Diskussion:Entwicklungsbewegung: Unterschied zwischen den Versionen

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: ''„Durch ihre Modelle konnten Blechschmidt und seine KollegInnen die Gestaltungsprozesse nach der Befruchtung des menschlichen Eies Schritt für Schritt nachvollziehen. Dadurch war es ihnen möglich, Schlüsse auf die Biodynamik der menschlichen Ontogenese zu ziehen. Im Laufe der jahrzehntelangen Arbeit wies Blechschmidt nach, ‚dass die lebendigen Gestaltungen bereits als Bewegungsprozess, die den ganzen Körper betreffen, einheitlich zu beschreiben sind‘. Demnach ist die Entstehung des frühen Embryos vor allem durch seine eigene Bewegung beeinflusst, die Blechschmidt '''Entwicklungsbewegung''' nennt. So konnte er aufzeigen, dass z. B. die Entstehung der Hand auf eine Greifbewegung zurückzuführen ist und dass alle Aktivitäten, die ein Mensch ausführen kann, durch die frühen embryonalen ‚'''Entwicklungsbewegung'''en‘ des Organismus vorbereitet werden.“<ref>'''Asmussen, Maren (2014):''' Jeder Mensch verdient Respekt. Auf der Spur von Erich Blechschmidt In: lebensqualität. Die Zeitschrift für Kinaesthetics. 2014, Nr. 4. S. 34.</ref>.
: ''„Durch ihre Modelle konnten Blechschmidt und seine KollegInnen die Gestaltungsprozesse nach der Befruchtung des menschlichen Eies Schritt für Schritt nachvollziehen. Dadurch war es ihnen möglich, Schlüsse auf die Biodynamik der menschlichen Ontogenese zu ziehen. Im Laufe der jahrzehntelangen Arbeit wies Blechschmidt nach, ‚dass die lebendigen Gestaltungen bereits als Bewegungsprozess, die den ganzen Körper betreffen, einheitlich zu beschreiben sind‘. Demnach ist die Entstehung des frühen Embryos vor allem durch seine eigene Bewegung beeinflusst, die Blechschmidt '''Entwicklungsbewegung''' nennt. So konnte er aufzeigen, dass z. B. die Entstehung der Hand auf eine Greifbewegung zurückzuführen ist und dass alle Aktivitäten, die ein Mensch ausführen kann, durch die frühen embryonalen ‚'''Entwicklungsbewegung'''en‘ des Organismus vorbereitet werden.“<ref>'''Asmussen, Maren (2014):''' Jeder Mensch verdient Respekt. Auf der Spur von Erich Blechschmidt In: lebensqualität. Die Zeitschrift für Kinaesthetics. 2014, Nr. 4. S. 34.</ref>.


[[Datei:Morphologische Felder - Blechchmidt Erich LQ 04-2014.jpeg|gerahmt|rechts|Quelle: '''Asmussen Maren (2014):''' Jeder Mensch verdient Respekt - Auf dr Spur von Erich Blechschmidt In: lebensqualität. Die Zeitschrift für Kinaesthetics. 2014, Nr. 4. S. 35.]]
[[Datei:Morphologische Felder - Blechchmidt Erich LQ 04-2014.jpeg|gerahmt|rechts|Quelle: '''Asmussen Maren (2014):''' Jeder Mensch verdient Respekt - Auf der Spur von Erich Blechschmidt In: lebensqualität. Die Zeitschrift für Kinaesthetics. 2014, Nr. 4. S. 35.]]
Das zweite Zitat besteht aus dem Text des zweiten Kastens.
Das zweite Zitat besteht aus dem Text des zweiten Kastens.



Version vom 23. Juli 2020, 20:27 Uhr

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Status Diskussion eröffnet
AutorIn/RedakteurIn N. N./Joachim Reif
Letzte Änderung 23.07.2020


Anregung durch TrainerInnen
Diese Diskussion entsteht auf Anfrage einer Gruppe von Schweizer Kinaesthetics-TrainerInnen, die sich auf der Suche nach Quellen an das Redaktionsteam gewandt und auf das Fehlen entsprechender Einträge hingewiesen haben. Wir bedanken uns für das Interesse und hoffen auf einen regen Austausch. Vorab hat das Redaktionsteam sich auf die Suche nach aktuellen bestehenden Quellen und diese hier zugänglich gemacht. Für weitere Quellen, Hinweise und Gedanken sind wir dankbar.

Entwicklungsbewegung in Kinästhetik-Bulletin von 1990

--Joachim Reif (Diskussion) 20:23, 23. Jul. 2020 (CEST)

Das Folgende Zitat findet sich im 16. Kinästhetik-Bulletin. Es ist eingebettet in das 4. Kapitel „Grundprinzipien“. Dieses stellt die früheste zusammenhängende Beschreibung der späteren Konzepte dar. Im Kapitel 4.5., „Funktionen“ finden wir als viertes Unterkapitel „4.5.4 Entwicklungsbewegung“.

