Wahrnehmung: Unterschied zwischen den Versionen

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== „Wahrnehmung“ in „Kinaesthetics Lernen und Bewegungskompetenz“ ==
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Das folgende Zitat stammt aus dem Buch „Kinaesthetics Lernen und Bewegungskompetenz“, das als Arbeitsunterlage in Kinaesthetics-Aufbaukursen verwendet wird. Das Zitat ist in das vierte Kapitel „Theoretische Grundlagen von Kinaesthetics“ eingebettet. Die vorausgehenden Unterkapitel „Leben bedeutet Bewegung“ und „Schwerkraft und Bewegung“ beleuchten die grundlegende Bedeutung der Bewegung und der Schwerkraft für das Leben. Das dritte Unterkapitels „Zirkuläre Selbstregulationsprozesse als Grundlage des menschlichen Verhaltens“ beschreibt die Zirkularität bzw. die [[Feedback-Control-Theorie]] als Verhaltensgrundlage. Das Zitat ist der Text des anschließenden vierten Kapitels „Geschlossenheit und Individualität der Wahrnehmung“.
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: ''„Es leuchtet ein, dass eine Ameise, eine Fledermaus oder ein Delphin die Welt wohl ganz anders wahrnehmen als wir. Neurobiologische Forschungen zeigen auf, dass die Wahrnehmung jedes Lebewesens davon abhängig ist, über welche Sinnessysteme es verfügt und für welches Spektrum von Reizen diese Systeme aufgrund ihrer Struktur empfindlich sind. Grundsätzlich vermittelt die gesamte Sinneswahrnehmung einem Lebewesen ein ‚[[Stabil und instabil|stabiles]]‘ und zusammenhängendes Bild seiner selbst und seiner Umgebung. Das Zusammentreffen mit Reizen (Licht, Schall, Berührung, Bewegung usw.) ist also eine Voraussetzung der Wahrnehmung. Die Reize bestimmen aber nicht, wie ein Lebewesen sie wahrnimmt. In wissenschaftlicher Formulierung spricht man davon, dass lebende Systeme prinzipiell ‚informationally closed‘, d. h. bezüglich Information geschlossen sind. Die Wahrnehmung darf nicht als eine objektive Abbildung einer gegebenen Umgebung betrachtet werden. Vielmehr ‚errechnet‘ jedes Individuum fortlaufend das Bild seiner Welt. Wie im vorangehenden Kapitel beschrieben, vollzieht sich dieses Errechnen in [[Zirkularität|zirkulären Prozessen]], an denen nicht nur das Wahrnehmungssystem und das Nervensystem, sondern ebenso das Bewegungssystem beteiligt sind.''
  
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: ''Grundsätzlich ist somit davon auszugehen, dass jeder einzelne Mensch die Welt auf seine individuelle Art und Weise wahrnimmt. Natürlich ist es für die Entwicklung des Menschen wichtig, dass er lernt, die Welt über Interaktion und Kommunikation ‚gleich‘ oder ähnlich wie seine Eltern oder Bezugspersonen wahrzunehmen. Da wir ähnliche Strukturen aufweisen, die eine sehr differenzierte Interaktion und Kommunikation ermöglichen, können wir wahrscheinliche Aussagen darüber machen, wie andere Menschen die Welt erleben. Doch insbesondere im Kontakt mit Menschen mit Demenz oder Behinderung, aber auch in Alltagssituationen kann sich uns der Gedanke aufdrängen, dass ein anderer Mensch die Welt offensichtlich anders wahrnimmt als wir selbst.“''
== Zusammenfassung ==
 
  
== Zum Begriff ==
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Text der zugehörigen Infobox „'''Wie entsteht die Welt, die ich wahrnehme?'''“:
das Erfassen mit den Sinnen
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: ''„Der Neurobiologe F. J. Varela (1946–2001) formulierte das Resultat seiner Forschungsarbeiten über das Sehen in einem Interview ungefähr so: ‚Ist da draußen etwas (z. B. Licht), das zu meinem Auge kommt? – Nein: Es gibt keine Beziehung zwischen dem Licht und dem Farbsehen. Die Unterschiede, die wir wahrnehmen und als verschiedene Farben bezeichnen, spiegeln nicht eine äußere, objektive Realität, sondern beruhen auf der Art und Weise, wie wir strukturell ‚zusammengesetzt‘ sind.''
  
