Interaktion

Aus Kinaesthetics-Online-Fachlexikon

„Interaktion“ im „Kinaesthetics Konzeptsystem“

Das folgende Zitat stammt aus dem „Kinaesthetics Konzeptsystem“. Es ist die Einleitung zum ersten Kapitel „Konzept Interaktion“.

„Interaktion bezeichnet im Allgemeinen die Wechselwirkung zwischen zwei oder mehreren HandlungspartnerInnen. Kinaesthetics verwendet den Begriff auch zur Bezeichnung der Wechselwirkungen zwischen den Teilen eines Lebewesens bis hin zur zellulären und molekularen Ebene. Ein Paradebeispiel für Interaktion ist die Kommunikation. Die Unterscheidung zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation macht deutlich, dass grundsätzlich alle Sinnessysteme bei einer Interaktion eine Rolle spielen.
Das Hauptinteresse von Kinaesthetics liegt auf der Beobachtung und Gestaltung der folgenden beiden Arten von Interaktionen:
* Interaktionen zwischen Teilen unseres Körpers bei verschiedensten Aktivitäten.
* Interaktionen zwischen Menschen durch Berührung und Bewegung.
Die Qualität der Interaktion durch Berührung und Bewegung ist für die allgemeine Interaktionskompetenz des Menschen und somit für alle seine Lernprozesse von grundlegender und zentraler Bedeutung.“

Quelle:

„Interaktion“ in „Kybernetik und Kinästhetik“

Das folgende Zitat stammt aus dem Buch „Kybernetik und Kinästhetik“, und zwar aus dem abschließenden sechsten Kapitel „Kinästhetik ist praktische Kybernetik“. Das Zitat ist eingebettet in das dritte Unterkapitel „Interaktion und gemeinsames Lernen“. Vorausgehend wird die Partnererfahrung thematisiert. Das Zitat ist der Text des nachfolgenden Themas „Interaktion und Kommunikation aus kybernetischer Sicht“.

„Den kybernetischen Hintergrund dazu bilden zahlreiche Überlegungen und Forschungen zur Kommunikation bzw. Interaktion zwischen Lebewesen. Auch hier leistete Gregory Bateson viel Grundlagenarbeit, auf der z. B. die Gruppe von ForscherInnen um Paul Watzlawick und auch H. Maturana/F. Varela in ihrem „Baum der Erkenntnis“ (Maturana; Varela 1987) aufbauen konnten.
Den Ausgangspunkt dieser Überlegungen bildeten die offensichtlichen Schwächen des damals gängigen, linearen Sender-Empfänger-Modells der Kommunikation. Gemäß diesem funktioniert Kommunikation folgendermaßen: Person A sendet unter Verwendung einer Kodierung (Schrift, mündliche Sprache usw.) eine Botschaft. Sie wird von Person B empfangen und dekodiert. Auf dieser Grundlage sendet B eine Botschaft, die von A empfangen und dekodiert wird. Auf dieser neuen Grundlage sendet A eine nächste Botschaft usw. Man dachte sich Kommunikation als linearen Ablauf, bei dem sich nacheinander das eine aus dem anderen ergibt.
Im Rahmen der Kybernetik wurden die Interaktionen zwischen Lebewesen, zu denen auch alle Formen der verbalen und non-verbalen Kommunikation gehören, in einem neuen Licht betrachtet. Die Kerngedanken einer kybernetischen Interaktionstheorie könnte man so formulieren: Eine Interaktion entsteht dadurch, dass (mindestens) zwei Lebewesen gleichzeitig und ununterbrochen aktiv an einer gemeinsamen Handlung beteiligt sind. Diese Wechselbeziehung beruht auf einem zirkulären Prozess zwischen den InteraktionspartnerInnen: Ich beeinflusse in einer Interaktion durch mein Verhalten fortlaufend das Verhalten meiner PartnerIn und zugleich beeinflusst ihr Verhalten fortlaufend mein eigenes Verhalten: So wirkt mein Verhalten im Kreis oder eben zirkulär ständig auf mich selbst zurück.
Interaktionen werden somit als zirkuläre Prozesse der Wechselbeziehung zwischen HandlungspartnerInnen verstanden, die in der Regulation ihres Verhaltens autonom sind. „Autonom“ meint auch, dass alle „Informationen“ einer verbalen oder non-verbalen Kommunikation fortlaufend von jeder PartnerIn individuell „errechnet“ werden: In einem Gespräch gibt es keine „Botschaften“, die in einer Person entstehen, gesendet werden und genau so in meinen Kopf gelangen. Wenn wir jemandem zuhören, konstruieren wir in uns ohne erfahrbare zeitliche Verzögerung fortlaufend „unseren“ Sinn seiner Worte, eilen gedanklich eher noch voraus und nehmen mögliche Fortsetzungen der Aussagen vorweg. Wir passen beständig unsere Mimik und unser ganzes Verhalten daran an und beeinflussen dadurch die SprecherIn.
Aus dieser kybernetischen Perspektive bestimmen die TeilnehmerInnen eines Gesprächs gleichzeitig und gemeinsam den Verlauf der Kommunikation, ob sie nun dabei zuhören/folgen oder sprechen/führen. Oder anders formuliert: Es gibt keine Botschaften oder Informationen ohne SenderIn und EmpfängerIn – wie es keine Beobachtung ohne BeobachterIn gibt (vgl. 5.3.3).
Wenn jemand z. B. im Rahmen einer Partnererfahrung in eine Bewegungsinteraktion mit einem anderen Menschen tritt, gilt aus kybernetischer Sicht genau das Gleiche: Er kann mit seiner eigenen Bewegung in einer Bewegungsinteraktion eine eher führende oder folgende Rolle spielen. Der Verlauf der Interaktion wird aber in einem zirkulären Prozess durch die ständigen, wechselseitigen Anpassungen der beiden InteraktionspartnerInnen bestimmt. (European Kinaesthetics Association 2017b, S. 47)“

Der Text der zugehörigen Infobox „Interaktionen von Lebewesen/Vielzellern“:

„Das dargestellte kybernetische Modell geht auf H. Maturana und F. Varela zurück. Sie verwenden es in ihrem Buch „Baum der Erkenntnis“ (Maturana; Varela 1987, S. 196), um aus biologischer Sicht die wesentlichen Bedingungen der Interaktionen von Vielzellern (wie z. B. der Menschen) darzustellen.
Die zwei geschlossenen, kreisförmigen Pfeile, die eine Kugel bilden, symbolisieren das Lebewesen in seiner operativen Autonomie (Autopoiese) und seiner zirkulären Geschlossenheit der Informationsverarbeitung.

Aufgrund der strukturellen Übereinstimmungen der beiden Lebewesen wird ihre Interaktion zu einer gemeinsamen Wechselbeziehung, an der beide gleichzeitig und aktiv beteiligt sind (strukturelle Koppelung zwischen Lebewesen).

Selbstverständlich befindet sich jedes Lebewesen ständig in einem bestimmten Milieu, in einer Umgebung. Dies wird in der Abbildung durch die Wellenlinie dargestellt. Auch hier besteht aufgrund einer strukturellen Koppelung

eine ständige Wechselbeziehung. Allerdings unterscheidet sie sich von der Interaktion zwischen autonomen HandlungspartnerInnen. Sie zeigt sich in den ununterbrochenen Anpassungsleistungen des Lebewesens sowohl an die konstanten als auch an die sich verändernden Bedingungen seines Milieus.“