Feedback-Control-Theorie
Aus Kinaesthetics-Online-Fachlexikon
Status | mit Fachliteratur angelegt |
AutorIn/RedakteurIn | N. N./N. N. |
Letzte Änderung | 24.09.2018 |
Die Feedback-Control-Theorie in „Kinaesthetics Lernen und Bewegungskompetenz“
Das folgende Zitat stammt aus dem Buch „Kinaesthetics Lernen und Bewegungskompetenz“, das als Arbeitsunterlage in Kinaesthetics-Aufbaukursen verwendet wird. Das Zitat ist in das vierte Kapitel „Theoretische Grundlagen von Kinaesthetics“ eingebettet. Die vorausgehenden Unterkapitel „Leben bedeutet Bewegung“ und „Schwerkraft und Bewegung“ beleuchten die grundlegende Bedeutung der Bewegung und der Schwerkraft für das Leben. Das Zitat ist das dritte Unterkapitel „Zirkuläre Selbstregulationsprozesse als Grundlage des menschlichen Verhaltens“.
- „Wie steuert der Mensch sein Verhalten? Wie funktioniert die Steuerung all seiner Lebensprozesse? Bei diesen zentralen, aber sehr komplexen Fragen verwendet Kinaesthetics Erklärungsmodelle, die aus der Kybernetik und Neurobiologie stammen. Die Kybernetik versteht den Menschen als ein sich selbst regulierendes Bewegungssystem. Sie erklärt die Steuerung der Lebensprozesse und des Verhaltens mit sogenannten Regelkreisen oder Feedback-Schleifen. In diesen wirken Elemente mit unterschiedlichen Funktionen in einem Kreisprozess zusammen und ermöglichen dadurch eine in jedem Moment anpassungsfähige Steuerung.
- K. U. Smith (1907–1994), der Pionier der Verhaltenskybernetik, beschäftigte sich hauptsächlich mit der Erforschung dieser Theorie beim Menschen. Seine Forschungen bilden eine wichtige theoretische Grundlage von Kinaesthetics. Für die Beschreibung der Steuerung des menschlichen Verhaltens verwendete er den Begriff ‚Feedback Control‘ (Smith; Smith 1973). Seine Feedback-Kontroll-Theorie geht davon aus, dass die Steuerung oder besser Regulation (‚Control‘) des menschlichen Verhaltens auf Rückkoppelungsprozessen (‚Feedback‘) beruht. Das bedeutet, dass das Verhalten nicht von einem bestimmten Element, z. B. dem Gehirn, gesteuert wird, sondern durch eine sich selbst regulierende, kreisförmige ‚Zusammenarbeit‘ unterschiedlicher Elemente.
- Die drei wesentlichen Elemente dieser Rückkoppelungsschleifen der Verhaltenssteuerung sind:
Bewegungssystem: die Funktionen des Bewegungsapparates
Wahrnehmungssystem: die Funktionen der Sinnessysteme
Nervensystem: die Funktionen des zentralen und des gesamten Nervensystems
Dabei bedingen sich diese drei Elemente wechselseitig, d. h., ohne Bewegung gibt es keine Sinneswahrnehmung, ohne Sinneswahrnehmung gibt es keinen Vergleich mit der Absicht durch das Nervensystem, ohne Vergleich mit der Absicht wiederum keine Bewegung usw. Das ununterbrochene Zusammenspiel zwischen diesen drei Elementen in fast unmittelbarer Rückkoppelung ermöglicht es einem Menschen z. B. zu stehen oder einen Bleistift aufzuheben. Die Steuerung einer solchen Aktivität ergibt sich daraus, dass durch dieses Zusammenspiel fortlaufend die Unterschiede zur Absicht (‚stehen‘, ‚Bleistift aufheben‘) ausgeglichen oder korrigiert werden.
- Die Aktivität des Stehens beruht somit auf einer ununterbrochenen Korrektur von ‚Fehlern‘, die wir bei der Verwirklichung dieser Absicht selbst produzieren. Auf diese Weise verlangt die Ausführung jeder Aktivität fortlaufende Anpassungen, die nur durch den zirkulären Wirkungszusammenhang zwischen Bewegungs-, Wahrnehmungs- und Nervensystem möglich werden. Vor diesem Hintergrund interessiert sich Kinaesthetics für die Bewegung und die Bewegungswahrnehmung als Basis der gesamten Sinneswahrnehmung. Sie bilden eine wichtige Grundlage der Verhaltenssteuerung, und jeder Mensch hat, solange er lebt, einen direkten und differenzierten Zugang zu seiner Bewegung(swahrnehmung).“
Legende zur grafischen Darstellung der Feedback-Kontroll-Theorie:
- „Diese Darstellung der Feedback-Control-Theorie beschreibt auf einer ganz grundsätzlichen Ebene die ‚Mitspieler‘ der Verhaltenssteuerung und ihre zirkuläre Rückkoppelung. Dabei werden die Funktionen der Wahrnehmung durch die Symbole unserer Sinne dargestellt. Die Funktionen des Nervensystems werden durch Gehirn und Nervenbahnen und die Aufgaben des Bewegungssystems durch einen Muskel symbolisiert. Während der Ausführung einer Aktivität vollziehen sich die entsprechenden zirkulären Prozesse so schnell, dass wir keine zeitliche Verzögerung zwischen Bewegung, Wahrnehmung und – in kybernetischer Sprache ausgedrückt – dem Vergleich des Ist-Wertes (des jeweiligen ‚Zwischenstandes‘) mit dem Soll-Wert (der Absicht) durch das Nervensystem feststellen.“
Der Text der zugehörigen Infobox „Wir können nicht stehen“:
- „Die Funktionsweise unserer Bewegungssteuerung, und damit der Feedback-Kontroll- Theorie, lässt sich ausgezeichnet in einer Bewegungserfahrung nachvollziehen: Stehen Sie auf einem Bein und schließen Sie die Augen. Achten Sie nun darauf, wie Sie auf der Ebene der Bewegung diese Aktivität zustande bringen. Sie werden feststellen, dass Sie fortlaufend Anpassungsbewegungen machen und die ‚Fehler‘ und Unsicherheiten korrigieren, die Sie selbst produzieren. Man könnte folglich sagen, dass wir gar nicht stehen können, sondern nur fortlaufend verhindern, dass wir umfallen.“