., S. 20 f.
  32. ebd., S. 22.
  33. ebd., S. 22.
  34. ebd.
  35. ebd., S. 23 f.
  36. ebd., S. 24.
  37. ebd.
  38. ebd.
  39. ebd., S. 25.
  40. ebd.
  41. ebd.
  42. ebd., S. 25 f.
  43. ebd., S. 27 f.
  44. ebd., S. 13.
  45. vgl. z. B. …


Sinne und kinästhetisches Sinnessystem (gyfr, mast)

Aktuelle Verwendung des Fachbegriffs

Sinne und kinästhetisches Sinnessystem in „Kinaesthetics – Konzeptsystem“

Die Einbettung des Themas im Konzept „Interaktion“

Das erste Konzept des Konzeptsystems ist mit „Interaktion“ überschrieben und ist grundlegend für die folgenden fünf Konzepte. Das hauptsächliche Thema besteht darin, die persönliche Wahrnehmung und insbesondere Bewegungswahrnehmung zu sensibilisieren sowie körperliche und zwischenmenschliche Unterschiede und Interaktionen zu erfahren[1].

In der Einleitung des Konzepts wird nach der gängigen Definition der Interaktion als „Wechselbeziehung zwischen zwei oder mehreren HandlungspartnerInnen“[2] mit dem Beispiel der verbalen und nonverbalen Kommunikation darauf hingewiesen, dass Interaktionen grundsätzlich auf allen Sinnessystemen beruhen. Demgemäß ist das erste Unterthema mit „Sinne“[3] überschrieben und enthält die untergeordnete Überschrift „Das kinästhetische Sinnessystem“[4].

Das Unterthema Sinne

Zusammenhang von Interaktions- und Wahrnehmungsfähigkeit, die klassischen 5 Sinne
Das zugehörige Konzepticon[5] zeigt in einem äußeren Kreis die 5 klassischen, nach außen gerichteten Sinne. In der Mitte findet sich die Darstellung eines Muskels mit der Muskelspindel. Dieser Rezeptor steht stellvertretend für das gesamte, nach innen gerichtete kinästhetische Sinnessystem mit seinem Netzwerk von unterschiedlichen Rezeptoren. Die zentrale Stellung illustriert seine grundlegende Bedeutung für die klassischen 5 Sinne bzw. die gesamte Wahrnehmung.

Einleitend wird nochmals betont, dass die Interaktionsfähigkeit eines Menschen auf seinen Sinnen bzw. seiner Wahrnehmungsfähigkeit basiert. Dann folgt eine tabellarische Auflistung der klassischen fünf Sinne mit der Abbildung ihrer Organe und den zugehörigen Reizen. Bei diesen wird außer beim Geruchssinn durch die Angabe von gegensätzlichen Adjektiven (z. B. hell und dunkel) die Bedeutung von Unterschieden für die Wahrnehmung aufgezeigt.

Keine Abbildung durch die nach außen gerichteten 5 Sinne, sondern ein inneres Hervorbringen der Außenwelt

Mit Berufung auf moderne Forschungen der Neurobiologie wird dann die frühere Annahme kritisiert, dass diese nach außen gerichteten Sinne die Außenwelt genau und „wahr“ abbilden. Diese Forschungen zeigen auf, dass keine Informationen aus der Außenwelt direkt in die Innenwelt eines jeden Menschen gelangen. Vielmehr produziert jeder einzelne Mensch diese in sich selbst, weil er in Bezug auf Information ein geschlossenes System ist. Mit diesen Formulierungen wird offensichtlich auf die beiden Wissenschaftler Humberto Maturana (1928–2021) und Francisco Varela (1946–2001), die Begründer der Autopoiese (Autopoiesis)-Theorie, angespielt.[6].