=== Aktuelle Verwendung ===
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: ''Wie entsteht die Welt, die ich wahrnehme? – Im ‚Zusammenprall‘ (‚clash‘) zwischen unserer Struktur und dem Milieu, in das wir buchstäblich eintauchen, entsteht die Welt. Wir sind so gebaut, dass aus dem Zusammentreffen der Aktivitäten des Gehirns und der Aktivitäten des Auges ein stabiles Bild der Welt, eine konstante visuelle Realität entsteht. Die Funktion des Hirns kann nicht als Informationsaufnahme beschrieben werden. (Reichle 2004)“''
In Kinaesthetics steht die präzise Wahrnehmung/ Erfahrung aus der Innenperspektive und die Beschreibung der Bewegungserfahrungen im Vordergrund. Dabei wird das „Gewahr werden“ der eigenen Bewegung und seine Beschreibung von der Wertung der Erfahrung (richtig-falsch, besser-schlechter) getrennt.
 
  
=== Herkunft ===
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Quelle: '''European Kinaesthetics Association (Hg.) (2018):''' Kinaesthetics. Lernen und Bewegungskompetenz. Linz, Siebnen: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-01-7. S. 46.
  
=== Synonyme ===
 
Sinneseindruck, Beobachtung, Betrachtung, Empfinden, Empfindung, Erfassen, Erkenntnis, Gefühl, Impression, Perzeption
 
 
== Hauptteil ==
 
Im Zusammenhang mit Kinaesthetics geht es um die sinnliche Wahrnehmung, d.h. um die Aufnahme von Reizen durch Sinneszellen, -organe aus dem Inneren des Körpers und von außerhalb des Körpers.
 
 
Mit den klassischen fünf Sinnen, Sehen, Riechen, Hören, Schmecken und Tasten verschaffen wir uns Informationen über unsere äußere Umwelt. Das kinästhetische Sinnessystem wird von unterschiedlichen, im ganzen Körper verteilten Rezeptoren  gebildet. Sie ermöglichen uns im Zusammenspiel eine sehr differenzierte Wahrnehmung unserer eigenen Bewegung. Mit diesem sehr grundlegenden Sinn gewinnen wir Informationen über unsere innere dynamische „Befindlichkeit“.
 
Die bewusste Bewegungswahrnehmung aus der Innenperspektive, d.h. die Sensibilisierung des kinästhetischen Sinnessystems, spielt in Lernprozessen von Kinaesthetics eine entscheidende Rolle. Als Symbol für dieses System wird die Muskelspindel, ein spiralförmiges kinästhetisches Sinnesorgan in den Muskeln, verwendet.
 
 
Das kinästhetische Sinnessystem.
 
 
Erst in der Neuzeit entdeckte man Sinneszellen (Rezeptoren), die auf spezifische Reize aus dem Körperinneren spezialisiert sind. Sie dienen  u.a. der Wahrnehmung von Schmerz, Muskelspannung, Vibration, der Stellung der Körperteile zueinander und des Kopfes bezüglich der Schwerkraft. Dadurch wird klar, dass der Mensch mit der Sinneswahrnehmung nicht nur Reize von Außen, sondern auch von Innen verarbeitet. Solche Rezeptoren, die im ganzen Körper verteilt sind, bilden ein zusammenhängendes Netz, das kinästhetische Sinnessystem.
 
