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Aus dem kybernetischen Blickwinkel von Kinaesthetics
Aus dem [[Kybernetik|kybernetischen]] [[Blickwinkel]] von Kinaesthetics
spielen Unterschiede beim Wahrnehmen, Erkennen und
spielen [[Unterschied|Unterschiede]] beim [[Wahrnehmen]], Erkennen und
Lernen eine zentrale Rolle. Gregory Bateson (1904–1980), ein
[[Lernen]] eine zentrale Rolle. Gregory [[Bateson]] (1904–1980), ein
weiterer Pionier der Kybernetik, präzisierte diese Tatsache
weiterer Pionier der [[Kybernetik]], präzisierte diese Tatsache
mit der Formulierung: „Informationen bestehen aus
mit der Formulierung: „Informationen bestehen aus
Unterschieden, die einen Unterschied machen“ (Bateson
Unterschieden, die einen Unterschied machen“ ([[Bateson]]
1987, S. 123). Das heißt, der Unterschied muss vom
1987, S. 123). Das heißt, der [[Unterschied]] muss vom
einzelnen Lebewesen als solcher wahrgenommen werden
einzelnen Lebewesen als solcher wahrgenommen werden
(können), um zu einer Information zu werden, die es in einem
(können), um zu einer Information zu werden, die es in einem
Lernprozess verwenden kann.
[[Lernprozess]] verwenden kann.


Was bedeutet diese Definition einer Information? Es
Was bedeutet diese Definition einer Information? Es
leuchtet ein, dass Delphine mittels Echo-Ortung
leuchtet ein, dass Delphine mittels Echo-Ortung
Unterschiede wahrnehmen, die für uns keine Unterschiede
[[Unterschied|Unterschiede]] wahrnehmen, die für uns keine [[Unterschied|Unterschiede]]
ausmachen können, oder dass Raubvögel mit ihren Augen
ausmachen können, oder dass Raubvögel mit ihren Augen
aus großen Entfernungen Unterschiede wahrnehmen
aus großen Entfernungen [[Unterschied|Unterschiede]] wahrnehmen
können, die für uns zu klein sind. Ihre Lernprozesse und ihre
können, die für uns zu klein sind. Ihre [[Lernprozesse]] und ihre
innere „Konstruktion“ der Welt müssen ganz anders
innere „Konstruktion“ der Welt müssen ganz anders
gestaltet sein als unsere.
gestaltet sein als unsere.


Das folgende Beispiel soll die Bedeutung der Definition für
Das folgende Beispiel soll die Bedeutung der Definition für
das Verständnis unserer Wahrnehmung und unserer
das Verständnis unserer [[Wahrnehmung]] und unserer
Lernprozesse beleuchten: Der Dirigent eines
[[Lernprozesse]] beleuchten: Der Dirigent eines
Symphonie-Orchesters hört Unterschiede, die wir als Laien
Symphonie-Orchesters hört [[Unterschied|Unterschiede]], die wir als Laien
nicht hören. Gewiss können wir lernen, solche Unterschiede
nicht hören. Gewiss können wir lernen, solche [[Unterschied|Unterschiede]]
wahrzunehmen, indem wir unser Gehör sensibilisieren. Bei
wahrzunehmen, indem wir unser Gehör sensibilisieren. Bei
einem solchen Lernprozess ist aber wiederum von
einem solchen [[Lernprozess]] ist aber wiederum von
entscheidender Bedeutung, ob wir mit unseren individuellen
entscheidender Bedeutung, ob wir mit unseren individuellen
Voraussetzungen die entsprechenden Unterschiede als
Voraussetzungen die entsprechenden [[Unterschied|Unterschiede]] als
solche wahrnehmen können, ob sie für uns einen
solche wahrnehmen können, ob sie für uns einen
Unterschied ausmachen. Es wird uns dabei zu Beginn nicht
[[Unterschied]] ausmachen. Es wird uns dabei zu Beginn nicht
möglich sein, allzu feine Unterschiede, die für den
möglich sein, allzu feine [[Unterschied|Unterschiede]], die für den
erfahrenen Dirigenten deutlich wahrnehmbar sind,
erfahrenen Dirigenten deutlich wahrnehmbar sind,
festzustellen, und wir werden nicht auf Anhieb fähig sein, 30
festzustellen, und wir werden nicht auf Anhieb fähig sein, 30
verschiedene Instrumente „einzeln“ zu hören. Aus
verschiedene Instrumente „einzeln“ zu hören. Aus
kybernetischer Sicht wird dieser Sachverhalt treffender so
[[Kybernetik|kybernetischer]] Sicht wird dieser Sachverhalt treffender so
beschrieben: Wir können nicht auf Anhieb Unterschiede
beschrieben: Wir können nicht auf Anhieb [[Unterschied|Unterschiede]]
zwischen 30 Instrumenten in uns produzieren. Denn aus
zwischen 30 Instrumenten in uns produzieren. Denn aus
dieser Perspektive ist die Wahrnehmung ein aktiver
dieser Perspektive ist die [[Wahrnehmung]] ein aktiver
Feedback-Prozess eines Individuums und nicht ein passives,
[[Feedback-Control-Theorie|Feedback-Prozess]] eines Individuums und nicht ein passives,
„mechanisches“ Empfangen (z. B. von Schallwellen).
„mechanisches“ Empfangen (z. B. von Schallwellen).