4.5.4. Entwicklunqsbewegung
Prof. Dr. med. E. Blechschmidt[1], ein bedeutender Wissenschafter und Forscher im Gebiet der Humanembryologie, befasste sich u.a. mit dem Studium der Bewegungen, welche der menschlichen Entwicklung zugrunde liegen. So wurde nach langjähriger Forschung an Embryonen festgestellt, dass Leistungen des erwachsenen Menschen durch frühembryonale Elementarfunktionen des Organismus vorbereitet werden.
Die Zellteilung ist die Urbewegung für die menschliche Entwicklung. Eine Zelle teilt sich, d.h. die Zelle wächst und dehnt sich, bis die Aussenwand keine Dehnung mehr zulässt. Dann teilt sie sich. Die Bewegung dieser Teilung verläuft in einer Richtung. Mit zunehmender Zellteilung beginnen zwischen den Zellen Kräfte wirksam zu werden (Zug, Druck, Reibung, Scherung, usw.), welche Bewegungen in vielen verschiedenen Richtungen auslösen. Bewegungsrichtungen und Kräfteverhältnisse sind bestimmend für die sich entwickelnde Form und Funktion des Organismus.[2]
Es ist ein Differenzierungsprozess, verbunden mit einer zunehmenden Komplexität. Die Art der Differenzierung hängt dabei von den obgenannten Kräften, den Bewegungsrichtungen und der Lage, Form und Struktur der Organe und den entsprechenden Stoffwechselfeldern ab. Diese räumlich verschiedenen Differenzierungsprozesse sind unmittelbarer Ausdruck von Kräften im physikalischen Sinne. Z.B.: In Feldern, wo Zellen hart gegeneinander gedrückt werden, bilden sich Knochen usw. Mit anderen Worten, Wachstum und Entwicklung hat ganz entscheidend mit Bewegung zwischen verschiedenen Teilen zu tun.
Diese Entwicklungsbewegungen bleiben eine Art von Grundmuster im menschlichen Leben überhaupt.“[3]

Entwicklungsbewegung in „Kinaesthetics-Infant Handling“

Die folgenden Zitate stammen aus dem Buch „Kinaesthetics-Infant Handling“ von Lenny Maietta (1950-2018) und Frank Hatch (*1940), in dem das Kind und seine Entwicklung ins Zentrum gestellt wird. Sie erscheinen in den Unterkapiteln „3.5.1.1. Metabolische Felder“ und „3.5.1.2. Bewegung und Wachstum“ als Teil des Kapitels „Theorie der Gesundheitsentwicklung“[4]

„Metabolische Felder
Blechschmidt studierte die Auswirkungen der Zellteilung auf die Entwicklung des Embryos. Er fand heraus, dass sich Zellen in verschiedenen biomechanischen, metabolischen Feldern entwickeln und differenzieren. Beispielsweise werden die Knochen des Embryos in Feldern gebildet, in denen Flüssigkeiten unter großem Druck aus dem Gewebe der umgebenden Zellen herausgedrückt werden. Andere Zellen in Feldern, in denen Zugkräfte vorherrschen, werden zu Muskelgewebe.
Blechschmidts Studien zeigen, dass die Bewegungsqualitäten bei der Entwicklung jeder Gewebeart die Aufgaben widerspiegeln, die das Gewebe später einnehmen wird. Beispiel Knochen. Sie sorgen nach der Entwicklung des Fetus sowie im weiteren Verlauf des Lebens für die Übertragung von Gewicht auf ein Stützgewebe (wird als Druck durch die Knochen bewegt). Die Knochen entwickeln sich nur im physiologischen Sinn weiter, wenn sie unter den Bedingungen arbeiten, unter denen sie ursprünglich gebildet wurden. Das bedeutet: Fehlt der notwendige Druck aufgrund mangelnder Aktivität, verlieren sie ihre strukturelle Integrität. Gleiches gilt für die Muskulatur: Sie bleibt bei Bewegungen physiologisch aktiv, atrophiert aber bei mangelnder Bewegung.
Bewegung und Wachstum
Ab der 12. Woche verfügt der Fetus bereits über alle anatomisch-physiologischen Qualitäten des Neugeborenen. Dr. Blechschmidt beschäftigte sich mit der Entwicklung von motorischen, sensorischen und physiologischen Strukturen und Prozessen nach der Ausbildung des Feten. Er entdeckte, dass kontinuierliches Wachstum und die Entwicklung sämtlicher anatomischer Strukturen sowie der sensorischen, motorischen und inneren Prozesse, die für das Leben außerhalb des Uterus erforderlich sind, die ständige Bewegung des ungeborenen Kindes voraus setzt.