Keine qualitative Kodierung von Wahrnehmungsursachen, sondern individuelle Konstruktion

Die Aussagen werden gemäß den Formulierungen von Heinz von Foerster (1911–2002) mit seinem folgenden Forschungsergebnis erläutert:

„Die ganze Wahrnehmung besteht aus individuell konstruierten Beziehungen, die in unserem Inneren entstehen.“[7].

Es gebe keine qualitative oder spezifische Kodierung der Ursache einer Wahrnehmung. Die sensorischen Zellen würden nur die Mitteilung über eine vorliegende Störung oder einen vorliegenden Reiz liefern. Dies wird ergänzt durch den Hinweis, der ebenso auf Heinz von Foerster zurückgeht, dass der Wahrnehmungsprozess nur auf quantitativen Unterschieden beruht[8].

Unterschiede, die einen Unterschied (aus)machen

Die vorangehenden Aussagen werden mit der bekannten Definition des Informationsbegriffs von Gregory Bateson (1904–1980) verbunden:

„Informationen bestehen aus Unterschieden, die einen Unterschied machen.“[9].

Nur wenn wir (oder Lebewesen überhaupt) einen Unterschied in uns selbst wahrnehmen können, kann daraus eine Information entstehen – ob aus einer Außenperspektive ein Unterschied vorliegt oder nicht, spielt folglich keine Rolle.

„Das kinästhetische Sinnessystem“

Im Buch „Kinaesthetics – Konzeptsystem“ enthält das erste Unterthema „Sinne“ des ersten Kapitels „Konzept Interaktion“ das Unterkapitel mit der Überschrift „Das kinästhetische Sinnessystem“.[10].

Nach innen gerichtete Rezeptoren und wahrnehmbare Reize

Zu diesem Thema wird an erster Stelle erwähnt, dass die Entdeckung der Rezeptoren, „die auf spezifische Reize aus dem Körperinnern spezialisiert sind“[11], erst neuzeitlich ist. Als Beispiele dafür, was mit ihnen wahrgenommen werden kann, werden aufgeführt:

  • Schmerz
  • Muskelspannung
  • Vibration
  • Stellung der Körperteile zueinander
  • Stellung des Kopfes bezüglich der Schwerkraft

Mit Bezug auf die vorangehend dargestellten klassischen fünf Sinne wird betont, dass die menschliche Sinneswahrnehmung somit „nicht nur Reize von außen, sondern auch von innen verarbeitet“[12].

Grundlegende Bedeutung für alle Lebensaktivitäten und wahrnehmbare Aspekte der Bewegung

Darauf wird auf die grundlegende Bedeutung des kinästhetischen Sinnessystems hingewiesen, um alle Lebensaktivitäten ausführen zu können. Als Beispiele, welche Bewegungsaspekte mit ihm wahrgenommen können, werden aufgeführt:

  • Unterschiede der Muskelspannung
  • Druck- und Zugverhältnisse
  • Raumlagebeziehungen
Untrennbarkeit von Bewegung und Bewegungswahrnehmung bzw. Koppelung ihrer Feedbackschleifen

Dabei würden Bewegung und Bewegungswahrnehmung sich gegenseitig bedingen und seien „durch kontinuierliche Feedbackschleifen gekoppelt:

Man muss sich bewegen, um Bewegung wahrnehmen zu können, und man muss Bewegung wahrnehmen können, um sich gezielt zu bewegen.“[13].

Demgemäß sind Bewegung und Bewegungswahrnehmung untrennbar in einem zirkulären Zusammenspiel von Feedbackschleifen verbunden.

Grundlegende Bedeutung des kinästhetischen Sinnessystems bzw. seiner Sensibilisierung für die gesamte Wahrnehmung und die Interaktionsqualität

In Bezug auf die gesamte Wahrnehmung bzw. auf alle Sinnessysteme wird anschließend dem kinästhetischen Sinnessystem eine grundlegende Bedeutung zugeschrieben. Wahrnehmung sei immer mit Bewegung verbunden und beruhe auf der „Fähigkeit, mit der Bewegung einem Reiz folgen zu können“[14]. Deshalb sei in der Kinästhetik ein wichtiges Ziel, das kinästhetische Sinnessystem zu sensibilisieren.