Bei der Steuerung unseres Verhaltens produzieren wir
Bei der Steuerung unseres Verhaltens produzieren wir
fortlaufend durch unsere eigene Bewegung Unterschiede,
fortlaufend durch unsere eigene Bewegung [[Unterschied|Unterschiede]],
nehmen sie wahr und vergleichen konstant die Ist-Werte
nehmen sie wahr und vergleichen konstant die Ist-Werte
und die Soll-Werte. Dieser Regelkreis ermöglicht die
und die Soll-Werte. Dieser Regelkreis ermöglicht die
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Wie das Gehör können wir auch unsere
Wie das Gehör können wir auch unsere
Bewegungswahrnehmung sensibilisieren und lernen, auf
Bewegungswahrnehmung sensibilisieren und lernen, auf
immer feinere und vielfältigere Unterschiede in der
immer feinere und vielfältigere [[Unterschied|Unterschiede]] in der
Steuerung unserer Bewegung zu achten. Als Werkzeug zur
Steuerung unserer Bewegung zu achten. Als Werkzeug zur
Sensibilisierung der Bewegungswahrnehmung dient in
Sensibilisierung der Bewegungswahrnehmung dient in
Kinaesthetics das Konzeptsystem. Es ist ein differenziertes
Kinaesthetics das [[Konzeptsystem]]. Es ist ein differenziertes
System von Unterscheidungen, die für jeden Menschen
System von Unterscheidungen, die für jeden Menschen
individuell erfahrbar sind. Bei den Bewegungselementen
individuell erfahrbar sind. Bei den [[Bewegungselemente|Bewegungselementen]]
„Raum“ und „Zeit“ geht es z. B. um groß – klein, viel –
„Raum“ und „Zeit“ geht es z. B. um groß – klein, viel –
wenig, schnell – langsam, in der Funktionalen Anatomie um
wenig, schnell – langsam, in der [[Funktionale Anatomie|Funktionalen Anatomie]] um
hart – weich, veränderlich – robust usw. Sie dienen als Fokus
hart – weich, veränderlich – robust usw. Sie dienen als Fokus
für das Lernen in Bewegungserfahrungen.
für das Lernen in Bewegungserfahrungen.
Unterschiede bzw. Unterscheidungen spielen in
[[Unterschied|Unterschiede]] bzw. Unterscheidungen spielen in
Kinaesthetics grundsätzlich eine zentrale Rolle. So sind z. B.
Kinaesthetics grundsätzlich eine zentrale Rolle. So sind z. B.
die Unterschiede zwischen der eigenen Bewegung und
die [[Unterschied|Unterschiede]] zwischen der eigenen Bewegung und
derjenigen einer PartnerIn in den Partnererfahrungen eine
derjenigen einer PartnerIn in den Partnererfahrungen eine
treibende Kraft des Lernens. In den gemeinsamen
treibende Kraft des Lernens. In den gemeinsamen
Reflexionen sind es die Unterschiede zwischen den
Reflexionen sind es die [[Unterschied|Unterschiede]] zwischen den
einzelnen Beschreibungen der Erfahrungen.
einzelnen Beschreibungen der Erfahrungen.
Kinaesthetics-Lernsequenzen sind oft so angelegt, dass am
Kinaesthetics-Lernsequenzen sind oft so angelegt, dass am
Ende die aktuell erreichte Situation mit der Ausgangslage
Ende die aktuell erreichte Situation mit der Ausgangslage
verglichen werden kann, z. B. durch die Vergleichsaktivitäten
verglichen werden kann, z. B. durch die [[Vergleichsaktivitäten]]
A1 – A2 im Lernzyklus. Durch solche
A1 – A2 im [[Lernzyklus]]. Durch solche
Unterschiedserfahrungen wird der Lern- und
Unterschiedserfahrungen wird der Lern- und
Kompetenzzuwachs in der Reflexion fassbar, was ein
Kompetenzzuwachs in der Reflexion fassbar, was ein
bewusstes und differenziertes Lernen fördert. Mit Ihren
bewusstes und differenziertes [[Lernen]] fördert. Mit Ihren
Notizen treffen Sie dabei Entscheidungen über Unterschiede
Notizen treffen Sie dabei Entscheidungen über [[Unterschied|Unterschiede]]
und Unterscheidungen, die für Sie persönlich Bedeutung
und Unterscheidungen, die für Sie persönlich Bedeutung
haben.
haben.