Entwicklungsbewegung in „Lebensqualität 04/2014 — Jeder Mensch verdient Respekt“

Die folgenden Zitate erschienen in der Ausgabe 04/2014 der Kinaesthetics Fachzeitschrift „lebensqualität“ in der Rubrik „Auf der Spur von...“. Der Artikel mit dem Titel „Jeder Mensch verdient Respekt“ besteht aus einem Interview von Maren Asmussen mit Pater Meinulf Blechschmidt, einem Sohn von Erich Blechschmidt, einem biografischen Kasten zu Erich Blechschmidts Leben, Forschung und wissenschaftlicher Rezeption, und einem Kasten zum Thema „Bewegungsentwicklung und Entwicklungsbewegung“. Das erste Zitat entstammt dem biografischen Kasten „Erich Blechschmidt (1904-1992)“.

„Durch ihre Modelle konnten Blechschmidt und seine KollegInnen die Gestaltungsprozesse nach der Befruchtung des menschlichen Eies Schritt für Schritt nachvollziehen. Dadurch war es ihnen möglich, Schlüsse auf die Biodynamik der menschlichen Ontogenese zu ziehen. Im Laufe der jahrzehntelangen Arbeit wies Blechschmidt nach, ‚dass die lebendigen Gestaltungen bereits als Bewegungsprozess, die den ganzen Körper betreffen, einheitlich zu beschreiben sind‘. Demnach ist die Entstehung des frühen Embryos vor allem durch seine eigene Bewegung beeinflusst, die Blechschmidt Entwicklungsbewegung nennt. So konnte er aufzeigen, dass z. B. die Entstehung der Hand auf eine Greifbewegung zurückzuführen ist und dass alle Aktivitäten, die ein Mensch ausführen kann, durch die frühen embryonalen ‚Entwicklungsbewegungen‘ des Organismus vorbereitet werden.“[5].
Quelle: Asmussen Maren (2014): Jeder Mensch verdient Respekt - Auf der Spur von Erich Blechschmidt In: lebensqualität. Die Zeitschrift für Kinaesthetics. 2014, Nr. 4. S. 35.

Das zweite Zitat besteht aus dem Text des zweiten Kastens.

„Bewegungsentwicklung und Entwicklungsbewegung
In Kinaesthetics wird die Frage gestellt, welche Grundmuster der menschlichen Entwicklung dem menschlichen Verhalten zugrunde liegen und wie diese in alltäglichen Aktivitäten erfahrbar sind. Wenn man diese Frage im Sinn von Blechschmidt stellt, kommt man nicht umhin, die vorgeburtliche Entwicklungsgeschichte des Menschen zu studieren – oder sogar Zusammenhänge zur Evolution des Menschen. Die Forschungsresultate von Blechschmidt sind für Kinaesthetics interessant, weil sie darauf hinweisen, dass sich menschliche Funktionen aus Entwicklungsbewegungen ergeben. Blechschmidt drückte diese Erkenntnis so aus: ,Wir dürfen für die Individualentwicklung feststellen: Jedes Organ hat sowohl eine Lageentwicklung als auch eine ihr zugehörige Form- und Strukturentwicklung. Alle Organe besitzen damit als Bestandteile des Organismus Gestaltungsfunktionen. Diese sind Elementarfunktionen des Organismus. Jedes Organ funktioniert im Rahmen seiner Gestaltungsfunktion entsprechend den Eigenschaften, die es bis zu einer jeweiligen Entwicklungsphase entwickelt hat. Funktionslose Organe gibt es nicht.‘ (Blechschmidt 2002, S. 144)[6]
Mit anderen Worten: Der individuelle Mensch ist das Resultat seiner eigenen Entwicklungsbewegung. Knochen entstehen z. B. da, wo in Zellhaufen durch sogenannte Detraktionsfelder viel Druck entsteht. Gewicht zu tragen und hohen Druck auszuhalten, ist einerseits die Funktion der Knochen. Andererseits können die Knochen zeitlebens ihre Funktion nur weiter ausführen, wenn sie immer wieder und möglichst differenziert Druck und Gewicht ausgesetzt werden. Ein anderes Beispiel sind die sogenannten Dilationsfelder, die in der frühen Embryonalentwicklung durch die gemeinsame Bewegung der Zellen entstehen. In diesen Feldern werden die Zellen durch Zug beansprucht und gedehnt, wodurch die Muskeln entstehen. Auch hier kann im Verlauf des Lebens beobachtet werden, dass die Funktion von Muskeln, die nicht immer wieder gedehnt werden, eingeschränkt wird. Somit lässt die Auseinandersetzung mit dieser Entwicklungsbewegung einen besser verstehen, wie die lebenslange Bewegungsentwicklung funktioniert.“[7]

Entwicklungsbewegung in „Lebensqualität 02/2013 — Optimal Handling auf der Neonatologie“

Das folgende Zitat erschien in der Ausgabe 02/2013 der Kinaesthetics-Fachzeitschrift „Lebensqualität“,im Artikel „Optimal Handling auf der Neonatologie - Kinaesthetics Infant Handling“. Das Zitat ist Teil des Kapitels „Was braucht der kleine Mensch?“.