Abschließend wird der Zusammenhang zum übergeordneten Thema der Interaktion durch die Aussage hergestellt, dass die Qualität der Interaktionen von HandlungspartnerInnen direkt von der Sensibilität ihrer Bewegungswahrnehmung beeinflusst werde.

Ohne weitere Erläuterungen (vgl. dazu „Kommentare, Auswertung, offene Fragen“: LINK) wird der bekannte folgende Aphorismus aus dem Buch „Der Baum der Erkenntnis“ von Humberto Maturana und Francisco Varela an den Schluss gestellt::

„Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun.“[15]

Kommentare, Auswertung und offene Fragen

Nur angedeutet:

Geschlossenheit

Geschlossenheit steht in bester kybernetischer Tradition. Zum Beispiel auch bei K. U. Smith (closed-loop feedback; K. U. hatte bedeutenden Einfluss auf die Begründergeneration der Kinästhetik)

„Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun.“

Der Anschluss kann einerseits in der Aussage vermutet werden, dass sich Bewegung und Bewegungswahrnehmung (Kinästhesie) wechselseitig bedingen. Andererseits ist Erkennen ein Synonym von Wahrnehmen und Bewegung mit jedem Tun verbunden. Somit kann eine zweite Brücke zur Aussage geschlagen werden, dass jede Wahrnehmung mit Bewegung verbunden sei. Der Kontext des Aphorismus im Buch von Maturana und Varela wird nachfolgend zitiert und zeigt weitere Verbindungen zu den Ausführungen des Konzeptsystems zum Thema Sinne auf:

„In diesem Sinne werden wir ständig festzustellen haben, daß man das Phänomen des Erkennens nicht so auffassen kann, als gäbe es ‚Tatsachen‘ und Objekte da draußen [im Original kursiv], die man nur aufzugreifen und in den Kopf hineinzutun habe. Diese Feststellung bildet das Fundament von alldem, was wir zu sagen haben werden.
Die Erfahrung von jedem Ding ‚da draußen‘ wird auf eine spezifische Weise durch die menschliche Struktur konfiguriert, welche ‚das Ding‘, das in der Beschreibung entsteht, erst möglich macht.
Diese Zirkularität, diese Verkettung von Handlung und Erfahrung, diese Untrennbarkeit einer bestimmten Art zu sein von der Art, wie die Welt uns erscheint, sagt uns, daß jeder Akt des Erkennens eine Welt hervorbringt [im Original kursiv]. Diese Eigenschaft des Erkennens wird unausweichlich zugleich unser Problem, unser Ausgangspunkt und der Leitfaden für unsere Erörterungen auf den folgenden Seiten sein. Dies alles kann in dem Aphorismus zusammengefaßt werden: Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun. [im Original kursiv]“[16]

„MEIN THEMA“ in „AMD, LuB, KuK“

gyfr (anschließend)

=== „xy“ in „Kinästhetik – Gesundheitsentwicklung und menschliche Aktivitäten“ === ?? MEIN TEXT

Sinne und kinästhetisches Sinnessystem in „Kinaesthetics Infant Handling“

Kinästhetisches Sinnessystem als Grundlage der Entwicklung von Bewegungsfähigkeiten

Im Buch „Kinaesthetics Infant Handling“[17] von Lenny Maietta und Frank Hatch thematisiert das erste Kapitel die grundlegende Frage, wie Bewegungsfähigkeiten entstehen. In dessen Einleitung wird darauf hingewiesen, dass der Mensch gemäß kybernetischen Erkenntnissen sein Verhalten durch Feedback-Kontrolle steuert. Dabei hänge die Entwicklung einer effektiven Verhaltenskontrolle des Kindes in der Schwerkraft „von der Handlingsfähigkeit der Erwachsenen ab“[18]. Das zweite Unterkapitel erläutert, dass das Verhalten durch die eigenen Annahmen gelenkt wird. Das dritte Unterkapitel bezeichnet Berührung und Körperkontakt als wesentliche Form der Interaktion zwischen Kindern und Erwachsenen. Insbesondere wird beschrieben, dass der Bewegungsaustausch über Körperkontakt für die Entwicklung von Bewegungsgrundlagen für das lebenslange Lernen von zentraler Bedeutung ist.