Das kinästhetische Sinnessystem spielt bei der Steuerung aller Lebensaktivitäten eine zentrale Rolle. Es ermöglicht uns verschiedene Aspekte der Bewegung wahrzunehmen. Unterschiede der Muskelspannung, Druck- und Zugverhältnisse und Raumlagebeziehungen.
 
 
Bewegung und Bewegungswahrnehmung bedingen sich gegenseitig und sind durch kontinuierliche Feedbackschleifen gekoppelt.
 
 
Man muss sich bewegen um Bewegung wahrnehmen zu können, und man muss Bewegung wahrnehmen können um sich gezielt zu bewegen.
 
 
Das kinästhetische Sinnessystem ist ein grundlegender Bestandteil der gesamten Wahrnehmung. Kinaesthetics legt besonderen Wert auf die Sensibilisierung dieses Sinnessystems, da jede Wahrnehmung an Bewegung gebunden ist sowie an die Fähigkeit mit der Bewegung einem Reiz folgen zu können. Die Qualität jeder Interaktion wird von der kinästhetischen Sensibilität der HandlungspartnerInnen  direkt beeinflusst.
 
 
„ Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun.“ (H. Maturana; F. Varela)
 
 
 
<ref> * Name, Vorname; Name, Vorname(Jahr): ''Titel. Untertitel.'' x. Auflage. Verlag, Ort. S. X–Y. </ref>
 
 
== Erfahrungsberichte ==
 
 
== Weiterführende Literatur und Medien ==
 
 
* Name, Vorname; Name, Vorname (Jahr): ''Titel. Untertitel.'' x. Auflage. Verlag, Ort. ISBN.
 
* Name, Vorname; Name, Vorname (Jahr)(Hrsg.): ''Titel'' (= ''Reihe.'' Bd. x). x. Auflage. Verlag, Ort. ISBN.
 
* Name, Vorname; Name, Vorname(Jahr): ''Titel.'' In: Name, Vorname (Hrsg.): ''Sammelwerk'' (= ''Reihe.'' Bd. x). Verlag, Ort. S. X–Y.
 
* Name, Vorname; Name, Vorname (Jahr): ''Titel. Untertitel.'' In: ''Zeitschrift.'' Nr./Jahrgang. ISSN. S. X–Y.
 
 
== Weiterführende Weblinks ==
 
 
[http://Weblink Weblink]<br />
 
 
== Vergleiche auch ==
 
 
[[Artikel]]<br />
 
 
== Einzelnachweise ==
 
<references />
 
 
 
 
[[Kategorie: Kybernetische Grundlagen]]
 
[[Kategorie: Kybernetische Grundlagen]]

Version vom 26. September 2018, 15:46 Uhr

Status mit Fachliteratur angelegt
AutorIn/RedakteurIn N. N./N. N.
Letzte Änderung 26.09.2018


„Wahrnehmung“ in „Kinaesthetics Lernen und Bewegungskompetenz“

Das folgende Zitat stammt aus dem Buch „Kinaesthetics Lernen und Bewegungskompetenz“, das als Arbeitsunterlage in Kinaesthetics-Aufbaukursen verwendet wird. Das Zitat ist in das vierte Kapitel „Theoretische Grundlagen von Kinaesthetics“ eingebettet. Die vorausgehenden Unterkapitel „Leben bedeutet Bewegung“ und „Schwerkraft und Bewegung“ beleuchten die grundlegende Bedeutung der Bewegung und der Schwerkraft für das Leben. Das dritte Unterkapitels „Zirkuläre Selbstregulationsprozesse als Grundlage des menschlichen Verhaltens“ beschreibt die Zirkularität bzw. die Feedback-Control-Theorie als Verhaltensgrundlage. Das Zitat ist der Text des anschließenden vierten Kapitels „Geschlossenheit und Individualität der Wahrnehmung“.