Version vom 6. Dezember 2016, 17:09 Uhr

Aus dem kybernetischen Blickwinkel von Kinaesthetics spielen Unterschiede beim Wahrnehmen, Erkennen und Lernen eine zentrale Rolle. Gregory Bateson (1904–1980), ein weiterer Pionier der Kybernetik, präzisierte diese Tatsache mit der Formulierung: „Informationen bestehen aus Unterschieden, die einen Unterschied machen“ (Bateson 1987, S. 123). Das heißt, der Unterschied muss vom einzelnen Lebewesen als solcher wahrgenommen werden (können), um zu einer Information zu werden, die es in einem Lernprozess verwenden kann.

Was bedeutet diese Definition einer Information? Es leuchtet ein, dass Delphine mittels Echo-Ortung Unterschiede wahrnehmen, die für uns keine Unterschiede ausmachen können, oder dass Raubvögel mit ihren Augen aus großen Entfernungen Unterschiede wahrnehmen können, die für uns zu klein sind. Ihre Lernprozesse und ihre innere „Konstruktion“ der Welt müssen ganz anders gestaltet sein als unsere.

Das folgende Beispiel soll die Bedeutung der Definition für das Verständnis unserer Wahrnehmung und unserer Lernprozesse beleuchten: Der Dirigent eines Symphonie-Orchesters hört Unterschiede, die wir als Laien nicht hören. Gewiss können wir lernen, solche Unterschiede wahrzunehmen, indem wir unser Gehör sensibilisieren. Bei einem solchen Lernprozess ist aber wiederum von entscheidender Bedeutung, ob wir mit unseren individuellen Voraussetzungen die entsprechenden Unterschiede als solche wahrnehmen können, ob sie für uns einen Unterschied ausmachen. Es wird uns dabei zu Beginn nicht möglich sein, allzu feine Unterschiede, die für den erfahrenen Dirigenten deutlich wahrnehmbar sind, festzustellen, und wir werden nicht auf Anhieb fähig sein, 30 verschiedene Instrumente „einzeln“ zu hören. Aus kybernetischer Sicht wird dieser Sachverhalt treffender so beschrieben: Wir können nicht auf Anhieb Unterschiede zwischen 30 Instrumenten in uns produzieren. Denn aus dieser Perspektive ist die Wahrnehmung ein aktiver Feedback-Prozess eines Individuums und nicht ein passives, „mechanisches“ Empfangen (z. B. von Schallwellen).

Bei der Steuerung unseres Verhaltens produzieren wir fortlaufend durch unsere eigene Bewegung Unterschiede, nehmen sie wahr und vergleichen konstant die Ist-Werte und die Soll-Werte. Dieser Regelkreis ermöglicht die notwendigen, ständigen Anpassungsleistungen der Selbststeuerung. Wie das Gehör können wir auch unsere Bewegungswahrnehmung sensibilisieren und lernen, auf immer feinere und vielfältigere Unterschiede in der Steuerung unserer Bewegung zu achten. Als Werkzeug zur Sensibilisierung der Bewegungswahrnehmung dient in Kinaesthetics das Konzeptsystem. Es ist ein differenziertes System von Unterscheidungen, die für jeden Menschen individuell erfahrbar sind. Bei den Bewegungselementen „Raum“ und „Zeit“ geht es z. B. um groß – klein, viel – wenig, schnell – langsam, in der Funktionalen Anatomie um hart – weich, veränderlich – robust usw. Sie dienen als Fokus für das Lernen in Bewegungserfahrungen. Unterschiede bzw. Unterscheidungen spielen in Kinaesthetics grundsätzlich eine zentrale Rolle. So sind z. B. die Unterschiede zwischen der eigenen Bewegung und derjenigen einer PartnerIn in den Partnererfahrungen eine treibende Kraft des Lernens. In den gemeinsamen Reflexionen sind es die Unterschiede zwischen den einzelnen Beschreibungen der Erfahrungen. Kinaesthetics-Lernsequenzen sind oft so angelegt, dass am Ende die aktuell erreichte Situation mit der Ausgangslage verglichen werden kann, z. B. durch die Vergleichsaktivitäten A1 – A2 im Lernzyklus. Durch solche Unterschiedserfahrungen wird der Lern- und Kompetenzzuwachs in der Reflexion fassbar, was ein bewusstes und differenziertes Lernen fördert. Mit Ihren Notizen treffen Sie dabei Entscheidungen über Unterschiede und Unterscheidungen, die für Sie persönlich Bedeutung haben.