Das Unterkapitel „1.4 Selbsterfahrung durch Bewegung“[19] geht darauf ein, wie der Mensch seine Bewegung „innerlich über das kinästhetisch-sensorische System, das aus mehreren Komponenten besteht“[20] erlebt.

Erwähnt werden die basalen Rezeptoren der Haut bzw. der Körperoberfläche, die auf Druckänderungen reagieren und einem erlauben, den Kontakt mit belebter oder unbelebter Umgebung zu registrieren.

Diese Hautrezeptoren sind mit weiteren Bewegungsrezeptoren verbunden, die sich

  • im Muskelgewebe,
  • in Gelenken,
  • im Innenohr

befinden. In einem Netzwerk ermöglichen sie, die Körperbewegung zu kontrollieren:

„Die Druckänderungen einer beliebigen Komponente des kinästhetischen Systems signalisiert eine Veränderung der Position in der Schwerkraft und löst im gesamten Körper Anpassungen der muskulären Spannung aus.“[21]

Diese Aussagen werden dadurch erläutert, dass der Mensch sein Körpergewicht in der Schwerkraft durch Verlagerungen und Veränderungen der Kontaktstellen mit seiner Umgebung bewegt. Mit einer Abbildung, die einen Mensch zeigt, der auf einem Stuhl sitzt und seine Hand auf einen Tisch hält, wird die Aussage des vorangehenden Zitats illustriert: Durch den Druck der Füße auf den Boden entsteht in ihm ein Spannungsmuster, das sich verändert, wenn er mit seinen Fingern auf den Tisch drückt.

Abschließend wird erwähnt, dass es in der Kinästhetik um die effektive Kontrolle der Bewegung und die besondere Aufmerksamkeit auf die kinästhetischen Empfindungen gehe, das kinästhetische Sinnessystem aber außerhalb der Kinästhetik häufig keine Beachtung fände. [22]

Auf das Unterkapitel „Selbsterfahrung durch Bewegung“ folgen vier weitere mit den Überschriften „Kinder brauchen Bewegungsunterstützung“, „Bewegungsgrundlage als gemeinsamer Nenner“, „Ziele“ und „Inhaltliche Schwerpunkte“[23].

Sinne und kinästhetisches Sinnessystem im Rahmen der Darstellung der Konzepte

Kontext

Das kurze zweite Kapitel des Buches trägt den Titel „Ihre Vorstellungen über kindliche Entwicklung“[24]. Das dritte Kapitel „Gesundheit, Entwicklung und Lernen“[25] stellt ausführlicher unterschiedliche Aspekte dieses Themenbereichs dar. Im vierten Kapitel „Das MH Kinaesthetics-Infant-Handling-Programm“[26] des Buches werden aus der Perspektive des Handlings mit Kindern die Konzepte der Kinästhetik behandelt, was u. a. einleitend thematisiert wird. Das Konzept Interaktion steht zu Beginn der Darstellung der sechs Konzepte und wird kurz mit seinen Unterthemen eingeleitet. Das Thema der Sinne und des kinästhetischen Sinnessystems bildet das erste Unterkapitel.