Entwicklung heißt aktiv sein. Die menschliche Entwicklung ist geprägt von aktiver Bewegung. Von dem Moment der Befruchtung an teilt sich der menschliche Keim aktiv. Der Anatom Erich Blechschmidt entdeckte in seinen Forschungen aktive Stoffwechselbewegungen, die er als Entwicklungsbewegungen bezeichnete (Blechschmidt 2008, S. 207).
Jede embryonale Differenzierung ist ein aktiver Prozess. Nicht alle Nahrungsstoffe gelangen durch passive Diffusion in den kindlichen Organismus. Aminosäuren und Elektrolyte können die uteroplazentare Schranke nicht passiv, sondern ‚... nur durch aktive Transportprozesse … überwinden.‘ (Rohen; Lütjen-Decoll 2012, S. 36)
Auch die Organsysteme entwickeln sich durch aktive Bewegung. Muskeln entwickeln sich z. B. in sogenannten Dilationsfeldern (Dehnungsfeldern), in denen das Gewebe durch Zug gedehnt wird. Die Kontraktionsfähigkeit der Muskeln ist die Folge dieser Wachstumsdehnung. Sie lernen in der embryonalen Entwicklung durch die Entwicklungsbewegung jene Funktion, die sie ein Leben lang ausüben (Blechschmidt 2008, S. 148). Diese aktive Bewegung ermöglicht erst die Entwicklung des Muskel- und Skelettsystems, der inneren Organe, des Wahrnehmungssystems oder der vegetativen Prozesse.
Entwicklung heißt lernen. Jedes Organ entwickelt sich durch seine spezifische Bewegung und differenziert während des Wachstums seine zukünftige Funktion aus. Zum Beispiel entwickelt sich die Lunge in einem sogenannten Sogfeld, das durch den wachsenden Brustkorb entsteht. Aus dieser Entwicklungsbewegung entstehen später die Atembewegungen. Sehr früh entwickeln sich die Rezeptoren des kinästhetischen Sinnessystems und die Nervenzellen wachsen in das Gewebe ein. Dadurch wird der Feedback-Kontroll-Prozess immer differenzierter (vgl. Kirov; Knobel, 2013).[8]

Einzelnachweise

  1. Blechschmidt, Erich (2008):Wie beginnt das menschliche Leben. Vom Ei zum Embryo. 8. Auflage. Stein am Rhein: Christiana Verlag. ISBN 978.3-7171-0653-1.
  2. Blechschmidt, Erich (2008):Wie beginnt das menschliche Leben. Vom Ei zum Embryo. 8. Auflage. Stein am Rhein: Christiana Verlag. ISBN 978.3-7171-0653-1. S. 11 ff
  3. Verein für Kinästhetik (Hg.) (1990): Kinästhetik. 16. Bulletin. Januar 1990 Sonderausgabe. Dritte Auflage. Zürich: Verein für Knästhetik.Ohne ISBN. S. 26 f.
  4. Maietta, Lenny; Hatch, Frank (2011): Kinaesthetics Infant Handling. Originalmanuskript aus dem Amerikanischen von Ute Villwock. 2., durchgesehene und aktualisierte Auflage. Bern [u. a.]: Hans Huber. ISBN 978-3-456-84987-4. S. 44, 45
  5. Asmussen, Maren (2014): Jeder Mensch verdient Respekt. Auf der Spur von Erich Blechschmidt In: lebensqualität. Die Zeitschrift für Kinaesthetics. 2014, Nr. 4. S. 34.
  6. Blechschmidt, Erich (2008):Wie beginnt das menschliche Leben. Vom Ei zum Embryo. 8. Auflage. Stein am Rhein: Christiana Verlag. ISBN 978.3-7171-0653-1. S. 144
  7. Asmussen, Maren (2014): Jeder Mensch verdient Respekt. Auf der Spur von Erich Blechschmidt In: lebensqualität. Die Zeitschrift für Kinaesthetics. 2014, Nr. 4. S. 35.
  8. Kirov, Ute (2013): Optimal Handling auf der Neonatologie. Kinaesthetics Infant Handling. In: lebensqualität. Die Zeitschrift für Kinaesthetics. 2013, Nr. 2. S. 17.