Wer nimmt bei dieser Begegnung was wahr? Zeichnen Sie mit Pfeilen ein, worauf die einzelnen Akteure im gleichen Moment ihre Aufmerksamkeit richten könnten.
„Es leuchtet ein, dass eine Ameise, eine Fledermaus oder ein Delphin die Welt wohl ganz anders wahrnehmen als wir. Neurobiologische Forschungen zeigen auf, dass die Wahrnehmung jedes Lebewesens davon abhängig ist, über welche Sinnessysteme es verfügt und für welches Spektrum von Reizen diese Systeme aufgrund ihrer Struktur empfindlich sind. Grundsätzlich vermittelt die gesamte Sinneswahrnehmung einem Lebewesen ein ‚stabiles‘ und zusammenhängendes Bild seiner selbst und seiner Umgebung. Das Zusammentreffen mit Reizen (Licht, Schall, Berührung, Bewegung usw.) ist also eine Voraussetzung der Wahrnehmung. Die Reize bestimmen aber nicht, wie ein Lebewesen sie wahrnimmt. In wissenschaftlicher Formulierung spricht man davon, dass lebende Systeme prinzipiell ‚informationally closed‘, d. h. bezüglich Information geschlossen sind. Die Wahrnehmung darf nicht als eine objektive Abbildung einer gegebenen Umgebung betrachtet werden. Vielmehr ‚errechnet‘ jedes Individuum fortlaufend das Bild seiner Welt. Wie im vorangehenden Kapitel beschrieben, vollzieht sich dieses Errechnen in zirkulären Prozessen, an denen nicht nur das Wahrnehmungssystem und das Nervensystem, sondern ebenso das Bewegungssystem beteiligt sind.
Grundsätzlich ist somit davon auszugehen, dass jeder einzelne Mensch die Welt auf seine individuelle Art und Weise wahrnimmt. Natürlich ist es für die Entwicklung des Menschen wichtig, dass er lernt, die Welt über Interaktion und Kommunikation ‚gleich‘ oder ähnlich wie seine Eltern oder Bezugspersonen wahrzunehmen. Da wir ähnliche Strukturen aufweisen, die eine sehr differenzierte Interaktion und Kommunikation ermöglichen, können wir wahrscheinliche Aussagen darüber machen, wie andere Menschen die Welt erleben. Doch insbesondere im Kontakt mit Menschen mit Demenz oder Behinderung, aber auch in Alltagssituationen kann sich uns der Gedanke aufdrängen, dass ein anderer Mensch die Welt offensichtlich anders wahrnimmt als wir selbst.“

Text der zugehörigen Infobox „Wie entsteht die Welt, die ich wahrnehme?“:

„Der Neurobiologe F. J. Varela (1946–2001) formulierte das Resultat seiner Forschungsarbeiten über das Sehen in einem Interview ungefähr so: ‚Ist da draußen etwas (z. B. Licht), das zu meinem Auge kommt? – Nein: Es gibt keine Beziehung zwischen dem Licht und dem Farbsehen. Die Unterschiede, die wir wahrnehmen und als verschiedene Farben bezeichnen, spiegeln nicht eine äußere, objektive Realität, sondern beruhen auf der Art und Weise, wie wir strukturell ‚zusammengesetzt‘ sind.
Wie entsteht die Welt, die ich wahrnehme? – Im ‚Zusammenprall‘ (‚clash‘) zwischen unserer Struktur und dem Milieu, in das wir buchstäblich eintauchen, entsteht die Welt. Wir sind so gebaut, dass aus dem Zusammentreffen der Aktivitäten des Gehirns und der Aktivitäten des Auges ein stabiles Bild der Welt, eine konstante visuelle Realität entsteht. Die Funktion des Hirns kann nicht als Informationsaufnahme beschrieben werden. (Reichle 2004)“

Quelle: European Kinaesthetics Association (Hg.) (2018): Kinaesthetics. Lernen und Bewegungskompetenz. Linz, Siebnen: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-01-7. S. 46.