„Sinnessysteme und Wahrnehmung“

Die Frage, „welche sensorischen Reize Neugeborene wahrnehmen können“[27] eröffnet das Unterkapitel „4.3.1 Sinnessysteme und Wahrnehmung“. Zur Beantwortung wird die Abhängigkeit dieser Frage von der Definition der sensorischen Fähigkeiten aufgezeigt: Die Antwort fällt unterschiedlich aus, je nachdem ob man darunter versteht, dass das Kind einfach sensorische Reize aufnimmt, sensorische Ereignisse versteht (also wahrnimmt) oder mit spezifischen sensorischen Systemen Phänomene als Ursachen der entsprechenden Empfindungen wahrnimmt.

Im Anschluss legt die Beschreibung einer persönlichen Erfahrung von Frank Hatch nahe, im Umgang mit Kindern von Geburt an auf die visuellen und anderen sensorischen Fähigkeiten zu achten. Was die eingangs gestellte Frage betrifft, wird auf die Tatsache verwiesen, „Kinder aller Altersstufen über die gleichen sensorischen Systeme wie Erwachsenen verfügen“[28] und der hauptsächliche Unterschied darin bestehe, „was jeder gelernt hat, mit den sensorischen Informationen anzufangen“[29]. Gerade deswegen würden Kinder die Hilfe von Erwachsenen benötigen, um ihre Empfindungen einordnen, interpretieren und motorisch effizient reagieren zu können.

Die folgenden Ausführungen des Buches unterscheiden zwischen dem inneren sensorischen System und sensorischen Distanzsystemen. Mit Ersterem ist das kinästhetische Sinnessystem gemeint, „das den inneren Bewegungsreizen folgt“[30]. Zu den sensorischen Distanzsystemen werden das visuelle, auditive, olfaktorische und gustatorische System gezählt, die den „Bewegungen in der Umgebung außerhalb des Körpers“[31] folgen.

„Das innere sensorische System“

Unter dieser Überschrift[32] wird als Erstes wird darauf verwiesen, dass wir kein Bewusstsein für das innere sensorische System bzw. das kinästhetische Sinnessystem aufgrund seiner engen Verbindung mit der Selbstwahrnehmung haben und es primär für die Selbstkontrolle in der Schwerkraft nutzen.

Dann wird der Zusammenhang mit Bewegung aufgezeigt:

„Jede Struktur dieses Systems registriert Bewegungsänderungen: Der Vestibularapparat im Innenohr, die Rezeptoren in allen Muskeln und Gelenken und die basalen Rezeptoren in unserer Haut.“[33]

Dabei würden die verschiedenen Rezeptoren Spannungs- und Druckveränderungen registrieren, die uns durch die Integration im Nervensystem erlauben, im Gleichgewicht zu bleiben und unser Gewicht über die Knochen auf das Stützgewebe zu übertragen. Ausbalanciert zu sein, wird als Voraussetzung für eine niedrige innere Spannung bezeichnet, die es uns wiederum erleichtert, äußere Bewegungen wahrzunehmen:

„Eine niedrige Spannung ist die Voraussetzung für eine hohe Sensibilität für sensorische Reize.“[34]

In der Folge wird auf verschiedene Funktionen anderer Bestandteile des inneren sensorischen Systems hingewiesen:

  • Koordination und Regulation lebenswichtiger innerer Prozesse (Atmung, Kreislauf, Verdauung)
  • Registrierung von Temperaturveränderungen (innerliche und auf der Körperoberfläche) durch Hautrezeptoren: führt zur Kontraktion oder Entspannung kleiner Muskeln, zum Öffnen oder Schließen der Hautporen bzw. zur Wärmeleitung nach innen oder außen (Funktion der Körpertemperaturregulation).
  • Registrierung von Druckveränderungen (innerliche und auf der Körperoberfläche) durch Hautrezeptoren oder tieferliegende Rezeptoren: Schmerzwahrnehmung als Warnung vor Verletzungen

Hervorgehoben wird, dass eine niedrige innere Spannung uns ebenso eine effektivere Steuerung unserer inneren Prozesse ermöglicht.

