Lernspirale

Aus Kinaesthetics-Online-Fachlexikon
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AutorIn/RedakteurIn N. N./N. N.
Letzte Änderung 29.11.2019


1 Die Lernspirale in „Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz“

Das folgende Zitat stammt aus dem Buch „Kinaesthetics – Lernen und Bewegungskompetenz“, das als Arbeitsunterlage in Kinaesthetics-Aufbaukursen verwendet wird. Im zweiten Kapitel „Methoden und Instrumente“ beschreibt der Text unter dem zweiten Unterkapitel „Das Lernmodell“ dessen zweite konkrete Ausprägung unter dem Titel „Die Lernspirale“. Bei dieser bildet eine reale Problemstellung den Ausgangspunkt des Vorgehens. Vorausgehend wird der Lernzyklus als erste konkrete Ausprägung des Lernmodells beschrieben.

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„Die ‚Lernspirale‘ ist eine Methode, die Sie anzuwenden lernen, um konkrete Problemstellungen aus Ihrem beruflichen oder privaten Alltag mit Kinaesthetics zu bearbeiten. Sie geht von der Erfahrung der Situation im Tun aus und kann in der Form einer Spirale über die Schritte des Reflektierens, Variierens, Entscheidens und erneuten Tuns beliebig fortgesetzt werden.
Die Lernspirale durchbricht das gängige Muster, dass beim Auftreten eines Problems geradlinig nach seiner Lösung und Behebung gesucht wird. Ihr Motto heißt: Es geht nicht darum, das Problem zu lösen, sondern sich vom Problem zu lösen.
Die Analyse und Reflexion der Situation aus der Innenperspektive Ihrer Bewegungserfahrungen, die Beschäftigung mit vielen möglichen Varianten und die Auswertung Ihrer Erfahrungen lenken Ihre Aufmerksamkeit weg von der Suche nach Lösungen. Mit diesem Vorgehen achten Sie vielmehr auf das Lern- und Entwicklungspotenzial der Situation und loten es differenziert und in aller Breite aus. Der spiralförmige Aufbau der Methode führt dazu, dass Sie die „Lösungen“ des Problems stets wieder mit demselben Vorgehen der Entwicklung der Situation anpassen können. Dadurch wird eine nachhaltige Bearbeitung von Problemstellungen möglich.
Die Lernspirale ist besonders geeignet für das gemeinsame Lernen in kleinen Gruppen oder im Team. Im Folgenden werden die Teile der Lernspirale genauer beschrieben.
Tun
Die Ausgangslage bildet ein zu bestimmender Ausschnitt einer konkreten Praxissituation, die für Sie in einem bestimmten Kontext von Bedeutung ist. In einem Kinaesthetics-Kurs spielen Sie die Situation entweder im Kursraum durch oder gehen in konkrete Praxissituationen und führen die betreffenden Aktivitäten real aus.
Lenken Sie dabei Ihre Aufmerksamkeit auf die Informationen, die Sie über Ihre Bewegungswahrnehmung erhalten. Diese Erfahrung bildet Ihren persönlichen Bezugspunkt für die nächsten drei Schritte der Methode.
Reflektieren
Sie reflektieren die Erfahrung der Ausgangslage, indem Sie mit eigenen Bewegungserfahrungen die Aktivitäten der Situation nachvollziehen. Wenn mehrere Personen in die Situation einbezogen sind, begeben Sie sich in alle Rollen. Es ist sinnvoll die Zahl der Aktivitäten, die Sie analysieren wollen, zu beschränken. Zudem lohnt es sich, auf die Schlüsselstellen der Situation zu achten, wo es ‚klemmt‘ oder spannend wird, und besonders die damit verbundenen Aktivitäten zu untersuchen. Verwenden Sie für Ihre Einzel- und Partnererfahrungen die verschiedenen Blickwinkel des Kinaesthetics-Konzeptsystems. Dokumentieren Sie Ihre Erfahrungen z. B. mit dem Konzept-Raster und achten Sie dabei darauf, Ihre Beobachtungen und nicht die Bewertung derselben zu beschreiben. Überlegen Sie sich, welche Blickwinkel des Konzeptssystems Ihnen für die Situation besonders bedeutsam erscheinen.
Dieser Teil der Lernspirale ermöglicht es Ihnen, aus der Bewegungs- und Innenperspektive die ausgewählten Aktivitäten der Praxissituation differenziert zu analysieren und Konzeptblickwinkel zu finden, die für die Schlüsselstellen bedeutsam sind.
Variieren
Im nächsten Schritt gilt es – ohne sich an der Lösung des Problems zu orientieren – die Aktivitäten der Schlüsselstellen, die Sie beim Reflektieren untersucht haben, in Bewegungserfahrungen möglichst breit zu variieren. Sie benutzen dazu die auf der Grundlage der Reflexion ausgewählte Blickwinkel des Konzeptsystems, um die Unterschiede in der Gestaltung der Aktivität präzise wahrnehmen, beschreiben und vergleichen zu können. Gehen Sie feinen, kleinen Unterschieden nach, suchen Sie aber auch nach ungewöhnlichen oder „verrückten“ Varianten. Nicht selten zeigt sich in ihnen die zugrunde liegende Problematik in aller Schärfe oder es tut sich überraschenderweise ein gangbarer Weg auf. Gleichzeitig besteht für Sie die Möglichkeit, die eigene Kreativität in der Bewegung auf diese Weise spielerisch zu entwickeln.
Achten Sie besonders darauf, auf welchen Kompetenzen die betreffenden Aktivitäten grundsätzlich aufbauen und mit welchen Variationen sich diese Kompetenzen auf unterschiedlich anspruchsvollen Ebenen entwickeln und erweitern lassen.
In diesem Teil erarbeiten Sie sich ein breites und tiefes Verständnis, auf welchen Kompetenzen die Praxissituation beruht, und eine Vielzahl von kleinen und großen Handlungsalternativen, um Lern- und Entwicklungsprozesse in der betreffenden Situation zu unterstützen.
Entscheiden
Sie werten die Erfahrungen und Erkenntnisse der vorausgegangenen zwei Schritte aus. Sie überlegen sich, welche Blickwinkel in der betreffenden Situation ein Lernpotenzial bieten, das an Sie und die beteiligten Personen angepasst ist. Sie entscheiden sich, was Sie aufgrund Ihrer Auswertung das nächste Mal in die betreffende Situation integrieren und worauf Sie besonders achten wollen.
Tun
Auf der Grundlage des letzten Schrittes gestalten Sie die reale Praxissituation erneut oder spielen sie mit anderen TeilnehmerInnen durch. Dadurch gewinnen Sie einerseits einen neuen Bezugspunkt für die Fortsetzung der Lernspirale. Andererseits kann ähnlich wie im Lernzyklus der Kompetenzgewinn als eine Erfahrung des Unterschiedes zwischen dem ersten und dem zweiten Tun fassbar gemacht werden. Dieser Lernzuwachs kann mit den Bildungsfeldern ausgewertet und systematisch dokumentiert werden.“

Quelle: European Kinaesthetics Association (Hg.) (2020): Kinaesthetics. Lernen und Bewegungskompetenz. Linz, Winterthur: Verlag European Kinaesthetics Association. ISBN 978-3-903180-01-7. S. 22–25.

2 Weiterführende Literatur und Medien