Darauf wird ausgeführt, dass Druckrezeptoren der Haut die Regulation des Kontaktes zur Umgebung ermöglichen, die Muskelspindeln mit der Haut verbunden sind und das gesamte kinästhetische Sinnessystem als Netzwerk funktioniert:

„Somit lösen Druckveränderungen auf der Körperoberfläche gleichzeitig Änderungen der Spannungsmuster im gesamten Körper aus.“[35]

Dies erlaube uns, die Bewegungen unseres Körpergewichts in Beziehung auf unsere Umgebung zu steuern.

Unter der Überschrift „Entwickeln der inneren kinästhetischen Körper-Tracking-Fähigkeiten bei Kindern“[36] wird das kinästhetische Sinnessystem als grundlegendes sensorisches System des Menschen bezeichnet. Mit diesem System nimmt der Mensch bereits als Fetus sich selbst wahr und erlernt die Koordination und Regulation seiner Körperbewegungen sowie die Kommunikation mit seiner Mutter „durch berührungsgelenkte Bewegungsprozesse“[37]. Hauptsächlich durch diese finde die Kommunikation auch im Kleinkindalter „während der meisten gemeinsamen Aktivitäten“[38] statt, allerdings fehle den Erwachsenen das Bewusstsein hierfür:

„Die Fähigkeit, aktiv an einem Berührungsgelenkten Bewegungsaustausch mit Erwachsenen oder anderen Kindern teilzunehmen, ist die wichtigste Grundlage für das Kind, um seine sensorische und motorische Kontrolle zu erlernen.“[39]

Während Kleinkinder sehr lange den Bewegungen anderer folgen könnten, müssten Erwachsene lernen und intensiv üben, den Bewegungen von Babys oder Kleinkindern zu folgen.

„Sensorische Distanzsysteme“

Unter dieser Überschrift[40] werden in Unterkapiteln die folgenden Sinnessysteme behandelt:

  • „Das visuelle sensorische System“[41]
  • „Das auditive sensorische System“[42]
  • „Die gustatorischen und olfaktorischen Systeme“[43]

Dabei wird jeweils angegeben, wofür die einzelnen Systeme sensibel sind:

  • Lichtwellen bzw. Wellenlängen der Farben
  • Schall- oder Druckwellen bzw. Vibrationen in der Luft
  • Chemische Substanzen in Wassermolekülen (gustatorisches System) und Gerüche in Luftmolekülen (olfaktorisches System)

Beim visuellen und auditiven System wird der Zusammenhang mit der Bewegung aufgezeigt: Sehen ist mit Augen- oder Körperbewegungen verbunden, Hören mit der Vibration des Trommelfells. Beim Sehen gehe es um die Fähigkeit, Farben unterscheiden zu lernen, was bei Primärfarben am leichtesten sei. Beim Hören gehe es darum, dass Kleinkinder lernen, Geräuschquellen und ihre Bedeutung zu erkennen.

„Schlussfolgerungen“

In diesem abschließenden Unterkapitel[44] weisen die AutorInnen darauf hin, dass Kinder durch die „Fähigkeit, sich selbst und die Umwelt durch unterschiedliche sensorische Reize erkennen zu können, […] Sicherheit und Selbstständigkeit“ [45] entwickeln.

Wie am Schluss der Ausführungen zum inneren sensorischen System wird das Folgen von Bewegungen anderer Menschen als Voraussetzung dafür bezeichnet, dass Kinder lernen können, durch eigene Bewegungen mit sensorischen Reizen kontrolliert umzugehen. Dabei sei die eigene Bewegungskontrolle, zu deren Unterstützung die Konzepte der Kinästhetik neue Ideen bieten, die Grundlage für die Kontrolle aller sensorischen Systeme und die „Voraussetzung für eine effektive Kommunikation“[46].

Kommentare, Auswertung und offene Fragen

Nur angedeutet: Auffällig ist, dass nur 4 klassische Sinne und das taktile Sinnessystem nicht eigens erwähnt werden. Ergibt sich aus dem Ansatz eines inneren sensorischen Systems und von sensorischen Distanzsystemen, aber geht letztlich nicht ganz auf: taktil wird unter dem inneren sensorischen System behandelt, aber geht es hier um „innere Bewegungsreize“ bzw. ist nach Varela, Bateson nicht alles innen?

Physiologisch mehr oder weniger korrekt bzw. textlich schlecht verständlich sind die Ausführungen im letzten Absatz der Seite 67: Die Muskelspindeln sind die Rezeptoren (nicht „in den Muskelspindeln“), die Gleichsetzung mit „Druckrezeptoren in unserer Haut“ ist fragwürdig. „Menschen lernen, indem sie der Bewegung anderer folgen“ als nicht mehr so aktuelles Dogma ist hier schön sichtbar: Einfluss der Bezugspersonen wird als sehr hoch eingeschätzt. Ebenso kommt „niedrige Körperspannung => hohe allgemeine Sensibilität (und umgekehrt)“, was oft mit Weber begründet wird, aber aus meiner Perspektive nicht schlüssig ist. Positiv hervorzuheben ist (was sonst in den meisten einschlägigen Texten selten vorhanden ist): Kinästhetisches Sinnessystem als Netzwerk, als Zusammenspiel aller Rezeptoren.

Einzelnachweise

  1. European Kinaesthetics Association (Hg.) (2023): Kinaesthetics. Konzeptsystem. Linz, Winterthur: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-00-0. S. 11.
  2. ebd., S. 13.
  3. ebd., S. 14.
  4. ebd., S. 15.
  5. European Kinaesthetics Association (Hg.) (2023): Kinaesthetics. Konzeptsystem. Linz, Winterthur: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-00-0. S. 34 und 36.
  6. ebd., S. 14.
  7. ebd.
  8. vgl. zu diesen Aussagen von Heinz von Foerster z. B. das Kapitel „Interpretation“ aus seinem Vortrag „Über das Konstruieren von Wirklichkeiten“ von 1973.
  9. European Kinaesthetics Association (Hg.) (2023): Kinaesthetics. Konzeptsystem. Linz, Winterthur: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-00-0. S. 14.
  10. ebd., S. 15.
  11. ebd.
  12. ebd.
  13. ebd.
  14. ebd.
  15. ebd.
  16. Maturana, Humberto R.; Varela, Francisco J. (1987): Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens. Aus dem Spanischen von Kurt Ludewig in Zusammenarbeit mit dem Institut für systemische Studien e. V. in Hamburg. 1. Auflage. Bern, München, Wien: Scherz Verlag. ISBN 3-502-13440-5. S. 31.
  17. Maietta, Lenny; Hatch, Frank (2011): Kinaesthetics Infant Handling. Originalmanuskript aus dem Amerikanischen von Ute Villwock. 2., durchgesehene und aktualisierte Auflage. Bern [u. a.]: Hans Huber. ISBN 978-3-456-84987-4.
  18. ebd., S. 21.
  19. ebd., S. 23 f.
  20. ebd.
  21. ebd.
  22. ebd., S. 24.
  23. ebd., S. 25 ff.
  24. ebd., S. 31 ff.
  25. ebd., S. 39 ff.
  26. ebd., S. 61 ff.
  27. ebd., S. 64.
  28. ebd., S. 67.
  29. ebd.
  30. ebd.
  31. ebd., S. 68.
  32. ebd., S. 67 f.
  33. ebd., S. 67.
  34. ebd., S. 67.
  35. ebd., S. 67.
  36. ebd., S. 68.
  37. ebd.
  38. ebd.
  39. ebd.
  40. ebd., S. 68 ff.
  41. ebd., S. 68.
  42. ebd., S. 69.
  43. ebd.
  44. ebd., S. 70.
  45. ebd.
  46. ebd.